Einigungsvertrag (EinigV)

1.
Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. 8. 1990 (BGBl. II 885) beendete verfassungsrechtlich die Teilung Deutschlands (Wiedervereinigung). Mit dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR gemäß Art. 23 GG am 3. 10. 1990 wurden die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Länder der Bundesrepublik Deutschland. Die 23 Bezirke von Berlin bilden das Land Berlin. Als Hauptstadt wurde Berlin bestimmt. Die Frage des Sitzes von Parlament und Regierung wurde zunächst noch offen gelassen (Bundeshauptstadt). Der Tag des Wirksamwerdens des Beitritts wurde zum gesetzlichen Feiertag bestimmt. Die Verwaltungsorgane und sonstigen der öffentlichen Verwaltung oder Rechtspflege dienenden Einrichtungen wurden, soweit ihre Aufgaben der Verwaltungskompetenz des Bundes unterfallen, auf den Bund, im Übrigen auf die Länder übergeführt. Die Rehabilitierung der Opfer des SED-Unrechts-Regimes wurde vertraglich abgesichert. Im Übrigen wurde festgelegt, dass gerichtliche Entscheidungen und Verwaltungsentscheidungen grundsätzlich fortbestehen. Die Beschäftigungsverhältnisse der im öffentlichen Dienst stehenden Personen wurden grundsätzlich auf Bund und Länder übergeleitet. Soweit Einrichtungen nicht übernommen, sondern abgewickelt werden, traten die Beschäftigten in Wartestand, wobei ihre Beschäftigungsverhältnisse nach sechs Monaten endeten, soweit keine anderweitige Beschäftigung für sie gefunden werden konnte. Überdies konnte wegen mangelnden Bedarfs ordentlich und bei Mitarbeit im Ministerium für Staatssicherheit außerordentlich gekündigt werden. Das Verwaltungsvermögen der DDR wurde auf Bund und Länder übergeleitet, das Finanzvermögen auf den Bund. Die bis zum Wirksamwerden des Beitritts aufgelaufene Gesamtverschuldung des Republikhaushaltes der DDR wurde von einem nicht rechtsfähigen Sondervermögen des Bundes übernommen. Die Bundesrepublik Deutschland haftet aber nur insoweit, als dies im E. ausdrücklich geregelt ist; eine Haftung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge besteht nicht. Die Treuhandanstalt blieb damit beauftragt, die früheren volkseigenen Betriebe wettbewerblich zu strukturieren und zu privatisieren. Die Deutsche Reichsbahn und die Deutsche Post wurden Sondervermögen des Bundes, wobei die Deutsche Post mit der Deutschen Bundespost vereinigt wurde. Besondere Vorschriften wurden für die Bereiche Arbeit, Soziales, Familie, Frauen, Gesundheitswesen und Umweltschutz sowie Kultur, Bildung, Wissenschaft und Sport getroffen. Die Bestimmungen zur Regelung der offenen Vermögensfragen wurden bekräftigt. Kernstück des gesamten Vertragswerkes war die Rechtsangleichung.

2.
Das Grundgesetz wurde im Beitrittsgebiet in Kraft gesetzt und gleichzeitig geändert. Die Präambel wurde neu gefasst und klargestellt, dass durch den Beitritt Einheit und Freiheit Deutschlands in freier Selbstbestimmung vollendet sind. Die Beitrittsvorschrift des Art. 23 wurde aufgehoben. Die Stimmenverteilung im Bundesrat wurde neu geregelt. Das Recht im Beitrittsgebiet durfte bis 31. 12. 1992 vom Grundgesetz abweichen. Die Möglichkeit des Erlasses einer neuen Verfassung wurde offen gelassen. Künftige Verfassungsänderungen blieben vorbehalten.

3.
Mit dem Wirksamwerden des Beitritts trat in dem Beitrittsgebiet das einfache Bundesrecht in Kraft, soweit in Anlage I des Einigungsvertrags nichts anderes bestimmt war. Anlage I umfasste einen umfangreichen Katalog von Maßgaben für alle Rechtsgebiete, die - jeweils mit unterschiedlichen Übergangsfristen - zahlreiche Modifikationen für die Geltung des Bundesrechts enthalten.

4.
Das Recht der DDR, das nunmehr Gegenstände des Landesrechts betraf, galt - soweit es mit dem Grundgesetz vereinbar war - als Landesrecht fort. Die gesetzgebenden Körperschaften der neuen Länder können dieses Recht jederzeit ändern oder aufheben. Im Übrigen galt das Recht der DDR als Bundesrecht nur dann fort, wenn es in der Anlage II des Einigungsvertrages ausdrücklich aufgeführt ist. In der Regel bestimmte die Anlage II Maßgaben für die Dauer der Fortgeltung.

