Störung der Geschäftsgrundlage

(clausula rebus sie stantibus): nachträgliche Änderung von zur Grundlage eines Vertrags gewordener Umstände (Wegfall der Geschäftsgrundlage) bzw. anfängliche, zur Grundlage eines Vertrages gewordene Fehlvorstellungen der Parteien (Fehlen der Geschäftsgrundlage), die so schwerwiegend bzw. wesentlich sind, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Änderung vorausgesehen bzw. ihre Fehlvorstellung erkannt hätten (§ 313 BGB).
Nach der ständigen Rspr. des BGH wird die Geschäftsgrundlage eines Vertrages gebildet durch die nicht zum Vertragsinhalt erhobenen, aber beim Vertragsschluss zutage getretenen, dem Geschäftsgegner erkennbaren und nicht von ihm beanstandeten Vorstellungen des. einen Vertragsteils oder durch entsprechende gemeinsame Vorstellungen beider Vertragspartner, auf denen der Geschäftswille aufbaut. Dieser subjektiven Theorie wurden in der Literatur objektive Theorien entgegengesetzt, wonach etwa unter der Geschäftsgrundlage diejenigen Umstände und allgemeinen Verhältnisse zu verstehen sind, deren Vorhandensein oder Fortdauer objektiv erforderlich ist, damit der Vertrag im Sinne der Intention beider Vertragsparteien noch als eine sinnvolle Regelung bestehen kann. Der Gesetzgeber des SchuldRModG hat nunmehr die objektive Geschäftsgrundlage in § 313 Abs. 1 BGB und die subjektive Geschäftsgrundlage in § 313 Abs. 2 BGB aufgenommen. Wesentliche Fallgruppen der Änderung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sind:
— Aquivalenzstörungen zwischen Leistung und Gegenleistung durch unvorhergesehene Umstände (z. B. Geldentwertung, zu einem erheblichen Mehraufwand führende Leistungserschwernisse) in einem solchen Maß, dass verständlicherweise von einer Gegenleistung überhaupt nicht mehr gesprochen werden kann;
— (Verwendungs-)Zweckstörungen, bei denen der objektive (beiderseitige) Vertragszweck nicht nur zeitweilig unerreichbar geworden ist (etwa wenn der von einer Partei mit der aus dem Vertrag zu beanspruchenden Leistung verfolgte Zweck nicht mehr erreicht werden kann), und der
— beiderseitige Motivirrtum.
Geschäftsgrundlage in diesem Sinne kann nur sein, was nicht nach Gesetz oder Vertrag in die alleinige Risikosphäre einer Partei fällt (so trägt insbes. im Regelfall jede Partei das Verwendungsrisiko hinsichtlich der von ihr aus dem Vertrag beanspruchten Leistung, z. B. Bebaubarkeit von gekauftem Bauerwartungsland). Die Anwendung der Geschäftsgrundlage-Regeln setzt voraus, dass eingetretene Schwierigkeiten nicht durch (ggf. ergänzende) Vertragsauslegung oder durch Anwendung der Regeln des Leistungsstörungsrechts behoben werden können.
Insbes. in den Fällen einer Aquivalenzstörung ist die Abgrenzung problematisch zu einer faktischen (§ 275 Abs. 2 BGB) oder persönlichen Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 3 BGB).
Eine Berufung auf die Störung der Geschäftsgrundlage kommt nur dann in Betracht, wenn dies zur Vermeidung untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht vereinbarer und damit der betroffenen Vertragspartei nicht zumutbarer Folgen unabweisbar erscheint. An diesen bisherigen strengen Maßstäben der Rspr. wollte der Gesetzgeber des SchuldRModG ausdrücklich festhalten.
Rechtsfolge der Störung der Geschäftsgrundlage ist ein (schuldrechtlicher) Anspruch auf Anpassung des Vertrages an die geänderten bzw. nunmehr erkannten Umstände (§ 313 Abs. 1 BGB). Nur soweit dies nicht möglich oder einer Partei nicht zumutbar ist, tritt an die Stelle des Anpassungsanspruchs ein Recht der benachteiligten Partei zum Rücktritt vom Vertrag bzw. — bei einem Dauerschuldverhältnis — zu dessen Kündigung (§ 313 Abs. 3 BGB).

Geschäftsgrundlage (2).




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