Anscheinsstörer
besondere Form der Polizeipflicht einer Person für ihr vermeintliches Verhalten oder den vermeintlichen Zustand einer ihr zuzuordnenden Sache, obwohl objektiv keine Gefahrenlage oder Gefahrenverursachung und damit im Grunde keine Polizeipflicht bestand, die Gefahrenabwehrbehörde aber aufgrund einer pflichtgemäßen, verständigen und besonnenen Lagebeurteilung von einer Polizeipflicht ausgehen durfte. Die Anscheinsstörereigenschaft setzt wie auch die Anscheinsgefahr voraus, dass die Behörde davon ausgeht, dass alle Tatsachen für ein Einschreiten ermittelt wurden, sodass sie nicht nur wegen eines Gefahrenverdachts oder gegen einen Verdachtsstörer vorgeht.
Es sind drei Situationen zu unterscheiden:
— Es besteht lediglich eine Anscheinsgefahr, wobei die Umstände, die das Handeln der Behörde leiten, durch den Adressaten der Maßnahme tatsächlich hervorgerufen wurden (echter Anscheinsstörer). Denn eine Anscheinsgefahr kann auch nur dann vorliegen, wenn objektive Umstände bestehen, welche die Annahme zulassen, dass sie von einem potenziellen Störer verursacht wurden.
— Es besteht objektiv eine Gefahr, diese ist aber nicht durch die von der Polizei in die Pflicht genommene Person, sondern durch Dritte oder durch andere Umstände verursacht worden (unechter Anscheinsstörer für eine Gefahr).
— Es besteht lediglich eine Anscheinsgefahr, diese ist aber nicht durch die von der Polizei in die Pflicht genommene Person, sondern durch Dritte oder durch andere Umstände verursacht worden (unechter Anscheinsstörer für eine Anscheinsgefahr).
In Anlehnung an die Anscheinsgefahr kommt in all diesen Konstellationen eine Pflichtigkeit in Betracht, wenn die Polizei nach einer pflichtgemäßen, verständigen und besonnenen ex ante Lagebeurteilung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Betroffene verantwortlich für ein Verhalten oder den Zustand einer Sache ist, das die Gefahr und/oder die nach pflichtgemäßer, verständiger und besonnener ex ante Beurteilung angenommene Gefahr verursacht hat. Wie auch die Anscheinsgefahr wird die Pflichtigkeit des Anscheinsstörers mit der Effektivität der Gefahrenabwehr begründet. Auch hier würde behördliches Handeln zur Gefahrenabwehr uneffektiv, setzte man die objektive Gewissheit der Pflichtigkeit voraus.
Die Erforderlichkeit der Unterscheidung echter und unechter Anscheinsstörerschaft wird zum Teil bestritten. Der Kritik ist für die Untersuchung der Polizeipflicht des Anscheinsstörers zuzustimmen, da es für die Inanspruchnahme keinen Unterschied macht, welche der drei Konstellationen vorliegt, sofern nur die Einschätzung der Behörde pflichtgemäß, verständig und besonnen war. Auf der Primärebene bleibt allein die Effektivität der Gefahrenabwehr maßgeblich. Die Unterscheidung hat dann nur begriffslogische Bedeutung.
Dies ist aber auf der Sekundärebene wegen der Kostentragungspflicht des Betroffenen anders. In Fällen des unechten Anscheinsstörers ist es nicht gerechtfertigt, dem Inanspruchgenommenen auch noch die Kosten für eine Gefahr oder Anscheinsgefahr aufzuerlegen, die er nicht einmal verursacht hat. Seine Pflichtigkeit ist vielmehr mit der des Nichtstörers vergleichbar, da beide für die Allgemeinheit mangels Verursachungsbeitrags ein Sonderopfer tragen müssen. Die Kostenlast setzt zudem nicht nur das Bestehen einer Gefahr, sondern auch deren zurechenbare Verursachung voraus. Der unechte Anscheinsstörer hat aber durch keine Verhaltensweise die Gefahr verursacht, es bestand nur der Anschein, er habe den gefährlichen oder vermeintlich gefährlichen Zustand hervorgerufen. Auf der Kostenebene geht es auch nicht mehr um die Effektivität der Gefahrenabwehr, sodass den tatsächlichen Umständen Rechnung getragen werden kann. Insoweit ist aber die Abgrenzung von Bedeutung und gerechtfertigt.
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