Recht und Sittlichkeit

Recht ist nicht identisch mit Sittlichkeit. Sittliches (ethisches) Handeln zielt darauf ab, das Gute zu tun u. das Böse zu unterlassen. Das Recht hingegen ist in seinen Anforderungen bescheidener; es will nicht das Gute verwirklichen, sondern beschränkt sich darauf, das friedliche Zusammenleben der Menschen zu sichern. Andererseits verträgt es sich mit der friedenstiftenden Funktion des Rechts nicht, Gebote oder Verbote zu erlassen, die der Sittlichkeit widersprechen; das Recht muss ein "ethisches Minimum" enthalten. Das bedeutet, dass sich die Rechtsordnung nicht über evidente sittliche Normen wie z. B. das Tötungsverbot hinwegsetzen darf. Sittlichkeit beruht auf dem freien Willen des einzelnen, sie kann nicht erzwungen werden. Das Recht indessen vermag seine Geltung auch gegen Widerstrebende mit staatlichem Zwang durchzusetzen. Während sich die Sittlichkeit in äusserer Verhaltenskonformität nicht erschöpft, sondern gerade auf die Beweggründe menschlichen Handelns abhebt, sind dem Recht die Motive des einzelnen grundsätzlich gleichgültig; entscheidend ist, ob er die Rechtsnormen durch sein Tun un Unterlassen tatsächlich befolgt. Sittlichkeit ist "Gesetz für die Maximen der Handlungen", Recht ist "Gesetz für die Handlungen" (Kant). Was der Mensch im Innersten denkt u. fühlt, ob er liebt oder hasst, ist für die Sittlichkeit in hohem Masse bedeutsam, für das Recht nur dann, wenn es verhaltensrelevant wird. Umgekehrt gibt es im Recht eine Vielzahl von Normen, die die Sittlichkeit nicht berühren. Ob z. B. im Strassenverkehr rechts oder links gefahren wird, ist zwar eine für das Zusammenleben der Menschen höchst wichtige Frage; sie ist jedoch durch die Rechtsordnung wertneutral, allein unter Zweckmässigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden.




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