Körperverletzung, schwere
vorsätzliche Körperverletzung mit bestimmten, besonders schweren Folgen (§ 226 StGB). Die schwere Körperverletzung ist eine Erfolgsqualifikation bzw. echte vorsatzbedürftige Qualifikation. Handelt der Täter hinsichtlich der Körperverletzung vorsätzlich und bezüglich der schweren Folge zumindest fahrlässig (§ 18 StGB), so ist Abs. 1 einschlägig, welcher einen Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren umfasst. Ebenfalls unter Abs. 1 fällt die durch Eventualvorsatz gebilligte Herbeiführung der schweren Folge (§ 18 StGB: „wenigstens fahrlässig”). Eine weitere Anhebung des Strafrahmens auf mindestens drei Jahre normiert Abs. 2 für den Fall, dass die schweren Folgen absichtlich oder wissentlich herbeigeführt wurden.
Die einzelnen schweren Folgen sind nach § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB
a) Verlust des Sehvermögens auf einem oder beiden Augen. Sehvermögen ist die Fähigkeit, mittels der Augen Gegenstände wahrzunehmen, wenn auch nur auf kurze Entfernung; bloße Lichtempfindlichkeit genügt aber nicht. Eine Minderung auf 2%
steht dem Verlust gleich, nicht aber schon eine Minderung um 20%.
b) Verlust des Gehörs (Taubheit) ist der Verlust der Fähigkeit, artikulierte Laute zu verstehen. Wahrnehmungen ohne Unterscheidung genügen nicht. Die Fähigkeit muss im Gegensatz zu den Augen auf beiden Ohren fehlen, wenn auch auf einem aus anderem Anlass.
c) Verlust des Sprechvermögens (Stummheit) ist der Verlust der Fähigkeit zu artikulierendem Reden. Völlige Stimmlosigkeit ist zum Verlust nicht erforderlich, bloßes Stottern genügt indes nicht.
d) Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit umfasst sowohl die Zeugungs- als auch die Empfängnisfähigkeit (Kastration; Sterilisation). Auch Kinder verfügen generell über eine potenzielle, entwicklungsfähige Fortpflanzungsfähigkeit, welche verloren werden kann.
Nach § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB derVerlust oder die Gebrauchsunfähigkeit eines wichtigen Gliedes. Körperglieder sind nach h. M. nur solche, die mit dem Rumpf oder einem anderen Körperteil durch Gelenke verbunden sind, z. B. Arme, Beine, Finger. Nach anderen Auffassungen sollen auch Körperteile umfasst sein, die nur eine in sich geschlossene Existenz mit besonderer Funktion für den Gesamtorganismus haben und nach außen treten (Nase, Ohren). Eine noch weitere Auffassung will auf das Erfordernis des „Nach-außenTretens” verzichten und kann damit auch innere Organe, z.B. Nieren, dem Schutzbereich unterordnen. Die Wichtigkeit eines Gliedes bestimmt sich nach seiner allgemeinen Bedeutung für den Gesamtorganismus, wobei nach teilweise vertretener Ansicht auch die individuellen Verhältnisse des Tatopfers berücksichtigt werden müssen (z. B. Finger bei einer Stenotypistin). Der Verlust ist die physische Abtrennung des Gliedes vom Körper. Da eine dauernde Gebrauchsunfähigkeit (z. B. Versteifung) einem Verlust nicht erheblich nachsteht, wird auch diese von § 226 StGB erfasst. Nach § 226 Abs. 1 Nr. 3
a) Dauernde Entstellung in erheblicher Weise ist die Verunstaltung der Gesamterscheinung, wobei eine Dauerhaftigkeit dann angenommen werden kann, wenn sich ihr Ende nicht im Voraus bestimmen lässt. Die Entstellung muss der geringsten der übrigen Folgen des § 226 StGB gleichkommen (nicht bei Verlust der Vorderzähne, da durch Zahnersatz zu beseitigen; auch nicht bei Narben oder Hautverfärbungen; wohl aber bei Verlust der oberen Ohr-hälfte).
b) Verfallen in Siechtum, Lähmung sowie geistige Krankheit oder Behinderung: Siechtum ist ein chronischer Krankheitszustand, der den Gesamtorganismus des Verletzten ergreift und ein Schwinden der Körper- und Geisteskräfte und Hinfälligkeit zur Folge hat. Lähmung ist die erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit eines Körperteils, die den ganzen Körper in Mitleidenschaft zieht. Geisteskrankheit und geistige Behinderung
erfassen alle exogenen und endogenen Psychosen. Ein Verfallen liegt vor, wenn der Krankheitszustand chronisch ist. Die schwere Folge muss unmittelbar durch die Körperverletzung eingetreten sein (sog. Unmittelbarkeitszusammenhang). Ein bedingter Tötungsvorsatz schließt die Absicht schwerer Körperverletzung nicht aus, umfasst sie aber nicht regelmäßig, da die Folgen des § 226 StGB eine dauernde Schädigung eines weiterlebenden Menschen voraussetzen.
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