Grundrechtseingriff
Nach dem klassischen oder engen Eingriffsbegriff liegt ein Eingriff vor bei staatlichen Rechtsakten (Gesetz, Urteil, Verwaltungsakt), die final (gezielt), unmittelbar und imperativ (mit Zwang durchsetzbar) auf die Beeinträchtigung eines Grundrechts bei einem bestimmten Grundrechtsträger gerichtet ist.
Nach dem neueren, weiten Eingriffsbegriff kann auch ein Realakt (schlicht hoheitliches Handeln) sowie ein Rechtsakt, der nur eine faktisch-mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigung enthält, einen Eingriff darstellen, wenn die Beeinträchtigung staatlichem Handeln zugerechnet werden kann. Eine Zurechenbarkeit wird dabei angenommen, wenn
* die Grundrechtsbeeinträchtigung ohne selbstständige Zwischenursache erfolgt (eine Polizeikugel trifft nicht den Verbrecher, sondern aus Versehen einen Unbeteiligten, Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S.1 GG);
* eine Finalität im engeren Sinne gegeben ist, also eine Grundrechtsbeeinträchtigung gerade beabsichtigt ist (Lauschangriff auf eine Wohnung, Art. 13 GG);
* eine Finalität im weiteren Sinne gegeben ist, also die Grundrechtsbeeinträchtigung eine objektiv vorhersehbare, typische Nebenfolge des staatlichen Handelns ist (Warnerklärungen eines Ministers vor schädlichen Lebensmitteln eines bestimmten Herstellers beeinträchtigen auch den Vertrieb anderer, eigentlich unschädlicher Produkte dieses Herstellers, Art. 12 GG) oder
* eine besonders intensive Beeinträchtigung vorliegt, d. h., die Folgen des staatlichen Handelns sind so schwerwiegend, dass sie einem Eingriff im klassischen Sinne gleich stehen (staatliche Förderung bestimmter Produzenten führt zu einem Verdrängungs- bzw. Auszehrungswettbewerb, sodass andere Anbieter z.B. in die Gefahr einer Insolvenz geraten).
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