Beweisantrag im Strafprozess
1.
Im Ermittlungsverfahren haben die verfahrenleitende Behörde (Polizei, Staatsanwaltschaft) und der vernehmende Richter einem B. des Beschuldigten stattzugeben, wenn der Beweis von Bedeutung ist (§§ 163 a II, 166 I StPO).
Dem Angeschuldigten ist ferner im Eröffnungsverfahren bei Zustellung der Anklageschrift Gelegenheit zum B. zu geben (§ 201 StPO); er kann einen solchen auch noch vor der Hauptverhandlung stellen (§ 219 StPO). Auch sonst ist ihm nicht verwehrt, einen B. einzureichen; ein unerledigter schriftlicher B., der aufrechterhalten wird, ist in der Hauptverhandlung zu wiederholen.
2.
Wird in der Hauptverhandlung ein B. gestellt, so ist eine bestimmte Beweistatsache und ein bestimmtes Beweismittel anzugeben; Ausforschungs(Beweisermittlungs)anträge sind nur Anregungen und unterliegen nicht den strengen Vorschriften über die Behandlung des B. Zur Stellung des B. berechtigt sind Staatsanwalt, Verteidiger, Angeklagter und die weiteren Verfahrensbeteiligten (Nebenkläger usw.).
Über die Behandlung des B. gilt folgendes (§ 244 StPO)
a) Ein B. ist unzulässig und muss abgelehnt werden, wenn die Beweiserhebung unmöglich oder verboten ist (z. B. weil der Zeuge das Zeugnis verweigert oder eine gesetzlich erforderliche Aussagegenehmigung fehlt); ebenso wenn über den Beweisgegenstand bereits rechtskräftig entschieden ist oder wenn er mit der Sache nichts zu tun hat.
b) Ein B. darf im Übrigen nur aus bestimmten Gründen abgelehnt werden, soweit dadurch nicht die Pflicht des Gerichts zur Sachaufklärung verletzt wird, nämlich
aa) wenn die Beweistatsache offenkundig und die Beweiserhebung deshalb überflüssig ist;
bb) wenn sie für die Entscheidung tatsächlich oder rechtlich unerheblich ist;
cc) wenn sie schon erwiesen (nicht: schon widerlegt!) ist;
dd) wenn das Beweismittel völlig ungeeignet ist (der Zeuge kann den Umständen nach vom Beweisgegenstand keinesfalls Kenntnis haben);
ee) wenn es unerreichbar ist (Aufenthalt des Zeugen unbekannt; Heranziehung im Wege der Rechtshilfe nicht möglich oder für den Zeugen mit Gefahr verbunden; alle der Bedeutung des Beweismittels entsprechenden Bemühungen um Heranziehung erfolglos und für absehbare Zeit aussichtslos, BGH NStZ 1982, 212);
ff) wenn der B. zwecks Prozessverschleppung gestellt ist;
gg) wenn eine den Angeklagten entlastende Beweistatsache als wahr unterstellt werden kann.
hh) Beim Sachverständigenbeweis ist die Ablehnung außer in den Fällen aa-gg zulässig: wenn das Gericht die erforderliche Sachkunde selbst besitzt (oft zweifelhaft in psychologisch bedeutsamen Fragen - z. B. bei Affekthandlungen - oder bei Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Kinderaussagen in Prozessen wegen Sexualstraftaten);
ii) wenn der B. auf Anhörung eines weiteren Sachverständigen gerichtet ist und das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits durch das frühere Gutachten erwiesen ist; doch ist ein neues Gutachten einzuholen, wenn das frühere möglicherweise an Mängeln leidet, weil entweder die Sachkunde des ersten Sachverständigen zweifelhaft ist, oder wenn das erste Gutachten von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über überlegene Forschungsmittel verfügt (z. B. Arzt der Universitätsklinik gegenüber dem praktischen Arzt). Liegen bereits mehrere Gutachten vor, die einander widersprechen oder Zweifel offen lassen, kann die Aufklärungspflicht (§ 244 II StPO) die Einholung eines Obergutachtens erforderlich machen.
c) Die Augenscheinseinnahme und die Vernehmung eines Zeugen, dessen Vernehmung im Ausland zu bewirken wäre, liegen im pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 244 V StPO).
d) Die Ablehnung des B. erfordert einen begründeten Beschluss des Gerichts (also ggf. des Kollegiums). Anders beim Hilfs(Eventual)-B., über den in der Urteilsberatung befunden werden kann; er ist dann in der Urteilsbegründung zu bescheiden. Ein Verstoß gegen diese Verfahrensvorschriften begründet die Revision nur, wenn das Urteil möglicherweise auf dem Fehler beruht (§ 337 StPO), während die gegen die Bestimmungen zu a)-c) verstoßende Ablehnung des B. ein absoluter Revisionsgrund ist (§ 338 Nr. 8 StPO).
e) Sondervorschriften gelten für präsente Beweismittel nach § 245 StPO und für verspätete B.e nach § 246 StPO. Wegen Verspätung allein darf ein B. im Hinblick auf die Aufklärungspflicht des Gerichts - außer bei Verschleppungsabsicht - nicht abgelehnt werden; doch berechtigt verspätete Benennung von Zeugen oder Sachverständigen den Gegner des Antragstellers, Aussetzung der Verhandlung zwecks Erkundigung zu verlangen, wenn ihm diese wegen der Verspätung nicht möglich war.
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