5.
Mit dem Wirksamwerden des Beitritts galten im Beitrittsgebiet die Verträge über die Europäischen Gemeinschaften nebst Änderungen und Ergänzungen sowie die internationalen Vereinbarungen, Verträge und Beschlüsse, die in Verbindung mit diesen Verträgen in Kraft getreten waren.

6.
Sonstige völkerrechtliche Verträge der Bundesrepublik Deutschland galten auch für das Beitrittsgebiet. Hinsichtlich der völkerrechtlichen Verträge der DDR wurde Einigkeit dahingehend erzielt, dass diese unter den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes, der Interessenlage der beteiligten Staaten und der vertraglichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zu erörtern sind, um ihre Fortgeltung, Anpassung oder ihr Erlöschen zu regeln beziehungsweise festzustellen. Im Übrigen regelte die äußeren Aspekte der Wiedervereinigung die Abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland.

Der Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 31. August 1990 beendete verfassungsrechtlich die 41 Jahre währende Teilung Deutschlands. Der Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes erfolgte am 3. Oktober 1990; das bis dahin geltende Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes war damit erfüllt. Der 3. Oktober ist seitdem gesetzlicher Feiertag; Hauptstadt wurde Berlin. Ein Kernstück des umfangreichen Einigungsvertrags bezieht sich auf die Rechtsangleichung. Grundsätzlich gilt demgemäß das gesamte Bundesrecht auch in den neuen Bundesländern; Ausnahmen und Übergangsregelungen sind in zwei Anlagen des Dokuments gesondert aufgeführt. Gleichzeitig erlangten die Verträge über die Europäische Union sowie völkerrechtliche Verträge der Bundesrepublik Deutschland im Beitrittsgebiet Gültigkeit. Das Verwaltungsvermögen der früheren DDR ging auf Bund und Länder über, das Finanzvermögen nur auf den Bund, der zudem die Gesamtschulden übernahm.
Die Treuhandanstalt erhielt den Auftrag, die ehemaligen volkseigenen Betriebe zu privatisieren. 1995 trat die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) ihre Nachfolge an; sie kontrolliert die verbliebenen Privatisierungsverträge und wickelt Unternehmen ab, die Konkurs angemeldet haben.
Art. 23, 33 GG

Bezeichnung des im September 1990 zwischen den damals noch bestehenden Teilstaaten Deutschlands geschlossenen Vertrages «über die Herstellung der Einheit Deutschlands». Er sieht zunächst vor, daß der von der früheren DDR erklärte Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 wirksam werde und daß dieser Tag von nun an als «Tag der deutschen Einheit» gesetzlicher Feiertag werde. Mit diesem Tage entstehen die fünf neuen Bundesländer auf dem Gebiet der früheren DDR, ferner das Land Berlin als Gesamtheit, das zugleich Hauptstadt Deutschlands wird, ohne daß jedoch eine Entscheidung über den Sitz von Parlament und Regierung getroffen wird. Mit dem genannten Tag tritt auch das Grundgesetz im Gebiet der früheren DDR in Kraft, woraus sich allerdings auch einige Änderungen desselben ergeben. Ferner treten (fast) alle Gesetze des Bundes und das Recht der Europäischen Gemeinschaften im Gebiet der früheren DDR in Kraft, das dort geltende Recht kann nur als Recht der neuen Bundesländer fortgelten, Behörden der früheren DDR bestehen zunächst als Behörden der neuen Bundesländer weiter. Es folgen dann Einzelregelungen für die einzelnen Rechtsgebiete, ferner Übergangsvorschriften, die vor allem in Anlagen zum eigentlichen Vertrag enthalten sind. Soweit sich hieraus Abweichungen von den im alten Bundesgebiet geltenden Regelungen ergeben, wird hierauf bei den einzelnen Stichworten hingewiesen.

Im Arbeitsrecht:

