Scheingeheißperson
jemand, der bei der Übergabe einer Sache an den Erwerber im Rahmen einer Übereignung tatsächlich nicht Geheißperson des Veräußeren ist, sondern nur aus Sicht des Erwerbers als solche erscheint. Umstritten ist hierbei, ob die Besitzverschaffung an der Sache durch eine Scheingeheißperson eine Übergabe vom Veräußerer an den Erwerber ist. Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage ist, ob der auf Erwerberseite stattfindende Besitzerwerb vom Veräußerer veranlasst wurde. Nach herrschender Literaturansicht hat der Veräußerer den Besitzerwerb nur dann veranlasst, wenn sich die Geheißperson tatsächlich und bewusst dem Willen des Veräußerers unterordnet. Da die Scheingeheißperson im Regelfall annimmt, eine eigene Übereignungsverpflichtung zu erfüllen, liegt nach dieser Ansicht in einem solchen Fall keine Übergabe i.S.v. § 929 S.1 BGB vor. Der BGH hingegen hält nicht den inneren Willen des Übertragenden für entscheidend, sondern den Empfängerhorizont des Erwerbers. Danach liegt auch bei Auftreten einer Scheingeheißperson eine Übergabe i.S.v. § 929 S.1 BGB vor. Für diese Ansicht spricht, dass sie nicht nur den Empfängerhorizont berücksichtigt, sondern auch dem objektiven Geschehen Rechnung trägt.
Beispiel: E stellt Hemden her. Er bittet den N, für ihn Hemden zu veräußern. N verkauft in eigenem Namen einen größeren Posten Hemden an K. K holt die Hemden bei E ab. Dabei geht E davon aus, dass N die Hemden in seinem Namen — des E — verkauft hat. K zahlt den Kaufpreis an N. Später verlangt E Zahlung von K oder Herausgabe der Hemden. Die Einigung zwischen N und K über den Eigentumswechsel ist bereits anlässlich des Abschlusses des Kaufvertrags K — N zustande gekommen. Die Hemden müssten dem K von N übergeben worden sein. K hat den unmittelbaren Besitz erlangt, und N hat keinerlei Besitz mehr an den Hemden. Fraglich ist aber, ob K den Besitz auf Veranlassung des Veräußerers N erlangt hat. Nach seiner eigenen Vorstellung hat der E dem K nicht auf Geheiß des N den Besitz übertragen. E wollte mit der Auslieferung der Hemden eine vermeintlich eigene Verpflichtung gegenüber K erfüllen. Nach der überwiegend in der Lit. vertretenen Auffassung hat der Veräußerer den Besitzerwerb aber nur dann veranlasst, wenn sich die Geheißperson tatsächlich und bewusst dem Willen des Veräußerers unterordnet. Wenn der übertragende nur als Geheißperson erscheint (Scheingeheißperson), liegt keine Übergabe i. S. d. § 929 S. 1 vor. Nach der Rechtsprechung ist allerdings nicht der innere Wille des Übertragenden entscheidend, sondern der Empfängerhorizont des Erwerbers. Aus der Sicht des K hat E die Zuwendung der Hemden vorgenommen, damit die Eigentumsübertragungspflicht des N ihm gegenüber erfüllt werde. Vom Empfängerhorizont des K aus war der E Geheißperson des N. Eine von N veranlasste Übergabe ist danach zu bejahen.Für diese Ansicht spricht, dass rein tatsächlich der N die Übertragung des Besitzes auf den K veranlasst hat, auch wenn sich der E dem Willen des N nicht unterordnete. Die Besitzverschaffung erfolgte auch zum Zwecke der Eigentumsübertragung, sodass die Hemden dem K durch eine „Scheingeheißperson” übergeben worden sind. Die fehlende Berechtigung des N wird unter den Voraussetzungen des § 932 Abs. 1 S. 1 BGB überwunden.
Vorheriger Fachbegriff: Scheingefahr | Nächster Fachbegriff: Scheingeschäft