Intervention

unzulässige Einmischung eines Staates in die inneren Angelegenheiten eines anderen.

Dazwischentreten, Eingreifen, Hauptintervention, Nebenintervention Lit.: Trautner, T., Die Einmischung, 1999; Ziegert, K., Die Interventionswirkung, 2003

(lat. intervenire; dazwischentreten, sich einschalten): Intervention bedeutet gezielte, zweckgeleitete Einflussnahme durch Recht. Mit dem Begriff des sog. Interventionsstaates wird im Wirtschaftsund Verwaltungsrecht eine spezifische Form der staatlichen Einflussnahme auf Wirtschaftsprozesse zugunsten der „Wohlfahrt” des Gemeinwesens beschrieben, die sich in Deutschland seit der zweiten Hälfte des 19. Jh. etabliert hat.
In den 1870er-Jahren wandelte sich Deutschland von einer Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft. Ab 1880 lagen die Wachstumsraten der deutschen Schwerindustrie vor denen Frankreichs und Englands. Es vollzogen sich soziale Umschichtungen größeren Ausmaßes. Die Arbeiterbewegung formierte sich zu einer starken politischen Kraft. Als neue Schicht organisierten sich die Angestellten. Mit der Reichsgründung von 1871 setzte eine intensive Gesetzgebungsarbeit ein. Sie beruhte nicht nur auf der Notwendigkeit
der Rechtsvereinheitlichung, sondern folgte auch dem Druck der Industrialisierung. Es galt, der technischen Neuerungen, der neuen Energieträger und Transportmittel (Eisenbahnen) sowie der Bevölkerungsexpansion und der drängenden sozialen Frage durch rechtliche Regulierung Herr zu werden. Daher eröffneten sich insbesondere im Bereich des Städtebaus, der Gesundheitsvorsorge und der überörtlichen Vernetzung der Energieversorgung neue Bereiche des öffentlichen Rechts.
Mit der „Großen Depression” von 1873 wurden die Grundfesten des ökonomischen Liberalismus erschüttert. Es begann die deutsche Schutzzollpolitik, um der gefährdeten Schwerindustrie und der Landwirtschaft zu helfen. Neben die Bekämpfung der Arbeiterbewegung durch das Sozialistengesetz von 1878 traten die Bismarcklchen Sozialgesetze (Krankenversicherung 1883, Unfallversicherung 1884, Alters- und Invaliditätsversicherung 1889), die den Übergang zu einer neuen Qualität des Staates besonders deutlich markieren. Hinzu trat eine verstärkte inhaltliche Steuerung der Wirtschaftsabläufe durch Einschränkung der privatautonomen Handlungsfreiheit (bspw. Wuchergesetz von 1880, Abzahlungsgesetz von 1894,
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von 1909).
Damit verwischte sich zunehmend die Grenzziehung zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht. Das Verwaltungsrecht etablierte sich als eigener Teil der universitären Juraausbildung (Preußen ab 1881).
Im Ersten Weltkrieg wurden Industrie, Arbeiterschaft und Wissenschaft in gesteigerter Intensität mittels staatlicher Interventionsgesetzgebung zur Kooperation gezwungen, was teilw. als Kriegssozialismus bezeichnet wird. Dies zeigte sich vor allem in den Bereichen der Rüstungsindustrie, in der Rohstoff- und Energiewirtschaft, im Ernährungswesen und in der Sozialpolitik. Es kamen neben Enteignungen und Beschlagnahmen neue Instrumente der Intervention hinzu, u. a. etwa Ablieferungspflichten und diktierte Verträge. Die „Kehrseite” des Interventionsstaates zeigte sich anhand des gleichzeitigen Wachstums des Nebenstrafrechts, des Polizeistraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts.

Als öffentliche I. bezeichnet man in den gemeinsamen Marktorganisationen der EU (Marktorganisationen, gemeinsame) den An- und Verkauf landwirtschaftlicher Produkte (z. B. Getreide, Reis, Zucker, Butter) durch staatliche Interventionsstellen der Mitgliedstaaten zur Sicherung des Marktpreises nach Art. 10 ff. der VO (EG) 1234/ 2007. Fällt dieser unter ein festgelegtes Niveau, so können Landwirte ihre Erzeugnisse zum Interventionspreis abgeben. Die Interventionsstellen veräußern die Erzeugnisse oder führen sie aus. Die I. garantiert Landwirten die Abnahme ihrer Erzeugnisse zu einem Mindestpreis und stabilisiert damit das Preisniveau im europäischen Agrarmarkt. S. a. administrierte Preise.




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