Nürnberger Prozesse
Die von den Siegern des Weltkrieges (USA, UdSSR, Gross-Britannien, Frankreich) im Nürnberger Justizpalast vom 20. 11. 1945 in 218 Tagen inszenierte Gerichtsverhandlung zur Aburteilung einiger Nationalsozialisten und Offiziere des Dritten Reiches (sog. "Hauptkriegsverbrecherprozess"). "Ankläger": Robert H. Jackson (USA), Roman A. Rudenko (UdSSR), Sir Hartley Shawcross (Gross-Britannien), Charles Dubost (Frankreich); 4 Richter: Vorsitzender Sir Geoffrey Lawrence (Gross-Britannien), Beisitzer: Henri Donnedieu de Vabres (Frankreich), Francis A. Biddle (USA), Jola T. Nikitschenko (UdSSR). Nachdem Adolf Hitler, Heinrich Himmler, Joseph Goebbels und Robert Ley (dieser vor Eröffnung des Prozesses) sich umgebracht hatten, konnten nur noch (am 30.9. und 1.10.1946) folgende Beteiligte verurteilt bzw. freigesprochen werden: 1) Verurteilt zum Tode durch den Strang wurden: Hermann Göring; Joachim von Ribbentrop; Wilhelm Keitel, Hitlers OKW-Chef; Ernst Kaltenbrunner, Chef des Reichssicherheitshauptamtes, mitverantwortlich für sog. "Judenvernichtung"; Alfred Rosenberg, verantwortlich für die Besatzungspolitik in den Ostgebieten; Hans Frank, als Polen-Gouverneur; Wilhelm Frick, als Innenminister verantwortlich für Besatzungspolitik; Julius Streicher, als Herausgeber der Zeitung "Der Stürmer"; Fritz Sauckel, als Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz; Alfred Jodl, Chef des Wehrmachtsführungsstabes, wirkte mit an Hitlers Planungen; Arthur Seyss-Inquart, als Reichskommissar verantwortlich für die unglückliche Besatzung in den Niederlanden; Martin Bormann (wurde gleich komplett in Abwesenheit "verurteilt"). Der Parteisekretär trug die Mitverantwortung an allen Massnahmen Hitlers seit 1941. - Die Tötung der "Verurteilten" erfolgte am frühen Morgen des 16.10.1946; Göring hatte sich kurz vorher vergiften können. Henkermeister war Master Sergeant John C. Woods (der dann vier Jahre später beim Ausprobieren eines Elektrischen Stuhls umkam). Die Leichen wurden im Krematorium des Münchener Ostfriedhofs verbrannt, die Asche streuten die Amerikaner in die Isar.
- 2) Zu Haftstrafen wurden verurteilt: Rudolf Hess, Führer-Stellvertreter, war an Hitlers Kriegspolitik bis Mai 1941 beteiligt und danach als Friedensflieger die Vermittlung mit England suchte. Hess sass jahrzehntelang als letzter "Verurteilter" im alliierten "Kriegsverbrechergefängnis" in Berlin-Spandau; Walter Funk, lebenslänglich; der ehemalige Reichswirtschaftsminister nahm an Vorbereitungen zum Krieg teil. Am 16.5.1957 wegen Krankheit aus Spandau entlassen, am 31.5.1960 gestorben; Karl Dönitz, 10 Jahre. Der Grossadmiral und letzte Marine-Oberbefehlshaber wurde wegen seiner Mitwirkung an Angriffshandlungen und wegen angeblicher Kenntnis verbrecherischer Befehle belangt. Am 1.10.1956 entlassen; Erich Raeder, lebenslänglich. Der Grossadmiral nahm an Planung und Führung von Kriegsaktivitäten teil und leitete Befehle weiter. Wegen Krankheit am 26.9.1955 entlassen, am 6.11.1960 gestorben; Baldur von Schirach, 20 Jahre. Als Gauleiter von Wien war der ehemalige Reichsjugendführer an Hitlers Politik beteiligt. Nach Verbüssung der Strafe am 1.10.1966 entlassen; Albert Speer, 20 Jahre; als Reichsminister für Bewaffnung und Munition war er für den Arbeitseinsatz von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern mitverantwortlich. Am 1.10.1966 entlassen; Konstantin v. Neurath, 15 Jahre; unter mildernden Umständen verurteilt, weil er als Reichsprotektor in Prag Terrormassnahmen einzuschränken versuchte. Am
6. 11.1954 wegen Krankheit entlassen, am 14.8.1956 gestorben. - 3) Freigesprochen wurden: Hitlers Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht, weil ihm eine Kenntnis der Angriffspläne nicht nachgewiesen werden konnte; Hitlers Vizekanzler Franz v. Papen, weil seine Beteiligung an Angriffskriegen nicht festgestellt werden konnte; Hans Fritzsche, Min.-Dir. im Propagandaministerium und Rundfunkkommentator, weil er an Verbrechen nicht teilgenommen hatte. - II. Dazu 1947 bis 1949 von den Amerikanern allein durchgeführte 12 weitere Kriegsverbrecherprozesse: 1. Ärzteprozess, 2. Generalfeldmarschall Milch, 3. Juristenprozess, 4. Wirtschaftsund Verwaltungshauptamt der SS, 5. Flick, 6. IG- Farben-Prozess, 7. Südost-Generale (Geiselprozess), 8. Rasse- und Siedlungshauptamt der SS, 9. Einsatzgruppenprozess, 10. Krupp, 11. Wilhelmstrassen-Prozess (Auswärtiges Amt) und 12. OKW-Prozess.
sind die zwischen 1945 und 1949 in Nürnberg von einem internationalen Militärgerichtshof bzw. amerikanischen Militärgerichten gegen Anhänger des Nationalsozialismus wegen Kriegs verbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verbrechen gegen den Frieden durchgeführten Gerichtsverfahren (22 Hauptkriegsverbrecher, 177 weitere Einzelpersonen, 43 Todesurteile). Lit.: Kemper, R., Das Dritte Reich im Kreuzverhör, 1980; Kroeschell, K., Rechtsgeschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, 1992; Kästner, K., Von den Siegern zur Rechenschaft gezogen, 2001
Völkerstrafrecht.
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