Der Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands besteht aus dem Vertragstext und 3 Anlagen, die ihrerseits wieder in Kapitel untergliedert sind. Es sind enthalten in Anlage I die besonderen Bestimmungen, mit denen das Recht der Altbundesländer in die neuen Bundesländer übergeleitet wurde, in Anlage II die besonderen Bestimmungen für fortgeltendes Recht der ehemaligen DDR, in Anlage Bf.die gemeinsamen Erklärungen der BRD und DDR zu offenen Vermögensfragen. In den neuen Bundesländern gelten nur noch wenige arbeitsrechtliche Besonderheiten, da die meisten Überleitungsfristen abgelaufen sind. In Art. 30 EV ist vorgesehen, dass es Aufgabe des gesamtdeutschen Gesetzgebers ist, (1) das Arbeitsvertragsrecht sowie das öffentlich rechtliche Arbeitszeitrecht einschliesslich der Zulässigkeit von Sonn- und Feiertagsarbeit und den besonderen Frauenarbeitsschutz möglichst bald einheitlich zu kodifizieren, (2) den öffentlich rechtlichen Arbeitsschutz in Übereinstimmung mit dem Recht der EG und dem damit konformen Teil des Arbeitsschutzrechtes der DDR zeitgemäss zu regeln. Lit.: Adomeit NZA 93, 433; Ascheid NZA 93, 97; Däubler NJ 92, 259; PersR 288; Dörner/Widlak Beil. 1 zu NZA 91; Mückenberger KJ 90, 485; Peter KJ 90, 478; Schwedes BArbBI 91, 5; Wank RdA 91, 1; Worzalla DtZ 92, 306.

ist der am 31.8. 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossene Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands. Danach wurden die Länder Brandenburg, Mecklen- burg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen am 3. 10. 1990 Länder der Bundesrepublik Deutschland und Berlin Hauptstadt Deutschlands und trat mit dem Beitritt das Recht der Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe des Einigungsvertrags und seiner Anlagen im Gebiet dieser Länder in Kraft. Die Anlage I enthält besondere Bestimmungen zur Überleitung von Bundesrecht, gegliedert nach den Geschäftsbereichen der einzelnen Bundesministerien. Lit.: Einigungsvertrag und Wahl vertrag mit Vertragsgesetzen, hg.v. Stern, K. u.a., 1990; Wagner, H., Der Einigungsvertrag nach dem Beitritt, 1994

, Abk.: EV: Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8. 1990 (BGBl. II S.885).
Rechtlich eröffnete das GG für die Wiederherstellung der staatlichen Einheit zwei verschiedene Wege: Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland nach Art.23 GG a. F. oder Schaffung einer neuen, gesamtdeutschen Verfassung nach Art. 146 GG a. E Da die Ausarbeitung einer neuen Verfassung zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte, wurde der einfachere und schnellere Weg über Art.23 GG bevorzugt. Am 23.8. 1990 erklärte die Volkskammer der DDR „den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes ... zum 3. Oktober 1990” (BGBl. I 1990, 2057). Der Umsetzung der Beitrittserklärung diente der Einigungsvertrag. Die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wurden neue Länder der Bundesrepublik. Die 23 Bezirke von Berlin (Ost und West) bilden das Land Berlin. Durch Art. 2 EV wurde Berlin als Hauptstadt Deutschlands bestimmt.
Vereinigungsbedingt wurde die Präambel des Grundgesetzes geändert und Art. 23 GG a. E aufgehoben. Dadurch sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass mit der Wiederherstellung der staatlichen Einheit das Wiedervereinigungsgebot erfüllt ist. Durch die Streichung des Art. 23 GG wurde klargestellt, dass das vereinte Deutschland keine weitere Ausdehnung erfahren kann (insb. hinsichtlich der ehemals deutschen Ostgebiete jenseits von Oder und Neiße). Außerdem enthielt Art. 4 EV Änderungen des GG zur befristeten Aufrechterhaltung von grundgesetzwidrigem DDR-Recht (Art.143 GG) und Regelungen zur Eigentumsordnung (Art. 135 a, 143 Abs. 3 GG, Bodenreform). Um eine einheitliche Rechtsordnung zu schaffen, leitete Art. 8 EV das Bundesrecht auf die neuen Länder über, soweit nicht in der Anlage I zum Vertrag ausdrücklich Ausnahmen vorgesehen waren. Art. 9 regelte i. V. m. der Anlage II zum Vertrag die Fortgeltung früheren DDR-Rechts als Landesrecht, teilweise als (partielles) Bundesrecht.
Als auf das Beitrittsgebiet beschränktes Bundesrecht galten — zeitlich befristet — z.B. fort die §§ 153 ff. StGB DDR (Schwangerschaftsabbruch).
Nach Art. 10 EV erstreckte sich das EG-Recht unmittelbar auf die neuen Länder.
Anlage III zum Vertrag beinhaltet eine Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen und legte u. a. fest, dass Enteignungen auf dem Gebiet der DDR zwischen 1945 und 1949 nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Bodenreform).
Die Rechte aus dem EV stehen gem. Art. 44 EV nach dem Beitritt den neuen Ländern zu. Die nicht verfassungsändernden Vorschriften des Einigungsvertrages haben allerdings — auch soweit sie zum materiellen Verfassungsrecht zählen — nur den Rang einfachen Bundesrechts (Art. 45 Abs. 2 EV) und können daher jederzeit vom Bundesgesetzgeber geändert oder aufgehoben werden.




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