Vorsatz
Unter dem Begriff Vorsatz versteht man im juristischen Bereich das Wissen und Wollen, etwas Verbotenes zu tun. Ein Täter handelt also vorsätzlich, wenn er zum einen weiß, was er tut, d. h. in Kenntnis der Tatbestandsmerkmale vorgeht, und zum andern den Willen zur Verwirklichung der Tat hat. Es gibt den Vorsatz in drei verschiedenen Arten: Absicht, direkter Vorsatz und bedingter Vorsatz.
Von Absicht spricht man, wenn der Täter die Verwirklichung des betreffenden Tatbestands gezielt anstrebt, wenn z. B. ein gedungener Mörder den Tod seines Opfers herbeiführt, indem er es aus nächster Nähe mit einer Pistole erschießt.
Direkter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter weiß, dass er mit seiner Handlung einen Straftatbestand verwirklicht, und dies auch will — z.B. wenn er bei einem Einbruch den zufällig heimkehrenden Wohnungsinhaber erschießt. Bedingter Vorsatz ist gegeben, wenn der Täter es für möglich hält, dass er den betreffenden Straftatbestand, z. B. die Tötung eines Menschen, verwirklicht, und diese Folge billigend in Kauf nimmt, etwa wenn er dem Opfer aus Wut mit einer Flasche auf den Kopf schlägt.
Abgrenzung zur Fahrlässigkeit
Die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit ist in der Praxis oft schwierig, denn auch bei der bewussten Fahrlässigkeit erkennt der Täter, dass er möglicherweise den Tatbestand verwirklicht. Im Unterschied zum bedingten Vorsatz vertraut er aber pflichtwidrig darauf, dass der Erfolg nicht eintreten werde. Bei nachträglicher Betrachtung lässt sich die Abgrenzung oft anhand des Täterwillens vornehmen. Hätte der Täter auch dann gehandelt, wenn er gewusst hätte, dass der Taterfolg eintritt, liegt bedingter Vorsatz vor, andernfalls bewusste Fahrlässigkeit.
§ 15 StGB
Siehe auch Fahrlässigkeit
In vielen Fällen wird jemand zu einem Schadenersatz nur dann verurteilt, wenn er eine Handlung schuldhaft vorgenommen hat. Das ist nur bei Fahrlässigkeit und Vorsatz gegeben. Fahrlässig ist eine Handlung dann, wenn sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt ausser acht lässt. Eine vorsätzliche Handlung ist dann gegeben, wenn der Ausführende diese Handlung will und auch weiss, was er tut. Auch wenn sich der Handelnde sagt: »Es wird schon nichts passieren, wenn aber der Erfolg der Handlung eintritt, ist mir das auch egal«, liegt sogenannter bedingter Vorsatz. Warum der Handelnde das Ergebnis seiner Tat herbeiführen will, spielt für den Vorsatz keine Rolle.
Im Zivilrecht, also z.B. bei Schadenersatzansprüchen, wird der Vorsatzbegriff teilweise noch enger gefasst. Die Rechtsprechung verlangt über das Wissen und Wollen des Erfolges hinaus auch das »Bewusstsein der Rechtswidrigkeit«. Im Strafrecht kommt es auf diese Kenntnis der Verletzung von Rechten und Rechtsgütern anderer Personen nicht an.
Die schwerere Form der Schuld (des Verschuldens). Vorsatz liegt vor, wenn der Handelnde weiß, daß sein Handeln rechtswidrig ist, wenn er also weiß, daß er eine Vertragsverletzung, eine unerlaubte Handlung oder eine Straftat begeht, und er dies auch will, es zumindest aber «billigend in Kauf nimmt» (bedingter Vorsatz). Im Gegensatz zur (leichteren) Schuldform der Fahrlässigkeit muß der vorsätzlich Handelnde für die Folgen seiner Tat immer einstehen, d.h. im Zivilrecht Schadensersatz leisten oder im Strafrecht mit einer Strafe rechnen.
