Präjudizien

sind gerichtliche Entscheidungen, die für künftige Verfahren in gleichgelagerten Fällen bindende Wirkung entfalten. Den zugrunde liegenden Sachverhalt bezeichnet man als Präzedenzfall. Im common law des angelsächsichen Rechts darf ein Gericht von dem früheren Urteil eines höheren Gerichts nicht abweichen. Im deutschen Recht besteht eine solche Bindung der unteren Gerichte grundsätzlich nicht. In der Praxis orientieren sich die Gerichte jedoch schon deshalb an der höchstrichterlichen Rechtsprechung, um eine Aufhebung oder Abänderung ihrer Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz zu vermeiden. Zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zwischen den Obergerichten (z.B. OLG), zwischen den Senaten eines obersten Gerichtshofes (z.B. des BGH) u. zwischen den obersten Gerichtshöfen (z.B. BGH u. Bundesverwaltungsgericht) gelten besondere Vorschriften (z.B. § 546 I Nr. II ZPO, §§ 136 GVG, §§ 1 ff. RsprEinhG).

sind voraufgegangene gerichtliche Entscheidungen - insbes. Urteile - in derselben Rechtsfrage. Sie können in einem späteren Verfahren als Vorbild dienen oder kraft Gesetzes oder Gewohnheitsrechts bindend sein. Im angelsächsischen Rechtskreis besteht im Bereich des case-law (Fallrecht; common law) eine rechtliche Bindung an frühere Entscheidungen eines höheren Gerichts in derselben Rechtsfrage. Das deutsche Recht kennt eine Bindung des Richters an P. grundsätzlich nicht. Gleichwohl werden die Entscheidungen insbes. des BVerfG (soweit sie nicht ohnehin Gesetzeskraft haben oder sonst in der Auslegung des Bundesrechts Bindungswirkung entfalten, Art. 31 GG) sowie die Erkenntnisse der obersten Gerichtshöfe und der Gerichte der Mittelinstanz (Oberlandesgerichte, Landesverwaltungsgerichte usw.) i. d. R. als Leitbilder, wenn nicht als maßgebend angesehen, zumal wenn der Fall im Rechtsmittelweg an das obere Gericht gelangen kann. Eine gesetzliche Bindung der unteren Gerichte (Amts-, Landgerichte usw.) an die Rspr. der oberen Instanzen besteht grundsätzlich nicht (s. aber Mietgericht, Rechtsentscheid), wohl aber zur Wahrung der Rechtseinheit innerhalb der obersten Gerichtshöfe, deren Spruchkörper vor Abweichung von dem früheren Urteil eines anderen Senats die Entscheidung eines Großen Senats einholen müssen. Ferner muss in Strafsachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Oberlandesgericht, das von der Entscheidung eines anderen OLG oder des BGH abweichen will, diesem die Sache vorlegen (Divergenz gerichtlicher Entscheidungen); im Zivil-, Arbeits-, Verwaltungs- und Sozialgerichtsverfahren kann die Abweichung des Urteils der Berufungsinstanz von einer Entscheidung des übergeordneten obersten Gerichtshofs mit der Revision gerügt werden (§ 546 I Nr. 2 ZPO, § 72 II Nr. 2 ArbGG, § 132 II Nr. 2 VwGO, § 160 II Nr. 2 SGG). S. Divergenzrevision.

(lat.: praeiudicum - Vorentscheidung); frühere Gerichtsentscheidung in derselben Rechtsfrage. Eine rechtliche Bindung an P. höherer Gerichte besteht im angloamerikanischen Recht, im deutschen Recht grds. nicht (Ausn.: Rechtsentscheid (Mietgericht), Rechtseinheit), doch besteht hier meist eine praktische Bindung.

(lat.), Gerichtsentscheidung, die für Musterfall, der für spätere ähnliche Fälle richtungweisend ist. Fallrecht.

([N.] Vorentscheidung, vorausgegangene Entscheidung) ist das frühere Urteil (in derselben Rechtsfrage, das auf eine spätere Entscheidung Einfluss haben kann). Das P. ist im angloamerikani- schen Recht grundsätzlich rechtlich bindend. Will ein Obergericht von einer vorliegenden Entscheidung (derselben Rechtsfrage) abweichen, muss es die Abweichung mit einer Verschiedenheit des alten Falles im Verhältnis zum neuen Fall, mit einer Änderung der gesellschaftlichen Gegebenheiten oder mit der Aufhebung eines früheren Fehlers begründen. In Deutschland wirken obergerichtliche Vorentscheidungen meist nur tatsächlich bindend. Außerdem bestehen Regelungen zur Sicherung der Rechtseinheit innerhalb eines Obergerichts oder einer Gerichtsbarkeit (z.B. §§ 121, 136 GVG). Lit.: Pilny, K., Präjudizienrecht, 1993; Seifert, R., Argumentation und Präjudiz, 1996; Lundmark, T., Umgang mit dem Präjudizienrecht, JuS 2000, 546




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