Freier Warenverkehr

1.
Die Idee, dass alle Waren innerhalb der Union ungehindert zirkulieren können, stand am Anfang des europäischen Einigungsprozesses. Der f. W. stellt eine der sog. vier Grundfreiheiten dar und ist damit ein wichtiges Instrument zur Verwirklichung des Binnenmarktes. Nach Art. 26 ff. AEUV gehört zum f. W.


die Zollunion mit dem Verbot von Ein- und Ausfuhrzöllen und Abgaben gleicher Wirkung (Art. 28 AEUV),


die Zusammenarbeit im Zollwesen (Art. 33 AEUV) und


das Verbot mengenmäßiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung (Art. 34 ff. AEUV).

2.
Exportbeschränkungen und Kontingentierungen sind im Binnenmarkt selten. In der juristischen Praxis steht daher die Frage im Vordergrund, wann die in der EU weiterhin zahlreichen nicht-tarifären Handelshemmnisse (NTB) Maßnahmen gleicher Wirkung wie Einfuhrbeschränkungen darstellen und ob sie ggf. gerechtfertigt sind. Hierzu gibt es eine überbordende Rspr. des EuGH.

a) Nach der Dassonville-Formel ist jede Regelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, eine Maßnahme gleicher Wirkung. Dies erfasst nicht nur offene, sondern auch versteckte Diskriminierungen, denn grundsätzl. dürfen alle Waren, die in einem Mitgliedstaat legal hergestellt werden, so auch in allen anderen Mitgliedstaaten vertrieben werden (Cassis-Formel). Auch das deutsche Reinheitsgebot für Bier wurde vom EuGH aus diesen Gründen als unzulässige Einfuhrbeschränkung verworfen (Urt. v. 12. 3. 1987, 178/84, Slg. 1227). Unzulässig sind allerdings nur produktbezogene Maßnahmen der Mitgliedstaaten. Vertriebsbezogene Beschränkungen, so der EuGH in Keck & Mithouard, verstoßen nicht gegen Art. & Mithouard, verstoßen nicht gegen Art. 34 AEUV.

b) Beschränkungen des f. W. können nach Art. 36 AEUV ausnahmsweise gerechtfertigt sein aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums. Weitere Rechtfertigungsgründe ergeben sich aus der Cassis-Entscheidung, etwa steuerliche Kontrollmöglichkeiten, Lauterkeit des Handelsverkehrs, Verbraucherschutz, Medienvielfalt etc. Danach gerechtfertigte Beschränkungen des f. W. müssen aber immer dem unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 5 Nr. 4 EUV) genügen und dürfen nicht diskriminierend sein.




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