Vorsätzlich handelt, wer wissentlich u. willentlich handelt u. den Erfolg seines Tuns od. Unterlassens voraussieht (direkter Vorsatz dolus directus), Tätervorsatz. Stellt sich der Täter den Erfolg nur als möglich vor, nimmt ihn jedoch bewusst in Kauf (billigt ihn also), handelt er mit bedingtem Vorsatz (dolus eventualis), der zur Begehung eines vorsätzlichen Delikts genügt, dolus generalis, Absicht, Fahrlässigkeit, objektive Bedingungen der Strafbarkeit, subjektive Unrechtselemente.
Verschulden; Schuld.
ist die bewusste willentliche Ausrichtung. Im Schuldrecht ist V. das — Wissen und — Wollen des rechtswidrigen —Erfolgs im Bewusstsein der — Rechtswidrigkeit, im Strafrecht (§ 15 StGB) der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestands (Wollen [str.]) in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände (Wissen). Der V. bezieht sich stets auf menschliches — Verhalten. Er ist im Schuldrecht eine — Schuldform (§ 276 I 1 BGB, str.) und gehört im Strafrecht zum subjektiven —Tatbestand (str.). Der V. muss im Zeitpunkt der Handlung vorliegen ([lat.] dolus [M.| antecedens), kann aber bei — Mittätern in Form der nachträglichen Billigung einzelner Handlungsteile ([lat.] dolus [M.] subse- quens) nachfolgen. Der V. kann unbedingter oder bedingter V. sein. Unbedingter (direkter) V. ([lat.] dolus [M.] directus) liegt vor, wenn der Täter weiß oder als sicher voraussieht, dass sein Handeln zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (Erfolgs) führt (z. B. A zündet eine Scheune an, obwohl er weiß, dass der betrunkene B in ihr schläft. Hier will zwar A nur, dass die Scheune abbrennt, sieht aber den Tod des B als sicher voraus und muss ihn deshalb, wenn er handelt, notwendigerweise auch wollen). Bedingter (indirekter) V. ([lat.] dolus [M.] indirectus, dolus [M.] eventualis, Eventualvorsatz) ist gegeben, wenn der Täter es als möglich voraussieht und billigend in Kauf nimmt bzw. ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, dass sein Handeln zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (Erfolgs) führt (z. B. der Täter weiß nicht, ob das Kind, an dem er sexuelle Handlungen vornimmt, unter 14 Jahren ist, § 176 StGB, hält dies aber nach seiner äußeren Erscheinung ernstlich für möglich und findet sich damit ab). Grundsätzlich genügt als V. der bedingte V., es sei denn, das Gesetz setzt ein Handeln wider besseres Wissen oder ein wissentliches Handeln (oder Absicht) voraus. Beim alternativen V. weiß der Täter nicht, welchen von zwei sich gegenseitig ausschließenden Tatbeständen er verwirklicht, nimmt aber beide Möglichkeiten zumindest billigend in Kauf bzw. hält sie ernstlich für möglich (z. B. Täter findet eine fremde Brieftasche, von der er nicht weiß, ob sie der Eigentümer nur verlegt [Diebstahl, § 242 StGB] oder verloren [Unterschlagung, § 246 StGB] hat). Lit.: Schroth, U., Die Differenz von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit, JuS 1992, 1; Schlehofer, H., Vorsatz und Tatabweichung, 1996; Schroth, U., Vorsatz und Irrtum, 1998
, Strafrecht: Kenntnis oder zumindest billigende Inkaufnahme der Verwirklichung aller Umstände, die zu den geschriebenen und ungeschriebenen Merkmalen eines Straftatbestandes gehören. Grundsätzlich Voraussetzung der Strafbarkeit einer Handlung. Dagegen ist fahrlässiges Handeln nur strafbar, wenn dies gesetzlich bestimmt ist (§ 15 StGB). Entsprechendes gilt gem. § 10 OWiG für Ordnungswidrigkeiten. Nach der Lehre von der Doppelfunktion des Vorsatzes ist der Vorsatz einerseits Teil des subjektiven Tatbestandes, in dem er den Handlungsunwert der Vorsatztat verkörpert, andererseits Teil der Schuld, soweit er die sich in der bewussten Auflehnung gegen die Rechtsordnung zum Ausdruck kommende mangelhafte Gesinnung des Täters ausdrückt. Da die vorsätzliche Tatbestandsverwirklichung die Vorsatzschuld indiziert, ist diese nur fraglich, wenn der Täter
bei Begehung der Tat in der irrigen Annahme rechtfertigender Umstände handelt ( Erlaubnistatbestandsirrtum).
