Europäisches Privatrecht
bereits eingesetzte, aber noch nicht abgeschlossene Entwicklung eines für sämtliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union einheitlichen Privatrechts. Der heutige Gebrauch unterscheidet sich von dem Begriffsverständnis von Helmut Coing, der unter dem Titel „Europäisches Privatrecht” seine zweibändige Sammlung des vom Spätmittelalter bis zum 18. Jh. in den Ländern des europäischen Kontinents geltenden gemeinsamen Rechts (das sog. Ius Commune) und dessen Auflösung in den nationalen Kodifikationen des 19. Jh. (sog. Nationalisierung des Privatrechts) veröffentlichte (München 1985 und 1989).
Diese Ära systematisch in sich geschlossener, autark nebeneinander stehender nationaler Privatrechtsordnungen geht in Europa allmählich einem Ende entgegen. Wenn auch der Weg zu einem einheitlichen Europäischen Zivilgesetzbuch noch steinig erscheint, so lässt sich in den letzten 20 Jahren eine Europäisierung des Zivilrechts nicht leugnen: Seit Mitte der 1980er-Jahre begannen die Europäischen Gemeinschaften mit dem Erlass von Richtlinien, die in Kernbereiche der nationalen Privatrechte eingriffen. Zentral waren die Produkthaftungs-, Haustürgeschäfts-, Verbraucherkredit- und Pauschalreiserichtlinien. Zur europäischen Privatrechtsangleichung trug des Weiteren bei, dass der Europäische Gerichtshof Begriffe, Regeln und Prinzipien bildete, die für das Gemeinschaftsrecht und in zunehmenden Maße auch für die Rechte der Mitgliedstaaten maßgeblich sind. Wichtig sind auch die Gebote der richtlinienkonformen und harmonisierenden Auslegung der nationalen Normen durch die Gerichte der Mitgliedstaaten und nicht zuletzt die Erfolgsgeschichte des Internationalen Kaufrechts, das in der Rechtsprechung der nationalen Gerichte eine immer größere Rolle spielt.
In den letzten Jahren begann der deutsche Gesetzgeber, zur Umsetzung der europäischen Richtlinien keine Spezialgesetze mehr zu erlassen, sondern die erforderlichen Rechtsänderungen im Rahmen des BGB selbst vorzunehmen. Als Beispiele sind etwa das Überweisungsgesetz (Neueinfügung der §§ 676 a—h) und das Fernabsatzgesetz (Neueinfügung der §§ 12, 13, 241 a, 361 a u. b) zu nennen. Die Umsetzung u. a. der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie wurde gar zum Anlass der jüngsten und umfassendsten Schuldrechtsmodernisierung (in Kraft getreten zum 1.1. 2002) genommen.
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