Kunstfreiheit
Recht, sich künstlerisch frei zu betätigen und seine Kunstwerke der Öffentlichkeit vorzustellen; ist als Grundrecht in Art. 5 Abs. 3 CG gewährleistet.
ist - wie die Wissenschaftsfreiheit - als Grundrecht vorbehaltlos verbürgt (Art. 5 III1). Während die Wissenschaftsfreiheit in einer altliberalen Verfassungstradition wurzelt, wurde die Freiheit der Kunst erstmals von der Weimarer Reichsverfassung garantiert mit dem Zusatz, dass der Staat ihr Schutz gewährt und an ihrer Pflege teilnimmt (Art. 142 WRV). Diese relative Traditionsschwäche erschwert die Auslegung des vom GG lapidar und ohne Gesetzesvorbehalt statuierten Freiheitsgrundrechts. Unmittelbarer historischer Hintergrund im Bewusstsein der Verfassungsschöpfer war die totalitäre Kunstpolitik des Dritten Reiches mit ihren rechtsstaatswidrigen Ausschreitungen gegen unerwünschte Künstler und gegen die als "entartet" diskriminierten Produkte der Kunst.
Demgegenüber bestimmt das Grundgesetz: Kunst ist frei. Diese Verfassungsnorm enthält eine objektive Wertentscheidung für das Verhältnis des Staates zur Kunst und zugleich eine subjektive Freiheitsgarantie für alle im Kunstbereich tätigen Personen, die dergestalt vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt geschützt werden. Das individuelle Abwehrrecht gegen den Staat im Interesse freier künstlerischer Entfaltung wird gestützt durch den objektiven Gehalt der Verfassungsnorm, die dem modernen Kulturstaat aufgibt, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern.
Gegenstand der Kunstfreiheit ist nicht nur das künstlerische Schaffen, sondern auch die öffentliche Darbietung der Kunst. Werkbereich und Wirkbereich werden gleichermassen von der Verfassung geschützt; Kunstfreiheit erschöpft sich also nicht in Künstlerfreiheit. Ausser denen, die Kunstwerke hervorbringen (Maler, Bildhauer, Schriftsteller, Komponisten usw.), können sich auch die mit der Vermittlung und Verbreitung von Kunst befassten Personen (Galeristen, Verleger usw.) auf das Grundrecht der Kunstfreiheit berufen.
Die Bestimmung des verfassungsrechtlichen Kunstbegriffs hat von den Wesensmerkmalen auszugehen, die diesem Lebensbereich eigentümlich sind. Künstlerisches Schaffen ist primär nicht Mitteilung, sondern geformter Ausdruck einer schöpferischen Idee, wobei ästhetischer Sinn, Phantasie und Intuition Zusammenwirken. Es ist ein rational nicht restlos auflösbares Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, Form geworden in eigenschöpferischer Gestalt. Eindrücke, Erfahrungen, Gedanken und Empfindungen des Schaffenden verdichten sich im künstlerischen Werk.
Die Kunstfreiheitsgarantie als subjektives Abwehrrecht soll die Eigengesetzlichkeit künstlerischen Schaffens gegen jede Einwirkung der öffentlichen Gewalt abschirmen. Dabei gilt der Schutzbereich des Grundrechts nicht nur für qualitätsvolle Kunst. Andernfalls könnte sich der Staat durch Differenzierungen zwischen ,guter\' und .schlechter" Kunst willkürliche Eingriffe erlauben, die ihm der Rechtsstaat des GG gerade versagt. Geniessen demnach alle künstlerischen Hervorbringungen unabhängig von ihrer Qualität dieselbe grundrechtliche Freiheit, so haben sie jedoch naturgemäss nicht den gleichen Anspruch auf fördernde Pflege durch die öffentliche Hand. In diesem Bereich - etwa bei der Vergabe von Kunstpreisen, Stipendien und künstlerischen Aufträgen - ist eine strikte Neutralität von Staat und Gemeinden nicht möglich, da eine wertende Auswahl getroffen werden muss. Daher kann Kunstfreiheit hier im wesentlichen nur bedeuten, dass möglichst sachgerecht zu entscheiden ist, weshalb willkürliche Bevorzugungen oder Benachteiligungen von Künstlern und Kunstrichtungen verboten sind.