Gem. § 16 StGB handelt nicht vorsätzlich, wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört. Daraus folgt zunächst, dass der Vorsatz bei Begehung der Tat vorliegen muss, also entsprechend § 8 StGB bei Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung, nicht aber auch bei Eintritt des zum Tatbestand gehörenden Erfolges. Ein diesem Zeitraum vorhergehender (dolus antecedens) oder nachfolgender (dolus subsequens) Vorsatz vermag die Strafbarkeit nicht zu begründen. Weiter folgt hieraus, dass sich der Vorsatz auf die Umstände der Tat beziehen muss, soweit sie zum Tatbestand gehören, nicht aber auch auf die Tatbestandsmäßigkeit der Handlung selbst. Wegen des stets auch normativen Charakters der Tatbestandsmerkmale verlangt die h.M. jedoch nicht nur Kenntnis der sinnlich wahrnehmbaren Tatsachen, sondern auch Kenntnis ihrer Bedeutung, soweit diese für den jeweiligen Unrechtsgehalt der Strafnorm maßgebend ist, und zwar nach dem Maßstab eines rechtlichen Laien (Parallelwertung in der Laiensphäre). Nur die den Unrechtsgehalt des jeweiligen Delikts begründenden Umstände müssen Gegenstand des Vorsatzes sein, nicht dagegen die sog. objektiven Strafbarkeitsbedingungen, von denen bisweilen die Strafbarkeit einer Handlung abhängig ist (z.B. die Verursachung schwerer Folgen durch die Schlägerei gern. § 231 StGB oder die Begehung der Rauschtat bei § 323 a StGB). Da niemand die Umstände der Tat in allen Einzelheiten erkennen oder voraussehen kann, genügt es, wenn der Täter die wesentlichen für die einzelne Tat bedeutsamen Umstände erkannt hat. Der insoweit erforderliche Grad der Vorsatzkonkretisierung ist für einen Gehilfen geringer als für einen Anstifter oder den Täter. Für den Gehilfenvorsatz genügt nach neuerer Rspr. und h. L. hinsichtlich der Haupttat die Kenntnis der wesentlichen Unrechtsdimension. Soweit bei Erfolgsdelikten auch der Kausalverlauf Gegenstand des Vorsatzes sein muss, führt eine nur unwesentliche Abweichung des Kausalverlaufs von dem, den sich der Täter bei Vornahme der Tathandlung vorgestellt hat, nach h. M. nicht zum Ausschluss des Vorsatzes, wenn sich die Abweichung im Rahmen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt.
Der Vorsatzbegriff selbst ist dagegen nicht gesetzlich geregelt. Nach h. M. setzt er ein Wissens- und ein Willenselement voraus. Insoweit sind drei Vorsatzstufen zu unterscheiden, in denen das Wissens- und das Willenselement unterschiedlich ausgeprägt sind.
Absicht(dolus directus ersten Grades) setzt ein zielgerichtetes Handeln voraus, wobei es genügt, wenn der Täter die Umstände als Zwischenziel zur Erreichung des hinter der Tat stehenden Motivs verfolgt. Daneben reicht das Für-möglich-Halten der fraglichen Umstände aus.
Direkter Vorsatz (dolus directus zweiten Grades) setzt sicheres Wissen oder ein Für-sicher-halten voraus, wobei es auf das Willenselement nicht ankommt.
