frühkonstitutionelle Verfassungen

die ersten, im frühen 19. Jh. nach französischem und amerikanischem Vorbild erlassenen Verfassungen in Süddeutschland. Verfassung ist zum einen eine Verfassungsurkunde (kodifiziertes Verfassungsgesetz), zum anderen aber auch die Beschreibung für die allgemeine politische Struktur eines Gemeinwesens.
Als älteste formelle Verfassung gilt die Virginia Bill of Rights, die am 12.6. 1776 vom Konvent der nach Unabhängigkeit strebenden englischen Kolonien verabschiedete Menschenrechtserklärung. Darin wurde die Erhaltung der natürlichen und unveräußerlichen Menschenrechte, nämlich Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung, jedem Gemeinwesen als Ziel vorgegeben und der Staat in den Dienst des Bürgers gesetzt. Die in ihr festgelegten Inhalte, Garantie der Volkssouveränität, Sicherung von Freiheitsrechten und die Durchführung von Gewaltenteilung, galten den Verfassungsbewegungen in den europäischen Ländern als Vorbild.
Unter dem Einfluss der Naturrechtslehre (Vernunftrecht) und der Französischen Revolution formierte sich im 19. Jh. auch in Deutschland eine vielseitig ausgerichtete Verfassungsbewegung des Bildungs- und Besitzbürgertums. Nach 1819 war jene Strömung herrschend, die zwischen Absolutismus und Republik einen Mittelweg wählte und sich mit den angestammten Herrschaftshäusern auf der Grundlage von Verfassungsgarantien arrangieren wollte. Ziel war ein gewisses Maß an politischer Mitbestimmung und eine Beschränkung der königlichen Machtausübung durch positive, in einer Verfassungsurkunde niedergelegte Normen.
In den süddeutschen Staaten Bayern (1818), Baden (1818) und Württemberg (1819) wurden die frühkonstitutionellen Verfassungen entsprechend Art. 13 der Wiener Schlussakte (Wiener Kongress von 1815) erlassen. Es handelte sich dabei um oktroyierte, d. h. vom Landesherrn aus eigener Machtvollkommenheit einseitig erlassene Verfassungen. Der Monarch blieb unantastbar, er war in seiner Herrschaftsausübung jedoch an die Verfassung gebunden. So wirkten die Stände bei der Steuerbewilligung und Gesetzesberatung in einem Zweikammernsystem mit. Königliche Akte unterlagen einer Gegenzeichnungspflicht durch verantwortliche Minister, die jedoch lediglich dem König verantwortlich waren.




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