Reifen
Die Räder von Kraftfahrzeugen und Anhängern sind in der Regel mit Luftreifen versehen. Deren Maße und Bauart haben den Betriebsbedingungen des Fahrzeugs zu entsprechen, besonders der Belastung und der durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit. Die Reifen müssen am ganzen Umfang und auf der gesamten Breite der Lauffläche Profilrillen oder Einschnitte aufweisen. Als Hauptprofil gelten die breiten Rillen im mittleren Bereich der Lauffläche; dafür ist eine Tiefe von wenigstens 1,6 mm vorgeschrieben. Pkw und ihre Anhänger dürfen grundsätzlich nur mit Diagonal- oder Radial-reifen ausgerüstet sein. Bei Fahrrädern mit Hilfsmotor, Klein- und Leichtkrafträdern genügt eine Hauptprofiltiefe von mindestens 1 mm.
§ 36 StVZO
Reservereifen, Spikes, Winterreifen. Der Zustand der Reifen eines Kraftfahrzeugs kann von erheblicher Bedeutung für die Verkehrssicherheit sein. Untersuchungen ergaben, daß bei 60 km/h bei abgefahrenen Reifen (1 mm Profilhöhe) ein dreißigprozentiger Haftungsverlust gegenüber intakten Profilen (8 mm Profil) auftritt. Bei 90 km/h ist der Unterschied noch gravierender: der Haftungsverlust beträgt hier bei schlechten Reifen fast zwei Drittel. Deshalb schreibt das Gesetz eine Mindestbeschaffenheit vor, die bei Verkehrskontrollen besonders überprüft wird. Zulässig sind (§ 36 StVZO) nur Reifen, bei denen die Profilrillen oder Einschnitte (original oder nachgeschnitten) am ganzen Umfang und auf der ganzen Breite der Lauffläche noch mindestens 1 mm tief sind. Stärkere Mindestprofile werden gefordert, für Winterreifen sind ohnehin ca. 3 mm notwendig, sollen sie als solche wirken (Österreich: allgemein mindestens 1,6 mm Profiltiefe seit 1. Oktober 1972). Reifen mit einem höheren Abnutzungsgrad sind unzulässig. Wer mit ihnen am Straßenverkehr teilnimmt, handelt ordnungswidrig. Das gilt auch dann, wenn die stärkere Abnutzung nur auf einem Teil der Lauffläche überschritten ist (so z. B. bei vereinzelten Auswaschungen oder auf falschen Luftdruck zurückzuführenden gleichmäßigen übermäßigen Abnutzungen nur in der Mitte oder nur an den Rändern). Auch Gewebebrüche und gerissene Drahteinlagen machen einen Reifen unzulässig. Die Benutzung runderneuerter Reifen ist erlaubt. Das Nachschneiden ist aber nur bis zu 2 mm oberhalb des Zwischenbaues zulässig.
Es ist zwar neuerdings angezweifelt worden, ob die Stärke des Reifenprofils stets in unmittelbarem Zusammenhang stehe mit der Möglichkeit, ein Kraftfahrzeug jedenfalls auf trockener Fahrbahn rechtzeitig anzuhalten; für die Frage, ob ein Reifen dem Gesetz entspreche, kommt es aber hierauf nicht an, nur für den Versicherungsschutz. Andererseits ist schnelles Fahren mit weitgehend profillosen Reifen für einen Verkehrsunfall dann nicht ursächlich, wenn auch ein verkehrsgerechtes Verhalten (Fahren mit einer dem Zustand der Reifen angepaßten Geschwindigkeit) zu dem gleichen Erfolg geführt hätte.
Wer mit abgefahrenen Reifen fährt, muß damit rechnen, daß er den Versicherungsschutz verliert. Grobfahrlässige Unkenntnis vom Zustand des Reifens genügt allerdings nicht, positive Kenntnis und dennoch Weiterbenutzung des Fahrzeugs ist nach der geänderten Rechtsprechung des BGH Voraussetzung. Wer ständig denselben Wagen fährt, wird diese Kenntnis allerdings regelmäßig auch haben.
Zum Beweis, daß die Erhöhung der Gefahr durch unstatthaft abgefahrene Reifen keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalls gehabt hat, reicht ferner die Feststellung aus, daß sich der Unfall ebenso ereignet hätte, wenn die Abnutzung der Reifen das erlaubte Maß nicht überschritten hätte, die Profilrillen der Reifen also auf der ganzen Breite der Lauffläche noch 1 mm tief gewesen wären.
Nach neueren Erkenntnissen haften abgefahrene Reifen auf trockener Straße mindestens ebenso gut wie neue Reifen, haben also auf das Eintreten des Versicherungsfalles und auf den Umfang der Leistung des Versicherers keinen Einfluß. Ist der Versicherungsnehmer auf einer regennassen Straße mit abgefahrenen Reifen gefahren, so ist der Beweis, daß die Gefahrerhöhung keinen Einfluß auf den Unfall hatte, geführt, wenn bewiesen wird, daß auch Reifen mit allenthalben noch 1 mm tiefen Rillen bei der gefahrenen Geschwindigkeit in einer Wasserlache aufgeglitten wären und so die Bodenhaftung verloren hätten (BGH).
Als Unfallursache ausscheiden kann der schlechte Zustand der Bereifung bei einem durch Platzen eines Reifens herbeigeführten Unfall, z. B. dann, wenn sich ergibt, daß der Reifen aus einem von seiner Abnutzung unabhängigen Grund geplatzt ist, nämlich etwa wegen eines äußerlich nicht erkennbaren Gewebeschadens.
Ein Reservereifen muß nicht mitgeführt werden. Geschieht dies, so besteht auch keine gesetzliche Verpflichtung, daß auch bei ihm die Mindestprofiltiefe vorhanden sein muß. Auf diese zu achten ist aber - für den Fall der Benutzung - tunlich. Im Notfall (Aus-dem-Verkehr-Ziehen durch Fahrt zur nächsten Reifenstation nach Reifenpanne) ist auch Fahren mit mangelhaftem Reservereifen erlaubt.
Halter und Fahrer müssen sich über den Reifenzustand ständig unterrichten, der Fahrer darf sich auf allgemeine Erklärungen des Halters nicht verlassen. Die Polizei kann in krassen Fällen durch bloßen Augenschein, sonst durch Profilmesser den Profilzustand feststellen. Mit abgefahrenen Reifen darf man auch nicht von der Garage zum Reifenhändler fahren, da rechtzeitiges Auswechseln möglich ist.
Ein Reifenhändler haftet für Unfallfolgen, wenn er Reifen verkauft, die für den betreffenden Fahrzeugtyp nicht zugelassen sind. Kommt es bei höherer Geschwindigkeit dadurch zu einem Unfall, daß ein für den betreffenden Wagentyp nicht zugelassener Reifen platzt, so spricht der erste Anschein dafür, daß das Platzen auf die Unvorschriftsmäßigkeit des Reifens zurückzuführen ist und sich bei ausschließlicher Benutzung zulässiger Reifen nicht ereignet hätte. Es kann aber eine Ausgleichungspflicht des Käufers, wenn dieser sachkundig ist, bestehen (OLG Hamburg). Der Gebrauchswert der Reifen wird im allgemeinen in Prozenten, auf Profilhöhe und Gummiauflage bezogen, dargestellt und auch so in den Unfallaufnahme-Formularen der Polizei wiedergegeben.
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