Polizeipflicht

(Ordnungspflicht): Verantwortlichkeit für eine eingetretene Gefahr im Sinne des Polizeirechts. Unter ihr ist die jede Person treffende Verpflichtung zu verstehen, ihr Verhalten und den Zustand ihrer Sachen so auszurichten, dass daraus keine Störungen oder Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entstehen. Die Polizeipflicht tritt unmittelbar von Gesetzes wegen ein. Der MEPo1G unterscheidet zwei Arten der Polizeipflicht: die Verantwortlichkeit
für das Verhalten von Personen (§ 4 MEPo1G) und die
Verantwortlichkeit für den Zustand von Sachen (§ 5 MEPo1G). Modern wird der für die Gefahr Verantwortliche oder Polizeipflichtige auch als Störer bezeichnet, wobei entgegen dem Wortsinn eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den Störer noch nicht eingetreten sein muss, es genügt auch hier die Verursachung einer Gefahr. Es wird zwischen dem Verhaltensstörer und dem Zustandsstörer unterschieden.
Der Polizeipflicht unterliegen nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen. Das gilt auch für Unternehmen der öffentlichen Hand und gemischt-wirtschaftliche Unternehmen. Neben dem Unternehmen können auch die Organe juristischer Personen als Verantwortliche neben der juristischen Person in Anspruch genommen werden. Wegen ihrer körperschaftlichen Struktur ist eine Polizeipflicht auch der Handelsgesellschaften, also der OHG, KG und des nicht rechtsfähigen Vereins, anerkannt. Nach der Entscheidung des BGH zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts könnte auch insoweit eine Polizeipflicht in Betracht kommen.
Verstoßen juristische Personen des öffentlichen Rechts gegen das Polizeirecht, spricht man vom störenden Hoheitsträger. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind unstreitig materiell nicht nur an das ‚eigene\', sondern auch an fachfremdes\' Ordnungsrecht gebunden. Zwischen den einzelnen Fachbehörden besteht aber kein Über-Unterordnungsverhältnis, sie sind vielmehr wegen der gesetzlichen Aufgabenverteilung in ihrem Fachgebiet jeweils ausschließlich tätig. Nach bislang h. M. folgt daraus die Unzuständigkeit der Polizei- bzw. Ordnungsbehörde zum Erlass von Verfügungen, soweit die Gefahrverursachung im Zusam
menhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben steht (nicht jedoch fiskalischer Tätigkeit). Etwas anderes soll neuerdings nach BVerwGE 117, 1 ff. für Maßnahmen nach dem BImSchG gelten.
Um eine Polizeipflicht begründen zu können, muss dem Pflichtigen der polizeiwidrige Umstand zugerechnet werden können. Er muss die Gefahr verursacht haben. Fehlt es an einer Verursachung, kommt allenfalls eine Inanspruchnahme als Nichtstörer in Betracht (polizeilicher Notstand). Dabei ist grundsätzlich nicht zwischen dem Zustands- und Verhaltensstörer zu unterscheiden. Auch eine Zustandspflichtigkeit setzt eine Zurechnung voraus. Bereits der Gesetzeswortlaut des § 5 MEPo1G macht deutlich, dass eine Verursachung erforderlich ist, es muss nämlich eine Gefahr von einer Sache ausgehen.
Allgemein muss daher eine besondere Nähebeziehung zwischen dem Verantwortlichen und der Gefahr bestehen. Der Störer muss weiterhin zumindest mitursächlich im Sinne einer Kausalität im physikalisch-naturwissenschaftlichen Sinne sein. Sein Beitrag darf nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Gefahr entfiele. Es darf indes nicht allein auf die Kausalität im Sinne der Äquivalenz abgestellt werden. Sie ist unverzichtbares, aber kein hinreichendes Kriterium. Wie auch in anderen Rechtsgebieten muss der Verursachungsbeitrag des Betroffenen in der Kette von Ursachen rechtlich relevant sein. Die im Straf- und Zivilrecht vorgeschlagenen Kriterien versagen indes im Polizeirecht, da sich die Merkmale der individuellen Vorwerfbarkeit oder der Adäquanz auf die persönlichen Verhältnisse des Täters beziehen, dies aber Merkmale sind, die bei der Polizeipflicht keine Bedeutung spielen können, da es um die objektive Gefahrenabwehr und nicht um eine Haftung im Sinne des Straf- oder Zivilrechts geht. Vielmehr wird die Zurechnung überwiegend mittels der Theorie der unmittelbaren Verursachung vorgenommen. Eine Polizeipflicht entsteht danach, wenn der Störer bei wertender Betrachtung unter Einbeziehung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls die Gefahrengrenze überschritten hat und damit die unmittelbare — i. d. R. die zeitlich letzte — Ursache für den Eintritt der Gefahr gesetzt hat. Dabei handelt es sich vor allem um eine Wertungsfrage.
