Mitverschulden

das Verschulden des Geschädigten, das bei der Entstehung eines Schadens mitgewirkt hat. Die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie deren Umfang hängt dann insbes. davon ab, von wem der Schaden vorwiegend verursacht worden ist. Dies kann zu einer Aufteilung des Schadens führen (z.B. 3/4 trägt der Schädiger, 1/4 der Geschädigte).

Ist bei Schadensersatzansprüchen auf seifen des Geschädigten entweder bei der Entstehung (§ 254 I BGB) oder bei der Entwicklung des Schadens (§254II BGB) ein mitwirkendes Verschulden gegeben, kann dies zur Minderung oder gar dem Ausschluß der Ersatzpflicht führen. Das M. ist im Haftungstatbestand als eigener Punkt zu prüfen. Es handelt sich bei § 254 BGB um ein „Verschulden gegen sich selbst“, so daß der Haftungsmaßstab des § 276 BGB nicht gilt. Es liegt vor, wenn der Geschädigte sich unter Außerachtlassung zumutbarer Sorgfalt selbst in eine Lage gebracht hat, in der sich das Verhalten des anderen schädigend für ihn auswirken konnte. § 254 BGB begründet eine Obliegenheit zur Wahrung der eigenen Schutzinteressen sowie dazu, sich selbst vor Schäden zu schützen. Voraussetzung ist die Zurechnungsfähigkeit des Geschädigten i.S.d. §§ 827, 828 BGB, die über §§ 276 I S.3, 827, 828 BGB entsprechend gelten. Zu beachten ist ferner, daß sich gemäß §§254 II S.2, 278 BGB der Geschädigte auch das M. Dritter zurechnen lassen muß.

Da § 254 II S.2 BGB wie ein selbständiger dritter Absatz zu lesen ist, gilt § 278 BGB sowohl für die Entstehung als auch die Entwicklung des Schadens.

Nach h.M. handelt es sich bei § 254 II S.2 BGB um eine Rechtsgrund- und nicht um eine Rechtsfolgenverweisung, so daß keine bedingungslose Zurechnung erfolgt, sondern eine Sonderverbindung i.S.d. § 278 BGB zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger vorliegen muß. Fehlt eine solche Sonderverbindung, ist § 831 BGB mit der dortigen Exculpa-tionsmöglichkeit für Verrichtungsgehilfen entsprechend anzuwenden. Andere Auffassungen differenzieren. Auf das Erfordernis einer Sonderverbindung soll z.B. nur dann verzichtet werden können, wenn es sich um das Einstehenmüssen für einen rechtsgeschäftlichen Erfüllungsgehilfen handelt. Dies ist auch nicht unbillig, da der Geschädigte sich diesen ja selbst ausgesucht hat. Bei einem gesetzlichen Vertreter handelt es sich dann aber immer nur um eine Rechtsgrundverweisung und es bleibt bei dem Erfordernis der Sonderverbindung.

Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist (§ 254 Abs. 1 BGB). Dies gilt auch für den Fall, dass der Geschädigte seiner Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen ist (§ 254 Abs. 2 BGB); s. dazu auch Schadenersatz. M. mindert Schadenersatzpflicht auch bei Gefährdungshaftung. Vgl. dazu auch Gefälligkeitsfahrt, Einwilligung. Strafrechtlich mindert M. i.d.R. die Höhe der Strafe des Angeklagten.

Schadensersatz.

(§ 254 BGB) ist das Außerachtlassen der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt, durch den Beschädigten. M. ist also nicht ein Verschulden im Sinne einer vorwerfbaren rechtswidrigen Pflichtverletzung, sondern nur der vorwerfbare Verstoß gegen ein Gebot im eigenen Interesse (z. B. im Versicherungsrecht Motorradfahren ohne Sturzhelm, Mitnahme einer 20 000 Euro teuren Uhr zum Skilaufen, Hocken oder Knien neben einem Fahrrad auf einer Fahrbahn in der Dunkelheit, nicht dagegen Übermitteln eines Schecks in einem einfachen Brief). Hat bei der Entstehung eines Schadens ein M. des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist (§ 254 I BGB). Gleichgestellt werden dem die Fälle, dass der Beschädigte den Schuldner nicht auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, aufmerksam gemacht oder dass er den Schaden weder abgewandt noch gemindert hat oder dass er sich bewusst selbst gefährdet hat (Handeln auf eigene Gefahr) oder dass er sich eine Betriebsgefahr zurechnen lassen muss. § 254 BGB ist auch im Rahmen eines Beseitigungsanspruchs anwendbar. Lit.: Lange, H., Schadensersatz, 3. A. 2003; Gäben, J., Das Mitverschulden des Patienten, 1998; Looschelders, D. , Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten, 1999

Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt, so hängt der Umfang der Verpflichtung zum Schadensersatz von den Umständen, insbes. davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht (und verschuldet) worden ist (§ 254 BGB). Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte seine Obliegenheit verletzt hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern oder den Schädiger auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen (Schadensminderungspflicht). Die Mithaftung setzt Verschulden (s. dort über dessen Voraussetzungen) voraus; der Gedanke der Minderung der Ersatzpflicht durch M. gilt aber ganz allgemein, insbes. bei der Gefährdungshaftung (Betriebsgefahr) und bei der bloßen Mitverursachung (Schadensersatz, 1 a). Den Geschädigten trifft also z. B. die Verpflichtung, die beschädigte Sache bestmöglich zu verkaufen, bei Verletzungen sich in ärztliche Behandlung zu begeben, seine eigene Arbeitskraft zur Schadensminderung einzusetzen usw. Ein M. eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen M. gleich (z. B. die Mutter lässt ihr überfahrenes Kind nicht behandeln); allerdings kann § 278 BGB auf § 254 BGB nur im Rahmen einer bereits - z. B. durch eine unerlaubte Handlung - entstandenen Verbindlichkeit angewandt werden, so dass für ein M. bei der Entstehung des Schadens selbst (z. B. die Mutter hat das Kind nicht genügend beaufsichtigt) nur nach den allgemeinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen (Verrichtungsgehilfe) einzustehen ist (h. M.; sehr str.).

Die Haftung wegen M. kann vertraglich abbedungen werden. Bei einer Gefälligkeitsfahrt (Mitnahme im Auto), Teilnahme am Sport usw. wurde früher vielfach eine Einwilligung des Verletzten in mögliche, durch den anderen Teil fahrlässig verursachte Körperbeschädigungen angenommen. Da die Einwilligung jedoch grundsätzlich Geschäftsfähigkeit voraussetzt, betont die Rspr. nunmehr den Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr, d. h. des Sichbegebens in eine möglicherweise eintretende Gefahr, das bei Jugendlichen lediglich eine dem Alter entsprechende Einsichtsfähigkeit voraussetzt. Das Verschulden des Schädigers und das Handeln des sich der möglichen Gefahr bewusst Aussetzenden werden dann nach den Grundsätzen des M. gegeneinander abgewogen.




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