nachträgliche Gesamtstrafe
In §55 StGB — ggf. i. V. m. § 460 StPO — eingeräumte Möglichkeit, bereits verhängte Einzelstrafen trotz getrennter Aburteilung zu einer Gesamtstrafe zusammenzuziehen (Tatmehrheit, Straffestsetzung), wenn die zugrunde liegenden Handlungen ihrem Begehungszeitpunkt nach hätten einheitlich abgeurteilt werden können.
Voraussetzungen:
1) Die später abgeurteilte Tat muss schon vor der früheren Verurteilung begangen worden sein.
Ist eine Straftat nach der Erstverurteilung begangen worden, so wird eine nachträgliche, alle Einzelstrafen erneut zusammenziehende Gesamtstrafe abgelehnt. Das zwischenzeitliche Urteil entfaltet Zäsurwirkung in der Weise, dass nur alle vor der Erstverurteilung begangenen Taten in die nachträgliche Gesamtstrafe einbezogen werden, für danach begangene Taten dagegen selbstständige Strafen festzusetzen sind. Der Fall mehrerer Vorverurteilungen wird
nach den gleichen Grundsätzen entschieden. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Täter, der sich die Verurteilung nicht zur Warnung dienen lässt und danach weitere Taten begeht, die Rechtswohltat der Gesamtstrafenbildung nicht verdient. Nach der Rspr. ist allenfalls ein Härteausgleich wegen der neuen Tat bei der Strafzumessung möglich (BGHSt 33, 367).
2) Die früher erkannte Strafe darf zum Zeitpunkt der Aburteilung noch nicht völlig vollstreckt, verjährt oder erlassen sein.
Die frühere Verurteilung muss rechtskräftig sein. Rechtsfolgen:
— Hatte das Gericht bereits in der Vorverurteilung eine Gesamtstrafe gebildet, ist diese aufzulösen und eine neue (einheitliche) Gesamtstrafe zu bilden.
— Bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung von Geldstrafen mit unterschiedlicher Tagessatzhöhe ist ein einheitlicher Tagessatz zugrunde zu legen.
— Für die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Wird eine Gesamtfreiheitsstrafe bis einschließlich zwei Jahren verhängt, muss über eine mögliche Strafaussetzung zur Bewährung entschieden werden. Die früheren Bewährungsentscheidungen werden gegenstandslos!
— Auch bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung besteht die Möglichkeit, gemäß §§ 55 Abs. 1 S.1, 53 Abs. 2 S. 2 StGB gesondert auf eine Geldstrafe zu erkennen.
— Gemäß § 55 Abs. 2 StGB sind bei der nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe Nebenstrafen (Strafe), Nebenfolgen und Maßnahmen, auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos geworden sind. Dabei ist der bisherige Fristablauf im Rahmen der Gesamtwürdigung dem Täter zugute zu halten.
Vorheriger Fachbegriff: Nachträgliche Anordnung | Nächster Fachbegriff: nachträgliche Unmöglichkeit