Die Lehre vom Rechtswidrigkeits- oder Pflichtwidrigkeitszusammenhang bejaht eine Polizeipflicht, wenn die Gefahr ihre Ursache in einem rechtswidrigen Verhalten findet. Das Verhalten ist dann daraufhin zu prüfen, ob es gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Problematisch ist an dieser Auffassung, dass auch die öffentliche Sicherheit beim Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt ist und in diesen Fällen der Rechtswidrigkeitszusammenhang keine weitergehenden Wertungen zulässt. Daneben wird eine Theorie der Sozialadäquanz vertreten, wonach Störer ist, wer rechtswidrig handelt oder gegen eine Sozialnorm verstößt und dadurch ein polizeirechtlich geschütztes Gut gefährdet und dies nicht von der Rechtsnorm erlaubt ist.
Fehlt es an einer unmittelbaren Verursachung, kommt immer noch eine mittelbare Veranlassung und Pflichtigkeit über die Figur des Zweckveranlassers in Betracht.
Eine Pflichtigkeit entfällt nicht, wenn objektiv keine Gefahr, sondern lediglich eine Anscheinsgefahr bestand. Zwar kann dann auch kein Verantwortlicher für eine Gefahr vorhanden sein, da lediglich der Anschein einer Gefahr begründet wurde. Indes kann eine Anscheinsgefahr nicht entstehen, ohne dass der Anschein einer Gefährdung durch einen Pflichtigen zumindest nach pflichtgemäßer und besonnener Einschätzung der Polizei verursacht worden wäre. Störer ist daher auch, wer aus der „ex ante”-Sicht eine Anscheinsgefahr hervorruft (Anscheinsstörer). Dabei kann tatsächlich eine Verursachungshandlung vorliegen, es kann aber auch so sein, dass lediglich der Anschein einer Verursachung besteht. Dann kommt in Anlehnung an die Anscheinsgefahr eine Pflichtigkeit in Betracht, wenn die Polizei nach pflichtgemäßer, verständiger und besonnener „ex ante”-Lagebeurteilung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Betroffene verantwortlich für ein Verhalten oder den Zustand einer Sache ist.
Dies gilt genauso, wenn objektiv eine Gefahr besteht, der Pflichtige aber lediglich den Anschein der Verursachung hervorgerufen hat.
In Anlehnung an den Gefahrenverdacht gibt es auch den Verdachtsstörer, wenn also nur der Verdacht besteht, der Pflichtige könne die Gefahr verursacht haben.
Kann der Zweck einer polizeilichen Maßnahme durch eine Inanspruchnahme des Zustands- oder Verhaltenspflichtigen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden, kann die Polizei die Maßnahme nach § 5 a MEPo1G selbst oder durch einen Beauftragten unmittelbar ausführen lassen. Es handelt sich dabei um die unmittelbare Ausführung.
Ausnahmsweise kann sich eine Polizeipflicht auch für einen Nichtverantwortlichen ergeben. Dies ist indes nur zulässig, wenn die besonderen Voraussetzungen des § 6 MEPo1G vorliegen. Der Pflichtige ist dann ein so genannter Nichtstörer und unterliegt dem polizeilichen Notstand. Gegenüber dem Nichtstörer ist wegen der gesetzlichen Systematik und des Wortlauts des § 5 a MEPo1G eine unmittelbare Ausführung unzulässig. Beide Maßnahmen stehen in einem Alternativverhältnis.
Persönliche Verhältnisse und die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen sind unbeachtlich.
Sind mehrere Personen verantwortlich, steht die Auswahl des Pflichtigen im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Dieses Auswahlermessen ist rechtlich gebunden und folgt dem Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr. Bei mehreren Verhaltensstörern, die gemeinsam die polizeiliche Gefahr verursacht haben, darf die Polizei jeden von ihnen oder auch beide gemeinsam in Anspruch nehmen. Geht sie lediglich gegen einen von ihnen vor, ist dies sachgemäß, wenn dieser die Gefahr am schnellsten und wirksamsten beseitigen kann. Dies muss nicht derjenige sein, der den
zeitlich letzten, gefahrerhöhenden Beitrag geleistet hat.
Treffen Zustands- und Verhaltensstörereigenschaft zusammen, wird vielfach vertreten, es sei primär der Verhaltensstörer zur Polizeipflicht heranzuziehen. Dies gilt aber dann nicht, wenn die Inanspruchnahme des Zustandsstörers die Gefahr wirksamer und schneller beseitigen kann und damit der Prämisse effektiver Gefahrenabwehr besser Genüge getan wird. Dem Gesetz kann kein Rangverhältnis der beiden Störer entnommen werden.
Ist ein Pflichtiger Doppelstörer, etwa weil er als Eigentümer und Handelnder verantwortlich ist, kann sich das Auswahlermessen dahin reduzieren, dass der Doppelstörer in Anspruch zu nehmen ist. Es bleibt aber bei dem grundsätzlichen Auswahlermessen der Behörde, da es unter Umständen effektiver sein kann, einen anderen Verantwortlichen in die Pflicht zu nehmen.
Das Auswahlermessen besteht auch bei der Auswahl zwischen mehreren -. Nichtstörern.
Zur Rechtsnachfolge in die Polizeipflicht polizeiliche Rechtsnachfolge.
Von der Polizeipflicht ist die Kostentragungspflicht auch —. Sekundärebene - zu unterscheiden. Sie ist Folge der Polizeipflicht und knüpft an die Störereigenschaft an.




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