Investiturstreit
ist in der Rechtsgeschichte der zwischen Kirche (vor allem Papst Gregor VII.) und Königen (vor allem Heinrich IV.) geführte Streit um die Zuständigkeit zur Übertragung geistlicher Ämter bzw. Einkleidung in geistliche Ämter (1059/1075— 1122). Lit.: Goez, W., Kirchenreform und Investiturstreit, 2000
(lat. investire, „einkleiden”): Die Investitur bezeichnete im Lehenswesen den Akt der Belehnung des Vasallen, im mittelalterlichen Kirchenrecht die Einsetzung eines Priesters in seine geistlichen Befugnisse und weltlichen Besitzrechte. Bei dem Investiturstreit ging es um die Abgrenzung kirchlicher von weltlicher Macht.
Der Machtkampf entlud sich an der Frage der Bischofseinsetzung durch den Kaiser, die seit Otto dem Großen (936-973) selbstverständlich war. Dieser hatte Reichsbischöfe als Lehnsmannen eingesetzt, um ein Gegengewicht gegen die wachsende Macht der Landesfürsten zu erhalten. Seit ca. 950 ging vom französischen Kloster Cluny die Cluniazensische Kirchenreform aus. Ziel war die Reform der Kirche hin zu mönchischen Idealen und die Befreiung der Kirche von weltlicher Einflussnahme (libertas ecclesiae), wie sie in der Einsetzung der Bischöfe durch den König (die Investitur) erblickt wurde.
Im Jahr 1075 untersagte Papst Gregor VII. dem Kaiser Heinrich IV (1056-1106) das Investiturrecht auf den Mailänder Erzstuhl. Als Heinrich seinen Kandidaten durchsetzte, bannte ihn der Papst. Er konnte sich dabei auf die Opposition der deutschen Landesfürsten stützen. Wegen dieser innenpolitischen Schwäche musste Heinrich IV seinen Bann durch den Gang nach Canossa (1077) lösen. Im Wormser Konkordat (1122) kam es zu einer vorläufigen Einigung: Deutsche Bischöfe wurden vom Kaiser ins weltliche, dann vom Papst ins geistliche Amt eingesetzt. Bischöfe waren damit belehnte Reichsfürsten. Der politische Kampf zwischen Kaiser und Papst zog sich durch das ganze
Mittelalter. Die Kirche konsolidierte sich als politisch-rechtliche Anstalt. Begünstigt durch das Lebenswesen und den Ausgang des Investiturstreits gelangten die Landesfürsten erst faktisch und dann rechtlich in eine starke Stellung gegenüber dem Reich.
Der Streit um das Recht der Investitur (Einkleidung = Einsetzung) hoher geistlicher Würdenträger entzündete sich schon im frühen Mittelalter, als Bestrebungen der Kirche aufkamen, das ursprünglich auf der sakralen Auffassung von der weltlichen Obrigkeit beruhende Recht der Auswahl oder Bestätigung der Bischöfe, Äbte usw. durch den König (sog. Laien-Investitur) zu beseitigen. Die Kämpfe um die Neuordnung des Verhältnisses von Kirche und Staat kamen zum offenen Ausbruch, als Nikolaus II. 1059 im Papstwahlgesetz das Ein- und Absetzungsrecht des Kaisers durch das Wahlrecht des Kardinalkollegiums ersetzte. Papst Gregor VII. beanspruchte, gestützt auf die Zweischwerterlehre, für den Papst das Recht, als höchste Autorität der Welt den Kaiser abzusetzen; er verbot 1075 die Laien-Investitur. Sein Gegner Heinrich IV. vermochte nicht, die gegenteilige Auffassung gegenüber dem Papst durchzusetzen, zumal er nicht die volle Unterstützung des Hochadels fand und seine Position durch Aufstellung von Gegenkönigen geschwächt wurde. Sein Bußgang nach Canossa (1077) demonstrierte seine politische Niederlage. Der I. fand erst sein Ende durch das Wormser Konkordat (1122) unter Heinrich V. Es enthielt einen Kompromiss, nach dem der Kaiser spiritualiter unter dem Papst, aber temporaliter über ihm stand: dem Kaiser verblieb die Investitur mit den weltlichen Rechten des Kirchenamtes (Kirchengüter, Regalien und weltliche Regierungsrechte) mittels Verleihung des Zepters, während der Auftrag zur Seelsorge nach kanonischem Recht erteilt wurde (Wahl durch das Domkapitel und Konsekration, Verleihung von Ring und Stab durch den Papst). Je nachdem, ob nach der in den einzelnen Gebieten unterschiedlichen Regelung die weltliche Investitur oder die Konsekration zuerst stattfand, bestand Vorrang der weltlichen oder der geistlichen Investitur.
Der Streit um die Einsetzung der Bischöfe ist nicht nur historischer Natur. Z. Zt. ist zwischen Heiligem Stuhl und Volksrepublik China streitig, ob das Recht, in China die Katholischen Bischöfe einzusetzen, der chinesischen Regierung oder dem Papst zusteht.
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