Vertrauensschutz

Im Rechtsstaat ist es nicht zulässig, dass der Staat dem Bürger dessen wohlerworbene Rechtspositionen jederzeit wieder entziehen kann; vielmehr muss sich der Staatsbürger darauf verlassen können, dass ihm im Rahmen der Gesetze diese Rechtspositionen erhalten bleiben. Dieser Grundsatz des V.es ist in dieser Form in erster Linie eine Maxime für Gesetzgebung und Verwaltung, dem Staatsbürger beständige, nicht jederzeit widerrufliche Positionen zu verschaffen; demzufolge wird auch die Zulässigkeit freier Widerrufsvorbehalte bei Erlaubnissen (Verstattung) von der Rechtsprechung zunehmend abgebaut. Konkrete Bedeutung hat der Grundsatz des V.es insbes. bei rechtswidrigen Verwaltungsakten, die in Unanfechtbarkeit erwachsen sind; wenn den Adressaten des Verwaltungsaktes kein grobes Verschulden an der Rechtswidrigkeit trifft (Beispiele: Baugenehmigung, die gegen eine dem Bauwerber unbekannte Vorschrift verstösst; Rente, deren Höhe trotz richtiger Angaben des Antragstellers falsch berechnet wird), verlangt der V., dass die dadurch erlangte Position nicht ohne weiteres rückwirkend wieder entzogen wird (z. B. keine Rückzahlung der zuviel bezahlten Rente); i. d. R. ist aber Berichtigung für die Zukunft (z.B. Neuberechnung der Rente ab Erkenntnis des Fehlers) zulässig, es sei denn, der Bürger hat im Vertrauen auf die Richtigkeit des Verwaltungsaktes besondere Vermögensdispositionen getroffen (z. B. langfristiger Vertrag des Kiesgrubenbesitzers im Vertrauen auf die wasserrechtliche Erlaubnis) ; dann muss i. d. R. der Verwaltungsakt trotz seiner Rechtswidrigkeit bestehen bleiben, oder es ist Entschädigung wie beim enteignungsgleichen Eingriff zu zahlen (z. B. Abriss des Hauses, nachdem Behörde erkannt hat, dass es eine Trinkwasserquelie gefährdet und daher nicht hätte genehmigt werden dürfen).

Rückwirkungsverbote Rechtssicherheit

. Dem V. kommt sowohl im Verhältnis des einzelnen zum Staat als auch im Verhältnis der Privatpersonen untereinander grosse Bedeutung zu. Im Verwaltungsrecht spielt der V. bei der Rücknahme rechtswidriger u. dem Widerruf rechtmässiger begünstigender Verwaltungsakte eine wichtige Rolle. Auch das Privatrecht trägt vielfach dem Vertrauen des Gutgläubigen auf den Rechtsschein Rechnung (guter Glaube; gutgläubiger Erwerb). auch Rückwirkung.

ist die rechtliche Berücksichtigung eines entgegengebrachten Vertrauens. Diese erfolgt in verschiedener Art und Weise. Im Privatrecht werden vielfach Tatbestände des Rechtsscheins zugunsten Gutgläubiger wie tatsächliche Tatbestände behandelt. Im Verwaltungsrecht können Verwaltungsakte nur in begrenztem Umfang zu Lasten Vertrauender aufgehoben werden. Lit.: Blanke, H., Vertrauensschutz und europäisches Verwaltungsrecht, 1999; Blanke, H., Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000; Schwarz, K., Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, 2002; Altmeyer, S., Vertrauensschutz im Recht der europäischen Union, 2003

, Sozialrecht: Allgemeine rechtsstaatliche Regelungsschranke für gesetzgeberische Maßnahmen, u. a. bei Eingriff in das Eigentumsgrundrecht der Versicherten nach Art. 14 Abs. 1 GG. Weitere vergleichbare Regelungsschranken sind z. B. der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der Gleichheitssatz, Art.3 GG. Vertrauensschutz ist Teil des Rechtsstaatsprinzips nach dem Grundgesetz. Dadurch ist der Gesetzgeber u. a. gehalten, nicht abrupte und übergangslose Änderungen durchzuführen. Insb. bei Gesetzesänderungen sind Überleitungsvorschriften, Regelungen zum Bestandsschutz für bisher anerkannte Fälle und ggf. abgestufte Vorschriften über das Inkrafttreten vorzusehen, damit sich die betroffenen Personen auf entsprechende Rechtsänderungen einrichten können. Darüber hinaus wird der rechtsstaatliche Vertrauensschutzgrundsatz bei Einwirkung auf das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art.2 GG, relevant. So ist etwa in den Fällen rückwirkender Änderungen von Gesetzesvorschriften abzuklären, ob mit einer Neuregelung zu rechnen bzw. die bisherige Rechtslage unklar war oder bisherige Vorschriften sich wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht als nichtig erwiesen haben. Im Sozialrecht und insb. im Sozialversicherungsrecht gilt dabei, dass die Betroffenen im besonderen Maße auf den Fortbestand der Rechtslage vertrauen durften. Nach der Rspr. des BVerfG findet dieser Vertrauensschutz dort seine Grenzen, wo grundlegende gesellschaftspolitische oder soziale Veränderungen oder gar Verwerfungen auftreten und deshalb die Rücksichtnahme des Gesetzgebers auf bestimmte bisherige gesetzliche Regelungen billigerweise nicht (mehr) erwartet bzw. beansprucht werden kann. Dies erfordert allerdings erkennbar eine Abwägung in jedem Einzelfall.
Verwaltungsrecht: Rücknahme eines Verwaltungsaktes.

im rechtsgeschäftlichen Verkehr Gutglaubensschutz, Treu und Glauben, Vollmacht, Grundbuch; für das Straßenverkehrsrecht Vertrauensgrundsatz. Über V. im Steuerrecht Steuerbescheid.




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