aberratio ictus
(lat. Abirrung des Stosses), liegt vor, wenn der vom Täter beabsichtigte Erfolg bei einem anderen Objekt eintritt und der Täter dies nicht wollte; z. B. A will B töten, verfehlt das Ziel und tötet ungewollt C. Anzunehmen ist dann: versuchter Mord (oder Totschlag) des B in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung des C. Keine a. i., wenn A den B töten will, ihn mit C verwechselt; in diesem Fall ist vollendeter vorsätzlicher Mord oder Totschlag anzunehmen. - dolus generalis, Irrtum.
([lat.] Abirrung des Stoßes) ist der Eintritt des Handlungserfolgs an einem anderen als dem nach dem Täterplan angegriffenen Objekt (T schießt gewollt auf A und trifft gegen seinen Willen B). Die a.i. ist eine Frage der Zurechnung eines Erfolgs im Rahmen eines Irrtums im Bereich der •Kausalität. Das Verhalten wird als (erfolglos gebliebener) Versuch der geplanten Tat (z.B. Mordversuch [an A]) und eventuell fahrlässige Verwirklichung des eingetretenen Erfolgs (z.B. fahrlässige Körperverletzung [des B]) behandelt und dementsprechend bestraft (str.). Sie ist zu unterscheiden vom error in obiecto. Lit.: Koriath, H., Einige Gedanken zur aberratio ictus, JuS 1997, 901; Grotendiek, S., Strafbarkeit des Täters, 2000
lat. für „Abirrung des Hiebes/Wurfes”. Rechtsfigur des Strafrechts zur Kennzeichnung folgender Situation: Der Täter hat das nach seinem Motiv
„richtige” Objekt oder Opfer individualisiert. Nach-dein der Angriff den Einflussbereich des Täters verlassen hat, tritt der Erfolg ungewollt aufgrund äußerer Umstände, d. h. aufgrund eines abweichenden Kausalverlaufs, an einem anderen Objekt oder Opfer ein.
Hatte der Täter die Abweichung in seinen Vorsatz mit aufgenommen so ist er trotz der aberratio ictus aus Vollendungstat strafbar. Beruht die Zielabweichung allein auf einer Verwechselung, liegt ein bloßer Identitätsirrtum vor, der — bei rechtlicher Gleichwertigkeit zwischen gewolltem und verletztem Tatopfer/-objekt den Vorsatz unberührt lässt.
Liegen aberratio ictus und Identitätsirrtum gleichzeitig vor mit der Folge, dass letztlich das ursprünglich gewollte Tatopfer/-objekt getroffen wurde, richtet sich die Behandlung nach den tätergünstigeren Regeln der aberratio ictus. Diese besagen:
Wenn — bezogen auf die Umschreibung im Straftatbestand — die Opfer/Objekte rechtlich nicht gleichwertig sind, ist die bei der „aberratio ictus” vorliegende Zielabweichung immer beachtlich und führt gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 StGB zum Wegfall der Vollendungsstrafbarkeit aus Vorsatztat. Falls ein entsprechender Fahrlässigkeitstatbestand existiert, bleibt die Strafbarkeit hieraus unberührt, §§ 16 Abs. 1 S.2, 1 StGB.
A will durch Steinwurf eine Fensterscheibe zertrümmern, er wirft vorbei und trifft den B am Kopf. — Versuchte Sachbeschädigung (§§ 303, 22 StGB) in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB).
Sind die anvisierten und getroffenen Objekte/Opfer rechtlich gleichwertig, ist die Behandlung umstritten: Für eine Meinungsgruppe, die Vertreter der sog. Gleichwertigkeitstheorie, genügt es für die Vorsatzzurechnung des eingetretenen Erfolges, dass das getroffene und das anvisierte Opfer/Objekt dieselben vorn Vorsatz des Täters umfassten Merkmale aufweisen. Danach ist die aberratio ictus bei rechtlicher Gleichwertigkeit unbeachtlich, sofern wenn kein sonstiger Fall einer wesentlichen Kausalabweichung vorliegt. Nach der herrschenden Konkretisierungstheorie führt die aberratio ictus trotz rechtlicher Gleichwertigkeit von tatsächlichem und gewolltem Ziel zum Vorsatzausschluss gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 StGB bezüglich des tatsächlich verwirklichten Erfolges. Begründung: Der Täter beherrsche beim Fehlgehen des Angriffs die Kausalfaktoren nicht mehr, die den tatbestandlichen Erfolg herbeigeführt hätten, den Tatplan aber hätten scheitern lassen. Daher seien objektiver und subjektiver Tatbestand wertungsmäßig nicht mehr kongruent; es liege eine wesentliche Kausalabweichung vor. Die Strafbarkeit aus Fahrlässigkeitstat bleibt gemäß § 16 Abs. 1 S.2 StGB unberührt. Setzte die Kausalabweichung nach dem unmittelbaren Ansetzen i. S. v. § 22 StGB ein, so liegt Versuch vor, der zur fahrlässigen Vollendungstat in Tateinheit steht.
A schießt auf B aus dein Hinterhalt. Der Schuss geht vorbei und tötet als Querschläger den C. — A ist strafbar wegen versuchten Mordes aus Heimtücke an B (§§211, 22 StGB) in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung des C (§222 StGB).
(Fehlgehen des Angriffs) ist ein Fall der Abweichung vom Kausalverlauf. Sie liegt vor, wenn der Straftäter statt des vorgesehenen Tatobjekts versehentlich ein anderes trifft, z. B. wenn er den A erschießen will und auf ihn zielt, aber den B tötet, der in die Schussbahn getreten ist. Dies ist versuchte Tötung des A in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung des B. Hat der Täter lediglich den Gegenstand der Tat mit einem anderen verwechselt, so liegt keine a. i., sondern error in obiecto vel persona, ein Fall des Irrtums, vor.
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