Analytische Rechtsphilosophie
Die analytische Rechtsphilosophie steht dem Positivismus und dem Empirismus nahe. Linguistische und logische Ansätze gehören zu deren essentialia. Kennzeichen der analytischen Rechtsphilosophie sind der sprachphilosophische Umgang mit Gesetzestexten, die rationale Begründung von Entscheidungen, die wissenschafdiche Tatsachenermittlung, die Rekonstruktion wissenschaftlicher Argumente mit logischen Hilfsmitteln, Fortentwicklung der modernen Logik, die wissenschaftliche Erörterung auch normativer Fragen und die Anerkennung von (Eigen-) Wertungen des Rechtsanwenders. Besonderes Interesse widmet die analytische Rechtsphilosophie den Grenzen der Bindung an den sprachlichen Gehalt der Gesetze („linguistic turn”), z. B. bei unbestimmten Gesetzesbegriffen, sowie auch den normativen Maßstäben des Entscheidens, zwischen absoluter Bindung, der Möglichkeit deduktiver Entscheidungsbegründung und der Erforderlichkeit von Eigenwertungen des Rechtsanwenders bis hin zu freier Willkür, dein Primat des bedingungslosen Werfens. Die analytische Philosophie erleichtert den Problemzugang und die Problembehandlung, weist über Strukturanalysen den Weg zu rationalen Entscheidungen von Wertfragen und lehnt verdunkelnde Metaphern von der eigenwertungsfreien objektiv-teleologischen Auslegung ab.
Der analytischen Theorie des Rechts zugerechnet wird auch Herbert L. Hart (1907-1992), dessen wichtigstes Werk den Titel „The Concept of Law” („Der Begriff des Rechts”) trägt. Hart versteht das Recht als ein System von sozial akzeptierten Regeln, deren Hauptfunktion es ist, das soziale Leben auch ohne Gerichte zu kontrollieren, zu lenken und zu planen. Auch verwerfliche Normen können trotz ihrer Verwerflichkeit gültiges Recht sein; damit sei aber die moralische Frage, ob man dieser Rechtsnorm Gehorsam leisten solle, noch nicht entschieden. In den sog. „harten” Fällen, in denen sich aus den Regeln kein Ergebnis deduzieren lasse, räumt Hart dem Richter „Ermessen” ein. Aufgrund der empirischen Gegebenheiten müssten Recht und Moral einen bestimmten Inhalt haben. Der Minimalgehalt des Naturrechts beruhe auf fünf selbstverständlichen Wahrheiten:
1. Der Mensch ist verwundbar.
2. Die Menschen sind annähernd gleich.
3. Der Altruismus des Menschen ist begrenzt.
4. Die Menge der Güter ist begrenzt.
5. Einsichtsfähigkeit und Willensstärke des Menschen sind begrenzt.
Bei diesem Ansatz geht es um eine rein vernunftmäßige Beziehung zwischen natürlichen Tatsachen und gewissen Inhalten von Recht und Moral, eine empirische Version der Naturrechtslehre. Hart will zeigen, dass eine positivistische Rechtsphilosophie, die an der begrifflichen Trennung von Recht und Moral festhält, vor der rechtspolitisch alles entscheidenden Frage nach den sittlichen Maßstäben des Rechts nicht zu kapitulieren braucht. Wer positiv geltendes und sittlich richtiges Recht begrifflich trenne, erleichtere sich die Aufgabe, über beides nach den jeweils adäquaten Kriterien rational nachzudenken. Hart — wie auch die sonstige analytische Rechtstheorie — bestreitet aber im Unterschied zu Reisen nicht, dass eine rationale Rechtskritik vorn sittlichen Standpunkt aus möglich ist.
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