Menschenrechte
Die grundlegenden (subjektiven) Rechte, die allen Menschen ohne Rücksicht auf ihre Her- kunft, Rasse, Sprache, Staatsangehörigkeit, Religion und ihr Geschlecht in allen Ländern der Welt gleichermaßen zustehen sollten, zum Beispiel das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, soweit andere dadurch nicht behindert werden, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das Recht auf gleiche Behandlung durch das Gesetz. Eine Zusammenstellung der Menschenrechte ist erstmalig in der Erklärung der Menschenrechte durch die Nationalversammlung der Französischen Revolution im Jahre 1789 enthalten. In Deutschland waren die Menschenrechte erstmalig in der Verfassung der ersten deutschen Republik (Weimarer Verfassung von 1919) enthalten. Heute gilt die Zusammenstellung der Grundrechte in den Art. 2-17 GG. Auf internationaler Ebene gibt es die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen aus dem Jahre 1948, die jedoch für die einzelnen Mitgliedsstaaten nicht verbindlich ist. Die darin geschaffene Kommission für Menschenrechte hat keine direkten Eingriffsmöglichkeiten gegenüber den Regierungen der Mitgliedsstaaten. Wirksamer ist die Europäische Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die 1950 von allen Mitgliedsstaaten des Europarates in Strasbourg mit Ausnahme Frankreichs unterzeichnet worden ist. Durch sie ist die Europäische Kommission für Menschenrechte geschaffen worden, die auch von einzelnen Bürgern der Mitgliedsstaaten angerufen werden kann, wenn diese meinen, sie seien in ihrem Heimatstaat in ihren Menschenrechten beschränkt worden. Durch sie ist auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz in Strasbourg geschaffen worden, der bei Streitigkeiten zwischen einem Mitgliedsstaat und einem seiner Bürger über dessen Menschenrechte bindende Entscheidungen fällen kann.
die angeborenen, unverzichtbaren und unantastbaren Rechte des Menschen, deren Wurzel das überpositive Naturrecht ist; sie werden seit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 in fast allen modernen Verfassungen und jetzt auch in der Menschenrechtskonvention gewährleistet, von den Staaten aber trotzdem immer wieder missachtet.
im weiteren Sinn umfassen die unverletzlichen und unveräusserlichen Urrechte als Fundamente jeder nationalen und internationalen Gemeinschaft. Auf solche Rechte bezieht sich das Grundgesetz im Kontext der Menschenwürde (Art. 1 II). Das Bekenntnis der deutschen Verfassung zu vorstaatlichen überpositiven Rechten des Individuums hat seinen positiven, die gesamte Staatsgewalt bindenden Niederschlag in den geltenden Grundrechten gefunden.
Zudem sind in Deutschland auch Grundrechte der Landesverfassungen in Kraft (Art. 142). Hinzu kommen Verbürgungen international-rechtlicher Art. Zu diesen zählen insbesondere die Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Sie gelten - nach ihrer innerstaatlichen Transformation - im Range einfacher Bundesgesetze, denen sie gegebenenfalls als speziellere Rechtsnormen vorgehen.
Von den Menschenrechten im weiteren Sinne ist ein engerer verfassungsrechtlicher Begriff zu unterscheiden, der sich aus der Einteilung garantierter Grundrechte nach ihrem persönlichen Geltungsbereich ergibt. Hier werden jene Grundrechte des GG als Menschenrechte bezeichnet, die nicht nur den Deutschen, sondern jedem bzw. allen Menschen zustehen. Beispiele sind die Menschenwürde, die allgemeine Handlungsfreiheit, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, die Freiheit der Person, der allgemeine Gleichheitssatz, die besonderen Gleichheitssätze und die justiziellen Grundrechte.
sind Grundrechte, die das Grundgesetz jedermann, gleichgültig ob Deutscher, Ausländer oder Staatenloser, gewährleistet (z.B. Art. 2 I: "jeder", Art. 3 I; "alle Menschen" oder, in Verbotsform, Art. 3 III: "niemand darf1). Die in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte u. Grundfreiheiten zugesicherten Rechte gelten innerstaatlich nur kraft einfachen Bundesgesetzes, sind also keine (verfassungsrechtlich garantierten) Grundrechte. Im Unterschied zu den M. sind Bürgerrechte Grundrechte, die nicht jedermann, sondern nur "allen Deutschen" gewährleistet werden (z.B. Art. 8, 9 oder 12 GG). Der Begriff des "Deutschen" ergibt sich aus Art. 1161 GG (Staatsangehörigkeit).