Im Unterschied etwa zur Meinungsfreiheit steht die Kunstfreiheit nicht unter einem expliziten Schrankenvorbehalt. Gleichwohl ist auch dieses Grundrecht keineswegs schrankenlos garantiert. Konflikte der Kunstfreiheit insbesondere mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sind durch Güterabwägung zu lösen, wobei vor allem der Schutz der Menschenwürde zu beachten ist. Auch die freie Kunst darf sich nicht einfach über den sozialen Wert- und Achtungsanspruch anderer Menschen hinwegsetzen. Der freiheitliche Ausgleich zwischen Persönlichkeitsschutz und Kunstfreiheit
- z.B. bei Anlehnung einer künstlerischen Darstellung an die Lebens daten einer Person - muss unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls gefunden werden.
. Die K. ist durch Art. 5 III1 GG gewährleistet. Jeder, der künstlerisch tätig ist, kann sich auf dieses keinem Gesetzesvorbehalt unterliegende Grundrecht berufen. Das gilt auch für künstlerische Darbietungen in politischer Absicht. Grenzen der K. ergeben sich nur aus dem Grundgesetz selbst, insbes. aus dem durch Art. 2 I i. V. m. Art 1 I GG geschützten Persönlichkeitsrecht. Allerdings zieht die K. ihrerseits dem Persönlichkeitsrecht Schranken. Daher überschreitet nicht jede im Rahmen eines Kunstwerks geäusserte Beleidigung, sondern nur eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts den Schutzbereich der K.
(Art. 5 III GG) ist im Verfassungsrecht die Freiheit des künstlerischen Schaffens sowie die Möglichkeit, Geschaffenes in den Kommunikationsvorgang einzubringen. Eine Schranke der K. bildet das Persönlichkeitsrecht anderer. Die Abgrenzung von straffreier Kunst und strafbarer Rechtsverletzung ist im Einzelfall schwierig. Lit.: Vogel, S., Der Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichts, 2004
Freiheit, sich künstlerisch zu betätigen, Kunst darzubieten und zu verbreiten (Art. 5 Abs. 3 S. 1, 1. Fall GG).
Da die Kunst gerade darauf angelegt ist, die Grenzen zu erweitern und sich selbst neu zu definieren, ist kein allgemeiner und abschließender Kunstbegriff vorhanden. Gleichwohl macht es der Schutz der Kunstfreiheit erforderlich, die Grundanforderungen an eine künstlerische Tätigkeit festzulegen (BVerfGE 75, 369). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Staat weltanschaulich und ästhetisch neutral zu verhalten hat. Eine Niveaukontrolle durch den Staat, eine Unterscheidung zwischen „guter” und „schlechter” Kunst
ist danach unzulässig (BVerfGE 75, 369). Zur Bestimmung des Schutzbereiches der Kunstfreiheit haben sich verschiedene Formeln gebildet, die nebeneinander stehen und nicht abschließend sind.
Nach dem formalen Kunstbegriff liegt Kunst vor, wenn das Werk bestimmte Strukturmerkmale aufweist, aufgrund deren es einem bestimmten Werktyp zugeordnet werden kann (z.B. Dichtung, Malerei, Musik, Theater etc.). Kunst ist nach dem materiellen Kunstbegriff gegeben, wenn das Werk „das geformte Ergebnis einer freien schöpferischen Gestaltung ist, in dem der Künstler seine Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse zu unmittelbarer Anschauung bringt und das auf kommunikative Sinnesvermittlung nach außen gerichtet ist” (BVerfGE 30, 173 - „Mephisto”). Nach dem offenen Kunstbegriff wird der Begriff „Kunst” dadurch bestimmt, dass „es wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehaltes möglich ist, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation eine immer weiter reichende Bedeutung zu entnehmen” (BVerfGE 30, 173 - „Mephisto”). Kunst ist danach interpretationsfähig und -bedürftig und vielfältigen Interpretationen zugänglich.
Durch Art. 5 Abs. 3 S. 1, 1. Fall GG wird die Kunst umfassend geschützt. Zum einen unterfällt dem Schutzbereich der Werkbereich, also die künstlerische Betätigung als solche, die Umsetzung des künstlerischen Willens in die Realität. Zum anderen wird der Wirkbereich geschützt, d. h. die Darbietung und Verbreitung der Kunst in der Öffentlichkeit (BVerfGE 30, 173 - „Mephisto”). Geschützt werden daher auch die Verleger, die Medien sowie die Werbung für ein Kunstwerk.
Die Freiheit der Kunst wird vorbehaltlos gewährleistet. Insb. unterliegt die Kunstfreiheit nicht den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG. Ein Eingriff in die Kunstfreiheit kann nur durch die verfassungsimmanenten Schranken (Grundrechte) gerechtfertigt sein.
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