Streitgegenstand

oder prozessualer Anspruch ist im Zivilprozeß die Bezeichnung für den Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens. Wie der S. zu bestimmen ist, ist umstritten. Herrschend ist die sog. Theorie vom zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff, wonach für dessen Bestimmung sowohl der vom Kläger in der Klageschrift gestellte Antrag als auch der hierzu vorgetragene Lebenssachverhalt maßgebend ist. Ein identischer Lebenssachverhalt liegt dabei vor, wenn die einzelnen Tatsachen, die einen Antrag rechtfertigen sollen, einen einheitlichen Lebensvorgang darstellen, was nach der Verkehrsauffassung und anhand einer natürlichen Betrachtungsweise zu beurteilen ist. Weichen in zwei Klagen entweder die Anträge oder die vorgebrachten Lebenssachverhalte voneinander ab, so liegen verschiedene S. vor.

Zu unterscheiden vom S. sind die verschiedenen materiellrechtlichen Anspruchsgrundlagen. Liegt ein einheitlicher Klageantrag und Lebenssachverhalt vor, sind die einzelnen Anspruchsgrundlagen in prozessualer Hinsicht nur mehrere rechtliche Gesichtspunkte, unter denen der S. geprüft werden muß.

ist im Prozessrecht der prozessuale Anspruch bzw. nach umstrittener Ansicht entweder das Begehren des Klägers an das Gericht um Entscheidung oder eine an den Beklagten gerichtete Rechtsbehauptung. Der S. ist ein rein prozessualer Begriff. Er ist nicht das umstrittene Objekt selbst, der konkrete, streitauslösende Sachverhalt oder der materiellrechtliche Anspruch. Je nach Ansicht wird er bestimmt durch die Behauptung eines materiellen Rechts, durch den Klageantrag und den vom Kläger zur Begründung vorgetragenen Sachverhalt oder nur durch den Antrag. Praktisch bedeutsam ist der S. wegen seiner Maßgeblichkeit für die Bestimmtheit der Klage, die sachliche Zuständigkeit, die objektive Klagehäufung, die Klageänderung, die Rechtshängigkeit und die Rechtskraft. Lit.: Musielak, //., Der rechtskräftig entschiedene Lebenssachverhalt, NJW 2000, 3593; Bub, P., Streitgegenstand und Rechtskraft bei Zahlungsklagen, 2001; Wernecke, F., Die Einheitlichkeit des europäischen und des nationalen Begriffs vom Streitgegenstand, 2003

(prozessualer Anspruch): in seinen Einzelheiten stark umstrittener Zentralbegriff vor allem des Zivilprozessrechts, der vielfach bedeutsam ist (z. B. bei der Klageänderung, bei der objektiven Klagehäufung, bei der Frage anderweitiger Rechtshängigkeit und bei den objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft). Nach h.M. ist der prozessuale Anspruch nicht mit dem materiell-rechtlichen Anspruch identisch. Vielmehr handelt es sich uns einen rein prozessualen Begriff, der vom konkreten an das Gericht gerichteten Rechtsschutzbegehren des Klägers ausgeht. Dieses wird nach dem von der heute h. M. vertretenen sog. „zweigliedrigen Streitgegenstandsbegrifl” bestimmt durch (1.) den Klageantrag (unabhängig von seiner rechtlichen, eventuell auch mehrfachen Begründung) und (2.) den klagebegründenden Sachverhalt (= das dem Klageantrag zugrunde liegende tatsächliche Geschehen, unabhängig vom Vortrag und der Kenntnis des Klägers). Nach h. M. ist es allein der Kläger, der den Streitgegenstand bestimmt, so dass es hierfür auch allein auf seinen Vortrag ankommt.
Auch im Verwaltungsprozess bestimmt sich der Streitgegenstand wie im Zivilprozess nach der heute h. M. durch den Klageantrag und den entsprechend zugrunde liegenden Sachverhalt. Es ist jedoch zu beachten, dass die Klageschrift im Verwaltungsprozess nur einen bestimmten Klageantrag enthalten soll (§ 82 Abs. 1 S.2 VwGO) und nicht, wie im Zivilprozess, einen bestimmten Antrag enthalten muss (§ 253 Abs. 2
Nr. 2 ZPO). Daher ist bei Fehlen eines bestimmten Antrages lediglich auf den zugrunde liegenden Sachverhalt abzustellen.

ist im Zivilprozess der prozessuale Anspruch. Nach h. M. ist der Begriff rein prozessual und bestimmt sich aus dem Klageantrag und dem Klagegrund, nach anderer Auffassung nur durch den Klageantrag, nach materiell-rechtlicher Auffassung durch die Behauptung des materiellen Rechts oder Rechtsverhältnisses. Der Streitgegenstand ist maßgebend dafür, worauf sich die Klage erstreckt, welches Gericht zuständig ist, ob eine Klageänderung und eine doppelte Rechtshängigkeit vorliegt, vor allem, inwieweit die gerichtliche Entscheidung in Rechtskraft erwächst. Vom Streitgegenstand zu unterscheiden ist der streitbefangene Gegenstand, insbes. die streitbefangene Sache: das Recht oder die Sache, um welche die Parteien streiten (z. B. die Sache, auf deren Herausgabe geklagt wird). Der Streitgegenstand im arbeitsgerichtlichen Verfahren entspricht dem des Zivilprozesses (§ 46 ArbGG). Der Streitgegenstandsbegriff im Verwaltungs-, Finanz- und Sozialstreitverfahren ist gleichfalls umstritten; er wird vom Zivilprozess abgeleitet, deckt sich aber damit insofern nicht ganz, als in diesen Verfahren kein bestimmter Klageantrag notwendig ist, so dass in erster Linie auf den zur Entscheidung gestellten Sachverhalt abzustellen ist (§ 82 I VwGO, § 65 I FGO, § 92 SGG). Auch in diesen Verfahren hat der Streitgegenstand dieselbe Bedeutung wie im Zivilprozess, insbes. für die Rechtskraft (§ 121 VwGO, § 110 I FGO, § 141 SGG). Die unterschiedlichen Auffassungen zum Streitgegenstand wirken sich hier praktisch nur auf die Anfechtungsklage (Verwaltungsstreitverfahren, 1 a) aus.




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