Rücktritt des Einzeltäters
In § 24 Abs. 1 StGB geregelte Hauptgruppe des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch. Der Gesetzgeber differenziert:
— Liegt ein unbeendeter Versuch vor, so genügt es gemäß § 24 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. StGB für die Strafbefreiung, dass der Täter „die weitere Ausführung der Tat freiwillig aufgibt”. „Aufgeben” ist gleichbedeutend mit „Nichtweiterhandeln”, sodass der Täter schon durch bloße Passivität Strafbefreiung erlangen kann.
— Bei einem beendeten Versuch muss der Täter gemäß § 24 Abs. 1 S.1 2. Alt. StGB freiwillig die „Vollendung verhindern”, d. h., er muss eine Kausalkette in Gang setzen, die zumindest mitursächlich für das Ausbleiben des Deliktserfolges wird. Ist dies der Fall, steht der Strafaufhebung nicht entgegen, dass der Täter noch mehr hätte tun können. Auch ein ,halbherziger Rücktritt\' reicht aus, weil das Kriterium der Ernstlichkeit aus § 24 Abs. 1 S. 2 StGB nicht ohne Analogieverstoß in § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB hineingelesen werden darf.
— Ist der Täter eines beendeten Versuchs nicht für das Ausbleiben des Erfolges kausal geworden, sondern ist dieser aus anderen Gründen ausgeblieben, sog. fehlende Verhinderungskausalität, so genügt es nach § 24 Abs. 1 S. 2 StGB, dass der Täter „sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern”. Ein „ernsthaftes Bemühen” liegt nur vor, wenn er Täter die aus seiner Sicht zur Erfolgsverhinderung ausreichenden Hilfsmaßnahmen ausschöpft. § 24 Abs. 1 S. 2 StGB ermöglicht damit den Rücktritt vom untauglichen Versuch, vom objektiv misslungenen Versuch und vom Versuch, dessen Vollendung allein aufgrund rettender Kausal-verlaufe oder durch Handlungen des Opfers oder Dritter vereitelt worden ist.
Beurteilungsgrundlage dafür, ob der Versuch unbeendet oder beendet ist, ist allein die Tätervorstellung im Zeitpunkt seines Nichtweiterhandelns: Solange er für möglich hält, dass er die Tatbestandsmerkmale ohne zeitliche Zäsur, also durch eine Fortsetzung des schon in Gang gesetzten einheitlichen Versuchsgeschehens, wenn auch mit neuen, vorher nicht bedachten Mitteln, verwirklichen kann, ist der Versuch noch unbeendet (sog. Lehre von der Gesamtbetrachtung und dem Rücktrittshorizont). Auch spielt es keine Rolle, ob der Täter im Zeitpunkt des NichtweiterHandelns bereits alle Handlungsphasen eines festen Tatplanes durchlaufen hat (so aber die früher in der Rspr. vertretene Tatplantheorie). Selbst wer bereits gefährliche Einzelakte, z.B. das Opfer knapp verfehlende Schüsse, vorgenommen hat, kann, wenn er weitere Möglichkeiten der Tatvollendung sieht, noch durch Abstandnehmen, also Passivität, zurücktreten (anders die in der Lit. immer noch vertretene Einzelakttheorie. Solange ein zeitliches und situatives Kontinuum zwischen den bereits vollzogenen Versuchshandlungen und den aus Tätersicht bestehenden Fortsetzungsmöglichkeiten besteht, ist auch eine Korrektur des Rücktrittshorizonts durch Wahrnehmung oder irrige Annahme veränderter Umstände möglich, d. h., ein zunächst beendeter Versuch kann sich, wenn der Täter erkennt, dass er mit dem bereits Verwirklichten vielleicht doch ohne weiteres zum Ziel kommen kann, in einen durch bloße Passivität rücktrittsfähigen unbeendeten Versuch „verwandeln”; auch der umgekehrte Fall der Umwandlung eines zunächst unbeendeten Versuchs in einen beendeten Versuch ist möglich.
In allen vorgenannten Fällen ist der Rücktritt aber ausgeschlossen, wenn ein fehlgeschlagener Versuch vorgelegen hat.
Vorheriger Fachbegriff: Rücktritt | Nächster Fachbegriff: Rücktritt mehrerer Tatbeteiligter