Bedingter Vorsatz (dolus eventualis) setzt unstreitig voraus, dass der Täter die Umstände für möglich hält. Als Willenselement verlangen h. M. und Rspr. daneben zur Abgrenzung von der bewussten Fahrlässigkeit, dass der Täter die Umstände billigend in Kauf nimmt und sich trotz des erkannten Risikos mit dem Eintritt der Umstände abfindet (Einwilligungs- oder Billigungstheorie). Wer dagegen zwar die Umstände für möglich hält, aber pflichtwidrig auf das Ausbleiben der tatbestandsmäßigen Umstände vertraut, handelt nur fahrlässig. Die in der Lit. heftig umstrittene Abgrenzung bedingten Vorsatzes von der bewussten Fahrlässigkeit wird in der Rspr. letztlich als Wertungsfrage behandelt. Dabei sind als Wertungsgesichtspunkte das Gewicht des verletzten Rechtsguts und die damit verbundene Hemmschwelle vor seiner Verletzung, die vom Täter erkannte Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Erfolges und der vom Täter verfolgte Handlungszweck zu berücksichtigen. Denn je größer das vom Täter erkannte Risiko ist und je gewichtiger die von ihm verfolgten Ziele sind, umso eher wird unter Berücksichtigung auch der Täterpersönlichkeit davon auszugehen sein, dass er selbst die besonders hohe Hemmschwelle vor der Begehung schwerer Straftaten überwunden hat. Wegen der Beweisschwierigkeiten, die vorgenannte Regeln in der Praxis mit sich bringen, verzichtet ein Teil der strafrechtlichen Lit. für den bedingten Vorsatz auf das Willenselement. Dabei besteht jedoch keine Einigkeit, nach welchen Regeln bedingter Vorsatz von bewusster Fahrlässigkeit abzugrenzen ist. Z. T. wird allein darauf abgestellt, in welchem Maße der Täter die Tatbestandserfüllung für möglich oder wahrscheinlich hält (Möglichkeitstheorie bzw. Wahrscheinlichkeitstheorie). Nach a. A. kommt es auf die objektive Qualifizierung des vom Täter erkannten Risikos an. Soweit demgegenüber an dem voluntativen Vorsatzelement festgehalten wird, wird dies z. T. schon aus der Gleichgültigkeit des Täters gegenüber den Folgen seines Handeln geschlossen (Gleichgültigkeitstheorie); z. T. wird die willentliche Vornahme der Handlung in Kenntnis der konkreten Gefahr der Tatbestandsverwirklichung für maßgebend gehalten (Gefährdungstheorie).
Als Alternativvorsatz (dolus alternativus) bezeichnet man den Fall, dass der Täter das Vorliegen oder den Eintritt alternativer, sich also gegenseitig ausschließender Umstände für möglich hält, die jeweils unterschiedliche Straftatbestände erfüllen würden. Nach h. M. liegt hier bedingter Vorsatz bezüglich beider Delikte vor, sodass, gleich ob und welcher Tatbestand objektiv erfüllt ist, wegen Versuchs des einen in Tateinheit mit Vollendung bzw. Versuchs des anderen Delikts zu bestrafen ist. Hält der Täter dagegen mehrere Umstände für möglich oder sicher, die sich nicht ausschließen und daher mehrere Tatbestände nebeneinander erfüllen (dolus cumulativus), so ist unstr. jeder der Tatbestände vorsätzlich verwirklicht.
Setzt der Tatbestand ein wissentliches Handeln voraus, so ist darunter direkter Vorsatz zu verstehen. Ein Handeln wider besseres Wissen setzt dementsprechend die sichere Überzeugung vom Gegenteil voraus. Im Übrigen ist der Sprachgebrauch des StGB nicht einheitlich. Setzt der Tatbestand Absicht, ein Handeln um zu...” o. Ä. voraus, so ist er jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn bezüglich der fraglichen Umstände lediglich bedingter Vorsatz vorliegt. Im Übrigen ist durch Auslegung des jeweiligen Tatbestandes zu ermitteln, ob Absicht im technischen Sinne erforderlich ist oder direkter Vorsatz ausreicht (Absichtsdelikt).
(Zivilrecht) Verschulden (2 a aa); (Strafrecht) Schuld.
Vorheriger Fachbegriff: vorsätzliche sittenwidrige Schädigung | Nächster Fachbegriff: Vorsatzschuld