Allgemeiner Gleichheitssatz
, ein Grundprinzip der rechtsstaatlichen Verfassung. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich (Art. 3 I). Das traditionelle Gleichheitsgrundrecht hat durch das GG eine wesentliche Verstärkung erfahren. Der grundgesetzliche allgemeine Gleichheitssatz gilt für alle Menschen, während sein Vorläufer in der Weimarer Reichsverfassung auf Deutsche beschränkt war. Einst bedeutete Gleichheit vor dem Gesetz nur den Wegfall historischer Standesvorrechte und staatsbürgerliche Gleichheit, insbesondere gleiche Gesetzesanwendung durch Exekutive und Gerichtsbarkeit ohne Ansehen der Person. Heute, nachdem die Grundrechte auch die Gesetzgebung als unmittelbar geltendes Recht binden (Art. 1 III), hat jeder einen Anspruch auf Gleichbehandlung nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch durch das Gesetz. Diese neuartige konstitutionelle Beschränkung der Legislative erschien zunächst nicht unproblematisch, da eine schematische Einengung des gesetzgeberischen Ermessens befürchtet wurde. Indessen hat der gesetzgebungsverbindliche grundrechtliche Gleichheitssatz schon bald eine - bei aller Einzelkritik grundsätzlich anerkannte - verfassungsgerichtliche Auslegung erfahren, die der Gestaltungsfreiheit des parlamentarischen Gesetzgebers gerecht zu werden sucht.
Nach dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber Gleiches gleich,
Ungleiches aber entsprechend seiner Eigenart verschieden zu regeln. Dabei bleibt es ihm Vorbehaltenin willkürfreier Weise selbst zu entscheiden, welche Lebenssachverhalte als gleich oder ungleich anzusehen sind. Ob der Gesetzgeber die Willkürgrenze seiner Beurteilungsfreiheit beachtet hat, unterliegt der Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts. Indessen wird ein legislativer Gleichheitsverstossnach seit langem gefestigter Rechtsprechung nur angenommen, "wenn sich ein vernünftiger sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss". Mithin schliesst der allgemeine Gleichheitssatz eine differenzierende Gesetzgebung keineswegs aus. Innerer Grund für die Differenzierungsbefugnis des Gesetzgebers ist die seinsgesetzliche Tatsache, dass vergleichbare Regelungsgegenstände in der konkreten Lebenswirklichkeit mannigfache Verschiedenheiten aufweisen können. Daher soll der Gesetzgeber entscheiden dürfen, welche tatsächlichen Elemente für die Frage .gleich" oder .ungleich" als relevant oder als unerheblich anzusehen sind. Diese gesetzgeberische Bewertung hat jedoch willkürfrei zu erfolgen, um vor dem allgemeinen Gleichheitsgebot des GG bestehen zu können. Willkürlich und daher grundrechtswidrig ist die gesetzliche Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem oder die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem nur dann, wenn für die Differenzierung ein sachlich einleuchtender Grund nicht vorliegt. Welche Kriterien eine gleichheitskonforme Verschiedenbehandlung rechtfertigen, lässt sich nicht abstrakt ein für allemal bestimmen, sondern bedarf von Fall zu Fall einer verfassungsrechtlich abwägenden Würdigung.
Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz (Art. 3 I) ist grundverschieden von jedweder real-sozialen Egalisierung, die übrigens auch zu dem freiheitlichen Sozialstaatsprinzip des GG im Widerspruch stünde. Eine radikal-egalitäre Gesetzgebung würde nicht nur die verfassungsmässigen Grenzen des allgemeinen Gleichheitssatzes überschreiten, sondern wäre auch ein Verstoss gegen die grundrechtliche Freiheit des zu eigenverantwortlicher Persönlichkeitsentfaltung berufenen Einzelnen (Art. 2 I). Die freie Entfaltung der Persönlichkeit führt nun einmal aus seinsgesetzlichen Gründen
- selbst bei Annahme gleicher Startbedingungen und sonstiger Chancengleichheit - zu ganz unterschiedlichen Endergebnissen: Zu Individualität und Pluralität nämlich, nie jedoch zur Egalität.
Im übrigen ist die völlig egalitäre Gesellschaft nach einem Wort Dahrendorfs "nicht nur ein unrealistischer, (sondern) auch ein schrecklicher Gedanke: denn in Utopia wohnt nicht die Freiheit, der stets unvollkommene Entwurf in das Unbestimmte, sondern die Perfektion entweder des Terrors oder der absoluten Langeweile."
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