nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch
Liegen die Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 BGB wegen einer Störung vor, muss der Eigentümer diese aber dulden, weil sie durch eine ortsübliche Benutzung verursacht wird, kann er vom Störer ein angemessenes Entgelt verlangen, falls die Beeinträchtigungwesentlich ist und nicht mit zumutbaren Mitteln beseitigt werden kann. Die Kriterien der Ortsüblichkeit und der Zumutbarkeit sind wie diejenigen in § 906 Abs. 1 S. 1 BGB zu verstehen, doch kommt es hier auf das betroffene Grundstück (und nicht das emittierende) als Maßstab an.
Neben die zivilrechtliche Verschuldens- bzw. Gefährdungshaftung tritt mit diesem Ausgleichsanspruch eine eigenständige verschuldensunabhängige Störerhaftung im Nachbarrecht als dritte Säule des zivilrechtlichen Haftungsregimes.
Schadensersatzansprüche und Ausgleichsansprüche gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB bzw. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog stehen daher materiell in Anspruchskonkurrenz, es sei denn spezialgesetzliche Vorschriften regeln den konkreten Sachverhalt abschließend. Allerdings ist der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB (analog) subsidiär gegenüber den primären Beseitigungs- bzw. Unterlassungsansprüchen aus § 1004 bzw. § 862 BGB. Ein Ausgleichsanspruch besteht nur, wenn der gestörte Eigentümer an der Geltendmachung der Abwehransprüche aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehindert ist.
Unmittelbar findet § 906 BGB nur Anwendung auf unwägbare Stoffe, wie sie in § 906 Abs. 1 S. 1 BGB beispielhaft aufgeführt sind (Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen). Für andere zu duldende Einwirkungen, wie Vertiefungen des Nachbargrundstücks, übergreifende Wurzeln oder auch Grobimmissionen (Gesteinsbrocken, Schrotblei, Wasser, Baumsturz) fehlt eine gesetzliche Regelung, sodass nach überwiegender Ansicht eine analoge Anwendung von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB geboten ist. In persönlicher Hinsicht wird der Anwendungsbereich über Grundstückseigentümer hinaus auch auf den Besitzer ausgeweitet. Über ihren Wortlaut hinaus findet die Vorschrift des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB nach h.M. auch in Fällen Anwendung, in denen der Eigentümer aus anderen Gründen als einer Duldungspflicht gemäß § 906 BGB die Störung hinnehmen muss. Dies kommt einerseits in Betracht, wenn eine unzumutbare, nicht zu duldende Beeinträchtigung vorliegt, die aus tatsächlichen Gründen hingenommen werden muss oder die ohne Verschulden nicht rechtzeitig gemäß §§ 1004, 862 BGB unterbunden werden konnte und andererseits wenn der Eigentümer aus Gründen des öffentlichen Interesses zur Duldung verpflichtet ist.
Beachte: Soweit der Anspruch für andere Immissionen, als die in § 906 aufgeführten, gewährt wird, handelt es sich um einfache Analogie, soweit ein faktischer Duldungszwang einem rechtlichen gleichgestellt wird, um eine doppelte. Macht diesen Anspruch ein berechtigter Besitzer geltend, kann der — sehr seltene — Fall einer dreifachen Analogie vorliegen.
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