Empfangsbedürftigkeit einer Willenserklärung

Eine Willenserklärung ist regelmäßig einem anderen gegenüber abzugeben” und folglich empfangsbedürftig. Die Abgabe einer Willenserklärung allein genügt daher nur bei ausnahmsweise nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen für deren Wirksamwerden (vgl. § 130 Abs. 1 BGB).
Nicht empfangsbedürftig sind aber die streng einseitigen Rechtsgeschäfte (Rechtsgeschäft, einseitiges). Ebenfalls nicht empfangsbedürftig ist die Annahme eines Antrags auf Abschluss eines Vertrages in den Sonderfällen der §§ 151,152 BGB (Zugangsverzicht nach Verkehrssitte oder Vereinbarung, getrennte Beurkundung der Annahme bei notariell beurkundetem Vertrag). Darüber hinaus kann auch weitergehend durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung auf die Erforderlichkeit des Zugangs einer an sich empfangsbedürftigen Willenserklärung verzichtet werden (für AGB und Verbraucherverträge ergeben sich Grenzen aus § 308 Nr. 6 BGB).
Die übrigen empfangsbedürftigen Willenserklärungen werden erst wirksam, wenn sie (ohne vorherigen oder gleichzeitigen Widerruf, vgl. § 130 Abs. 1 S.2 BGB) beim Erklärungsempfänger (bzw dessen gesetzlichem Vertreter, § 131 BGB) ankommen (vgl. auch die amtsempfangsbedürftige Willenserklärung). Dies ist jedenfalls der Fall, wenn der Empfänger - auch unter ungewöhnlichen Umständen - von der Erklärung Kenntnis erhält. Bei der Frage, ob und inwieweit der Eintritt der Wirksamkeit einer Willenserklärung von der Kenntniserlangung abgekoppelt werden kann, sind Aspekte der Risikoverteilung und des Verkehrsschutzes zu berücksichtigen.
Nach der bereits vor Inkrafttreten des BGB herrschenden Empfangstheorie ist für die Wirksamkeit verkörperter (d. h. i. d. R. schriftlicher) Erklärungen nicht erforderlich, dass der Empfänger sie auch tatsächlich zur Kenntnis nimmt und gar versteht. Ausreichend ist vielmehr der (bloße) Zugang einer Willenserklärung, d. h. deren Gelangen in den Bereich des Empfängers in einer Weise, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Geregelt ist dies in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB nur für Erklärungen gegenüber Abwesenden, doch gilt Entsprechendes auch bei verkörperten Erklärungen gegenüber Anwesenden.

Eine in den Briefkasten des Empfängers eingeworfene Erklärung wird zu dem Zeitpunkt wirksam, zu dem unter normalen Umständen damit zu rechnen ist, dass der Empfänger den Briefkasten leert. Eine durch Übergabeeinschreiben übermittelte Erklärung wird erst mit der Übergabe (ggf. durch Abholung bei der Post) wirksam, nicht aber bereits durch Zurücklassung einer Benachrichtigung beim Empfänger (die ihm nicht ermöglicht, den Inhalt des Einschreibens zur Kenntnis zu nehmen). Im Falle der bewussten und unberechtigten Zugangsvereitelung durch den Empfänger kommt — nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB — die Fiktion des Zugangs in Betracht. Die Möglichkeit der Ersatzzustellung eröffnet die Zustellung durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers nach den Vorschriften der ZPO (§ 132 Abs. 1 BGB), und unter besonderen Voraussetzungen kommt auch eine öffentliche Zustellung (§ 132 Abs. 2 BGB) in Betracht.
Für eine gegenüber einem Anwesenden abgegebene, nicht verkörperte Willenserklärung (d. h. mündliche oder konkludente Erklärung) wird demgegenüber auf der Grundlage der gemeinrechtlichen Vernehmungstheorie das Wirksamwerden der Willenserklärung daran geknüpft, dass der Empfänger die Erklärung akustisch (nicht aber unbedingt inhaltlich) richtig verstanden hat. Zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs zu § 130 Abs. 1 BGB muss es aber nach
vielfach vertretener Auffassung genügen, dass der Erklärende sich klar und deutlich ausgedrückt hat und nach den für ihn erkennbaren Umständen davon ausgehen durfte, dass der Empfänger die Erklärung verstanden hat.
Die gegenüber einem Tauben abgegebene Erklärung kann nach der Vernehmungstheorie nicht wirksam geworden sein. Entsprechend der für Erklärungen gegenüber Abwesenden geltenden Empfangstheorie (§ 130 Abs. 1 BGB) und der hieraus folgenden gesetzlichen Risikoverteilung ist im Interesse des Verkehrsschutzes aber dann von einem Wirksamwerden auszugehen, wenn der Erklärende keinerlei Anhaltspunkt für die Taubheit des Angesprochenen hatte.
In entsprechender Weise ist das Kenntnisnahmerisiko zu verteilen, wenn die Erklärung nicht direkt gegenüber einem Empfänger, sondern unter Zwischenschaltung von Mittelspersonen erklärt wird. Ist die Mittelsperson Empfangsvertreter des Empfängers (§ 164 Abs. 3 BGB, Stellvertretung), nimmt also die Mittelsperson die Erklärung im eigenen Namen für den Empfänger entgegen, wird die Willenserklärung mit Zugang bei dem Vertreter wirksam. Ist die Mittelsperson demgegenüber Empfangsbote, nimmt sie die Erklärung also nur zur Weiterleitung entgegen, kommt es für den Zugang darauf an, wann unter normalen Umständen mit der Weiterleitung an den Empfänger zu rechnen ist.

ist die Eigenschaft bestimmter Willenserklärungen, nur bei Empfang durch den Adressaten wirksam zu werden (§ 130 BGB, z. B. Kündigung, Angebot, Annahme).

Willenserklärung (1 c).

die einem anderen gegenüber abzugebende Willenserklärung. Sie wird erst wirksam, wenn sie dem Erklärungsempfänger zugeht (§ 130 BGB); i. Gegensatz zur strengeinseitigen Willenserklärung, bei der es für die Rechtswirksamkeit nicht darauf ankommt, ob andere davon Kenntnis erhalten (z.B. Eigentumsaufgabe). E.E.en sind z.B. die Einzelerklärungen, durch die ein Vertrag geschlossen wird, aber auch einseitige, rechtsgestaltende Erklärungen, wie Kündigung, Anfechtung eines Rechtsgeschäfts, Aufrechnung.




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