Tötungsdelikte
Tötung ist jede zurechenbare Verursachung des Todes eines Menschen, also jede auch nur geringfügige Lebensverkürzung. Nach den §§ 211 ff.
StGB sind folgende Fälle der Tötung eines Menschen zu unterscheiden:
— Mord nach §211, wenn der Täter hinsichtlich Tatmotiv, Tatausführung oder Tatzweck besonders verwerflich handelt.
— Totschlag nach § 212, wenn neben die vorsätzliche Tötung keine weiteren Merkmale des § 211 StGB treten.
— Tötung auf Verlangen nach § 216 StGB, wenn der Täter durch das ernsthafte und ausdrückliche Verlangen des späteren Tatopfers zur Tötung bestimmt wird.
— Fahrlässige Tötung nach § 222 StGB.
Das Verhältnis der Tötungsdelikte zueinander ist seit jeher umstritten. Nach der Rechtsprechung ist die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen notwendiges Tatbestandselement aller vorsätzlichen Tötungsdelikte. Mord und Totschlag stellen der Rechtsprechung zufolge aber im Verhältnis zueinander keine verwandten, sondern selbstständige, voneinander unabhängige Tatbestände mit unterschiedlichem Unrechtsgehalt dar (BGHSt 1, 368; 36, 231). Jedoch ist der Unrechtsgehalt des Totschlags in dem des Mordes vollständig mitenthalten. Auch § 216 StGB ist selbstständiger Tatbestand, bei dessen Vorliegen die §§ 211, 212 StGB ausgeschlossen sind.
Nach der Literatur bildet der Totschlag nach § 212 StGB den Grundtatbestand aller vorsätzlichen Tötungsdelikte. Mord ist danach nur eine Qualifikation des Totschlages. Dementsprechend ist § 216 StGB eine unselbstständige Privilegierung des § 212, bei dessen Vorliegen die §§212, 211 auf Konkurrenzebene zurücktreten.
Bedeutsam wird diese Abgrenzung immer dann, wenn mehrere an einer Tötung als Mittäter oder Teilnehmer mitwirken und sich dabei in verschiedenen Merkmalen der §§211, 216 StGB voneinander unterscheiden. Nach der Rechtsprechung kommt aufgrund des Exldusivitätsverhältnisses eine Anwendung des § 28 Abs. 2 StGB nicht in Betracht. Anwendbar ist nur § 28 Abs. 1 StGB hinsichtlich strafbarkeitsbegründender Merkmale. Nach der Literatur ist hingegen § 28 Abs. 2 bezüglich der täterbezogenen Mordmerkmale sowie hinsichtlich § 216 StGB anwendbar.
Bei Mittätern bejaht die Rechtsprechung immer das Delikt, dessen Merkmale der Täter unmittelbar aufweist. Auf den Mittäter kommt es insoweit nicht an, weil das Unrecht des Totschlages auch immer im Mord enthalten ist oder aber durch § 216 mitumfasst wird. Die Literatur nimmt in diesen Fällen entweder bei den täterbezogenen Mordmerkmalen und § 216 StGB den § 28 Abs. 2 StGB an oder stellt bei den tatbezogenen Mordmerkmalen auf das Stufenverhältnis ab.
Etwas schwieriger gestaltet sich aber eine Erfassung bei der Teilnahme, wenn die Haupttat unter der Begehung keiner oder anderer Merkmale der §§ 211, 216 StGB erfolgt.
Liegt beim Teilnehmer der Strafmilderungsgrund des § 216 StGB anders als beim Täter nicht vor, muss die
Rechtsprechung eigentlich nach § 216, 26, 27 StGB bestrafen, weil § 28 Abs. 2 nicht anwendbar ist. Auch § 28 Abs. 1 StGB wird nicht für einschlägig gehalten, da die Vorschrift nur für strafbegründende, nicht aber straferleichternde Merkmale anwendbar ist. In diesem Ausnahmefall stellt sie aber für den Beteiligten, bei dem die Voraussetzungen des privilegierenden Sondertatbestandes nicht eingreifen, auf dasjenige Delikt ab, das als Haupttat vorläge, wenn der Haupttäter nicht privilegiert wäre. Die Literatur kommt zu dem gleichen Ergebnis über § 28 Abs. 2 StGB. In den Fällen, in denen der Täter bestimmte, der Teilnehmer aber andere oder keine Mordmerkmale erfüllt, ist zu differenzieren. Nach der Rechtsprechung kommt eine Annahme eines tatbezogenen Mordmerkmals nicht in Betracht; erfüllt der Teilnehmer zusätzlich ein täterbezogenes Mordmerkmal, scheidet eine Strafbarkeit ebenfalls aus, da dieses nicht auch beim Täter vorliegt (§ 28 Abs. 1 StGB). Bei täterbezogenen Merkmalen des Haupttäters kommt nach der Rechtsprechung eine Strafbarkeit des Teilnehmers nur im Falle der Kenntnis in Betracht (§ 16 Abs. 1 StGB). Liegt beim Teilnehmer zwar nicht das täterbezogene Merkmal des Haupttäters, wohl aber ein anderes täterbezogenes Merkmal vor, so müsste in strenger Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB eine Strafbarkeit nach § 211 StGB ausscheiden. In diesem Sonderfall sog. „gekreuzter Mordmerkmale” versagt die Rechtsprechung dem Teilnehmer aber die Strafmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB.
Die Literatur kann in ihrer Systematik der Tötungsdelikte bei täterbezogenen Merkmalen immer § 28 Abs. 2 StGB annehmen. Eine Anwendung auf tatbezogene Merkmale muss aber ausscheiden.
Das Verhältnis zwischen Körperverletzungs- und Tötungsdelikten ist hinsichtlich des Vorsatzes ebenfalls nicht unumstritten. Nach der früher vertretenen Gegensatztheorie schließen sich Körperverletzungsund Tötungsvorsatz gegenseitig aus. Nach der heute herrschenden Ansicht wird angenommen, dass jede Tötung zwangsläufig eine Körperverletzung als notwendiges Durchgangsstadium durchläuft und dass deshalb auch der Tötungsvorsatz den — zumindest einfachen — Körperverletzungsvorsatz mitumfasst, sog. Einheitstheorie.
Grundsätzlich tritt die Körperverletzung auf Konkurrenzebene hinter die Tötungsdelikte zurück, da bei Tötungsdelikten eine Körperverletzung notwendiges Durchgangsstadium für die Tötung ist. Von Tateinheit ist allerdings dann auszugehen, wenn die Körperverletzung vollendet, die Tötung aber nur versucht wurde, da sonst der Unrechtsgehalt einer vollendeten Körperverletzung nicht hinreichend berücksichtigt würde.
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