Rügeobliegenheit
im Handelsrecht (§§ 377, 378 HGB) modifiziert die Gewährleistungsvorschriften der §§ 459 ff. BGB beim beiderseitigen Handelskauf (vgl. § 343 HGB). Wenn der Käufer einen Mangel der Ware nicht unverzüglich rügt, verliert er nach § 377 I, III HGB alle Gewährleistungsansprüche. § 378 HGB erstreckt die Genehmigungsfiktion auf die aliud-Fälle, in denen eine andere als die vereinbarte Ware (Identitätsfehler) oder eine andere als die vereinbarte Menge (Quantitätsfehler) geliefert wurde, sofern die Genehmigung nicht von vorneherein als ausgeschlossen betrachtet werden mußte. Der Verkäufer verliert also nicht nur die Gewährleistungsrechte, sondern auch die Einrede aus §320 BGB. Nach §381 II HGB gelten die §§ 377, 378 HGB auch beim Werklieferungsvertrag, woraus e contrario ihre Unanwendbarkeit für den reinen Werkvertrag geschlossen wird.
Obliegenheit des Käufers bei einem beiderseitigen Handelskauf nach § 377 HGB die gelieferte Ware unverzüglich zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen.
Es muss ein beiderseitiger Handelskauf vorliegen. Beim Leasinggeschäft ist nach ständiger Rechtsprechung auf das Verhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Leasinggeber abzustellen. Nicht entscheidend ist, ob der Leasingnehmer Kaufmann ist (BGH NJW 1990, 1290).
Die verkaufte Ware muss durch den Verkäufer abgeliefert worden sein. Ablieferung bedeutet, dass der Käufer oder eine von ihm benannte Person in eine solche tatsächliche räumliche Beziehung zur Ware kommt, dass deren Beschaffenheit nachgeprüft werden kann. Eine Ablieferung liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn die Ware zur Erfüllung des Kaufvertrags vollständig in den Machtbereich des Käufers verbracht worden ist.
Die Ware muss einen Mangel i. S. d. § 434 BGB aufweisen.
Die Rügeobliegenheit entfällt, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat (§377 Abs. 5 HGB). Der Verkäufer kann auch auf die Rügeobliegenheit verzichten. Ein genereller Ausschluss in allgemeinen Geschäftsbedingungen verstößt jedoch gegen § 307 Abs. 2 Nr.1 BGB, wenn er sich auch auf offene Mängel bezieht.
Der Käufer behält seine Rechte wegen des Mangels nur, wenn er dem Verkäufer den Mangel unverzüglich anzeigt. Inhaltlich muss die Mängelanzeige so beschaffen sein, dass der Verkäufer ihr Art und Umfang der Mängel entnehmen kann. Die Mängelrüge muss den Verkäufer in die Lage versetzen, aus seiner Sicht und Kenntnis der Dinge zu erkennen, in welchen Punkten und in welchem Umfang der Käufer die gelieferte Ware als nicht vertragsgemäß beanstandet. Bei Vorliegen mehrerer Mängel muss jeder Mangel gesondert gerügt werden. Auch Mängel einer Nachbesserung müssen erneut angezeigt werden. Für die Frage der Rechtzeitigkeit der Rüge unterscheidet das Gesetz zwischen offenen und versteckten Mängeln.
Offene Mängel sind Fehler, die — wenn auch erst nach einer ordnungsgemäßen Untersuchung — erkennbar sind. Ohne Untersuchung erkennbare Mängel sind unverzüglich nach der Ablieferung zu rügen. Durch Untersuchung erkennbare Mängel sind unverzüglich nach Ablauf der Frist anzuzeigen, die für eine ordnungsgemäße Untersuchung erforderlich ist.
Versteckte Mängel sind Fehler, die auch bei ordnungsgemäßer Untersuchung nicht erkennbar sind. Sie sind unverzüglich anzuzeigen, sobald sich der Mangel zeigt (§ 377 Abs. 3 HGB).
Wird ein Mangel nicht ordnungsgemäß angezeigt, gilt die Ware gemäß § 377 Abs. 2 HGB als genehmigt. Es ist so anzusehen, als habe der Verkäufer vertragsgemäß erfiillt. Gewährleistungansprüche sind damit ausgeschlossen. Nicht ausgeschlossen sind allerdings Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB wegen einer Nebenpflichtverletzung oder deliktische Ansprüche.
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