Rechte, die jeder Mensch allein kraft seines Menschseins besitzt; nach christlichem Verständnis sind die Menschenrechte Ausdruck der Würde, die allen Menschen aufgrund ihrer Gottebenbildlichkeit zukommt. Die Menschenrechte sind die wichtigsten Bausteine des Grundkonsenses einer offenen Gesellschaft. In Art.1 Abs. 2 GG bekennt sich das deutsche Volk zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt; nach Art. 25 Satz 1 GG sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts unmittelbarer und vorgehender Bestandteil des Bundesrechts; sie sollen aber im Rang unter dem Grundgesetz stehen.
Es ist das Wesensmerkmal der westlichen Moderne, dass sie sich für die Priorität der natürlichen Rechte des Individuums entschieden hat. Besonders die angelsächsische Rechts- und Staatstheorie hat seit dem 17. Jahrhundert diesen Standpunkt erarbeitet. In der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung (1767) ist es erstmals zum ausdrücklichen Prinzip einer Staatsgründung und Nationbildung erhoben worden. Die Präambel spricht vor allem anderen von den „inalienable rights” jedes Menschen — das angeborene Recht auf Leben, Freiheit und Streben nach Glück — und beruft sich auf die Schöpfungsordnung für die „selbstevidente” Wahrheit, dass alle Menschen gleich „geschaffen” wurden — „gleich” nicht in Begabung, Temperament, Charakter et cetera, sondern mit gleichen Grundrechten. ... „Natural rights” gehen dem „natural law” vor, wie auch die Menschenrechte dem Staats-Völkerrecht. Die Französische Revolution mit ihrer Erklärung der „droits de l\'homme”, der „Menschenrechte”, und die im 19. Jahrhundert folgende liberale Staatsentwicklung haben diese Tendenz unterstützt. Arthur Kaufmann fasst unter Berufung auf Radbruch die Begriffe Gerechtigkeit, richtiges Recht, Menschenrechte zu einer Einheit zusammen.
Die Idee der Menschenrechte geht zurück auf stoisches Gedankengut; in der Neuzeit wurde sie erstmals in Art.1 der Verfassung von Virginia vom 12. Juni 1776 formuliert:
„Alle Menschen sind von Natur aus gleichermaßen frei und unabhängig und besitzen gewisse angeborene Rechte, deren sie sich, wenn sie den Status einer Gesellschaft annehmen, durch keine Abmachung ihrer Nachkommenschaft berauben oder entkleiden können, und zwar den Genuss des Lebens und der Freiheit und dazu die Möglichkeit, Eigentum zu erwerben und zu besitzen und Glück und Sicherheit zu erstreben und zu erlangen.”
Die Bemühungen zum Schutz der Menschenrechte wurden nach der amerikanischen und französischen Revolution schon mit dem Wiener Kongress und in einer Reihe internationaler Abkommen fortgesetzt, insbesondere in der sog. Kongoakte von 1885 und der Generalakte der Sklavereikonferenz von 1890 in Brüssel. Im September 1926 wurde eine Sklavereikonvention unterzeichnet, die 1956 durch ein Zusatzabkommen erweitert wurde. Die internationale Menschenrechtsbewegung kommt auch in der Charta der Vereinten Nationen zum Ausdruck, zu deren Zielen und Grundsätzen es gehört, „freundschaftliche Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln, gegründet auf der Achtung des Grundsatzes der Gleichberechtigung und des Selbstbestimmungsrechtes der Völker” (Art.1 Nr. 2 der Charta), „internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen und die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für jedermann ohne Unterschied von Rasse, Geschlecht, Sprache oder Religion zu fördern und zu festigen” (Art.1 Nr. 3).
Auf dieser Grundlage verkündete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948”:
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen (Art.1). Jeder Mensch hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeine Unterscheidung, wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer Uberzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Eigentum oder sonstigen Umständen (Art.2 Abs. 1). Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person (Art.3). Alle Menschen sind vor dem Gesetze gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz (Art. 7 Satz 1). Jeder Mensch hat das Recht auf Freizügigkeit und freie Wahl seines Wohnsitzes innerhalb eines Staates (Art.13 Abs. 1). Die Familie ist die natürliche und grundlegende Einheit der Gesellschaft und hat Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat (Art. 16 Abs. 3). jeder Mensch hat allein oder in Gemeinschaft mit anderen Recht auf Eigentum (Art.17 Abs. 1). Jeder Mensch hat als Mitglied der Gesellschaft Recht auf soziale Sicherheit (Art.22 1. Halbsatz). Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz gegen Arbeitslosigkeit (Art. 23 Abs. 1).
