Meistbegünstigungsgrundsatz

In der Rechtsprechung entwickelte und allgemein anerkannte Ausprägung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Vertrauensschutzes für das Recht der prozessualen Rechtsbehelfe, nach dem die Parteien eines gerichtlichen Verfahrens keinen Rechtsnachteil dadurch erleiden dürfen, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form verlautbart. Ihnen steht dann sowohl derjenige Rechtsbehelf zu, der nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch dasjenige Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form ergangenen Entscheidung zulässig wäre.
Gegen ein ausdrücklich als „Versäumnisurteil” erlassenes, tatsächlich aber etwa aufgrund der Unzulässigkeit der Klage ergangenes Urteil (sog. unechtes --) Versäumnisurteil) ist daher sowohl der Einspruch (als zulässiger Rechtsbehelf gegen das verlautbarte Versäumnisurteil) als auch die Berufung (als zulässiges Rechtsmittel gegen das richtigerweise zu erlassende kontradiktorische Urteil) zulässig. Wurden dagegen die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils verkannt und damit eine inhaltlich falsche Entscheidung getroffen, greift der Meistbegünstigungsgrundsatz nicht ein; statthaft ist dann nur der Einspruch. Wird eine als Urteil zu erlassende Entscheidung durch Beschluss getroffen, ist außer der Beschwerde auch die Berufung statthaft.
Das Rechtsmittelgericht ist für das weitere Verfahren nicht an das (zulässigerweise) von der Partei gewählte Rechtsmittel gebunden und braucht nicht auf dem von der Vorinstanz eingeschlagenen Weg weiterzugehen, kann also das Verfahren nach dem bei richtiger Sachbehandlung zulässigen Rechtsmittel fortführen. Der Grundsatz der Meistbegünstigung führt aber nicht zu einer dem korrekten Verfahren widersprechenden Erweiterung des Instanzenzuges. Wäre daher gegen eine in gesetzesentsprechender Form ergangene Entscheidung desselben sachlichen Gehalts kein Rechtsmittel statthaft gewesen, eröffnet auch die gewählte inkorrekte, an sich rechtsmittelfähige Form nicht die Möglichkeit der Anfechtung.
Entscheidet etwa das Berufungsgericht über die Kosten nach Rücknahme der Berufung statt durch Beschluss (§ 516 Abs. 3 S. 2 ZPO) durch Urteil, kann die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden, weil der an sich zu erlassende Beschluss unanfechtbar gewesen wäre (vgl. § 567 Abs. 1 ZPO).




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