Im Dezember 1966 wurden der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (die „modernen” Menschenrechte) und der Pakt über staatsbürgerliche und politische Rechte (die „klassischen” Menschenrechte) abgeschlossen. Die Konventionen wurden auch von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert und sind im Jahr 1976 in Kraft getreten. In ähnlicher Weise sind die Menschenrechte in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 durch die vertragschließenden Teile allen ihrer Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen zugesichert worden. Die Konvention ist durch Zusatzprotokolle und durch die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 ergänzt worden. Die Menschenrechtskonvention beruht auf einer Verpflichtung der Mitglieder durch die Satzung des Europarates zu „Schutz und Weiterentwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten”.
Geregelt sind u. a. das Recht auf Leben (Art.2), das Verbot von Folter, Sklaverei und Leibeigenschaft (Art.3, 4), das Recht auf
Freiheit und Sicherheit (Art.5), das Verbot rückwirkender Strafbarkeit (Art. 7), das Recht auf Achtung der Privatsphäre und auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 8, 9), das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art.10) und auf Versanunlungsfreiheit (Art.11). Der Genuss der festgelegten Rechte und Freiheiten muss ohne Unterschied gewährleistet werden (Art.14). Die Europäische Kommission für Menschenrechte (Art.20-37), der Europäische Gerichtshof fiir Menschenrechte (Art. 38-56) mit Sitz in Straßburg und das Ministerkomitee sind die Organe, die die Umsetzung der Rechte garantieren sollen.
Das Zusatzprotokoll vom 20. März 1952 betrifft den Eigentumsschutz: Jede natürliche oder juristische Person hat ein Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen. Die vorstehenden Bedingungen beeinträchtigen jedoch in keiner Weise das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse oder zur Sicherung der Zahlung der Steuern oder sonstigen Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlich hält.” (Art. 1)
Die von den KSZE-Staaten im November 1990 verabschiedete Charta von Paris sieht Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte als Fundament des künftigen Europa. Nach der UN-Menschenrechtskonferenz von 1993 sind Demokratie und Menschenrechte die entscheidenden Maßstäbe politischer Zukunftsorientierung. Im Vordergrund bei der Realisierung stehen die Verhütung von Diskriminierung, Verhinderung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, von Sklaverei, Leibeigenschaft und Zwangsarbeit, aber auch Linderung von Not und Abbau von innerstaatlicher Unfreiheit und Gewalt. Es wird eine neue Kultur der Menschenrechte gefordert; bei schweren und systematischen Verletzungen der Menschenrechte, insbesondere bei Völkermord, wird die Souveränität des einzelnen Staates zugunsten der Staatengemeinschaft beschränkt. Auch nach dem Ende des Ost-West-Konflikts hat die Frage nach Sinn und Notwendigkeit pazifistischer Optionen nicht an Dringlichkeit verloren. Die Anerkennung der unveräußerlichen Menschenwürde sowie der Freiheit, der Gleichheit und der Teilhaberechte aller Menschen bildet die Grundlage für ein planetarisches Ethos, das — auch mit Unterstützung der Religionen — den Kern einer Herrschaft des Rechts enthalten kann.
Das Bundesverfassungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Menschenrechte in der Entscheidung zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Tötung von Flüchtlingen an der innerdeutschen Grenze in der Entscheidung vom 24. Oktober 1996, BVerfGE 95, 96, hervorgehoben, dass die Vertrauensgrundlage für das strafrechtliche Rückwirkungsverbot fehle, wenn der andere Staat Taten im Bereich schwersten kriminellen Unrechts durch Rechtfertigungsgründe decke und so die in der Völkerrechtsgemeinschaft allgemein anerkannten Menschenrechte in schwerwiegender Weise missachte.
Die Umsetzung des Menschenrechtskonzepts hat eine revolutionierende Wirkung auf das herkömmliche Völkerrecht, und zwar durch die Einschränkung des staatlichen „domaine reserve”, die Universalität,
die Menschenrechtsverträge mit quasi-dinglichem Charakter, die hervorgehobene Stellung des Individuums und die Geltung der Menschenrechte auch bei erodierender Staatsgewalt.
W Habermas, Jürgen: Die Einbeziehung der Anderen — Studien zur politischen Theorie. Frankfurt am Main (Suhrkamp-Verlag) 1996. Seidel, Gerd: Handbuch der Grund- und Menschenrechte auf staatlicher, europäischer und universeller Ebene. Baden-Baden (Nomos-Verlags-Gesellschaft) 1996. Klein, Eckart: Stille Diplomatie oder Publizität? — Uberlegungen zum effektiven Schutz der Menschenrechte; wechselseitige Erwartungen an Wissenschaft und Menschenrechtsorganisationen; Kolloquium, Potsdam 14./15. Sept. 1995. Berlin (Berlin-Verlag-Spitz) 1996. Menke, C./Pollmann, A., Philosophie der Menschenrechte Hamburg (Junius-Verlag) 2007; Weltethos als Projekt. hg. v. Merkur, deutsche Zeitschrift fiir europäisches Denken. Stuttgart (Klett-Cotta-Verlag) 1996. Teubner, G.: Globale Bukowina. Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus. Frankfurt am Main (Löwenklan Gesellschaft) 1996. Vismann, C.: Das Recht erklären — Zur gegenwärtigen Verfassung der Menschenrechte. Baden-Baden (Nomos-Verlag) 1996. Brunkhorst, H.: Sind Menschenrechte Aporien; KJ 1996 341, Baden-Baden (Nomos Verlg).
Staatsrecht: Grundrechtsfähigkeit.
Völkerrecht: die jedem Individuum zustehenden Rechte in seiner Eigenschaft und Würde als Mensch. Menschenrechte sind von der Staatsangehörigkeit unabhängig. Es werden die klassischen politischen Menschenrechte (z.B. Recht auf freie Meinungsäußerung, Handlungsfreiheit) von den neueren sozialen Menschenrechten (z. B. Recht auf Arbeit, Recht auf bezahlten Urlaub) unterschieden. Zum Teil (insb. in der Dritten Welt) wird von einer so genannten dritten Generation von Menschenrechten, wozu etwa die Rechte auf Frieden und Entwicklung gehören, gesprochen. Unzweifelhaft steht jedem Menschen ein menschenrechtlicher Mindeststandard zu. Dieser muss von allen Staaten eingehalten werden und beinhaltet das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das Folterverbot, das Sklavereiverbot und das Verbot der Menschenversuche. Die Einhaltung der Menschenrechte, insbesondere des menschenrechtlichen Mindeststandards, wird allgemein (seit dem Urteil des IGH vom 5. 2.1970 im Barcelona-Traction-Fall) als eine „erga omnes”-Pflicht angesehen, d. h. als Pflicht, deren Nichterfüllung von jedem Völkerrechtssubjekt, unabhängig vom Bestehen eines Vertragsverhältnisses, gerügt werden kann, da die gesamte Staatengemeinschaft betroffen ist. Daher können alle Staaten, auch ohne eigene unmittelbare Rechtsverletzung, die Nichteinhaltung dieser Pflichten sanktionieren. Vereinzelt wird dabei sogar das Mittel der Gewalt gegen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen eines fremden Staates (humanitäre Intervention) als zulässig betrachtet.
Eine schwerste Verletzung der Menschenrechte kann Anlass zur so genannten kollektiven humanitären Intervention nach Maßgabe der Art. 39 ff. UN-Charta sein, wenn der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen das Vorliegen einer Weltfriedensbedrohung
annimmt. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges war das Hauptziel der 1945 gegründeten Vereinten Nationen die Sicherung des Weltfriedens. Darüber hinaus erklärten die Vereinten Nationen in ihrer Charta als international zu erreichendes Ziel die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle, ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion. Es folgten Erklärungen und völkerrechtliche Verträge, die die Normierung der Menschenrechte zum Ziel hatten. Dazu zählen insbesondere:
— die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
— der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966,
— der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 (Menschenrechtspakte) und
— die Europäische Menschenrechtskonvention von 1950.
Es existieren weitere Verträge zum Schutz bestimmter Menschenrechte oder bestimmter Personengruppen. Was den Schutz der Menschenrechte durch Verfahren angeht, werden die Menschenrechte grundsätzlich im innerstaatlichen Recht geschützt. Der innerstaatliche Rechtsschutz umfasst dabei lediglich den Individualrechtsschutz, also den Schutz natürlicher oder juristischer Personen, vor menschenrechtswidrigen Maßnahmen des Staates. Einen zwischenstaatlichen, bindenden Menschenrechtsschutz gibt es nur, wenn er vertraglich vereinbart ist, z. B. durch Unterwerfungserklärung. Dabei wird die Staatenbeschwerde von der Individualrechtsbeschwerde unterschieden. Die Staatenbeschwerde ist ein Streitverfahren der Staaten über die Auslegung oder Anwendung des entsprechenden Menschenrechtsübereinkommens. Die Individualrechtsbeschwerde wird von der verletzten Einzelperson selbst verfolgt. Voraussetzung ist die vorige Erschöpfung der innerstaatlichen Gerichtsbarkeit (local remedies rule).
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten; s. dort auch über UN-Konventionen zum Schutz der M. S. a. Grundrechte.
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