Vorlegung von Sachen
unabhängig von sonstigen (z. B. vertraglichen) Rechtsbeziehungen bestehender gesetzlicher Anspruch auf Vorlage von Sachen oder Urkunden (§§ 809-811 BGB).
Nach § 809 BGB besteht gegen den jeweiligen Besitzer einer Sache (für Urkunden greift ggf. der insoweit vorrangige § 810 BGB ein) ein Anspruch auf deren Vorlage oder Gestattung ihrer Besichtigung, wenn der Vorlegungsberechtigte einen (vermeintlichen) Hauptanspruch gegen den Besitzer der Sache „in Ansehung der Sache” und an der Vorlegung bzw. Gestattung der Besichtigung ein (besonderes und ernstliches, nicht aber notwendigerweise ein [vermögen-] rechtliches) Interesse hat. Als Hauptanspruch kommt jeder in rechtlicher Beziehung zur Sache stehender Anspruch in Betracht, solange er in irgendeiner Weise von Bestand oder Beschaffenheit der Sache abhängt.
Ein Anspruch auf Gestattung der Einsicht in eine Urkunde gegen den Besitzer der Urkunde besteht nach § 810 BGB, wenn der Vorlegungsberechtigte an dem beurkundeten Rechtsverhältnis beteiligt ist und ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme hat. Eine ausreichende Beteiligung des Vorlegungsberechtigten liegt vor,
— wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet wurde,
— wenn in der Urkunde ein zwischen ihm und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet ist
— oder wenn die Urkunde Verhandlungen zwischen dem Vorlegungsberechtigten und einem anderen oder zwischen einem von beiden und einem gemeinschaftlichen Vermittler über ein Rechtsgeschäft enthält.
Ein ausreichendes rechtliches Interesse besteht, wenn die Einsichtnahme zur Förderung, Erhaltung oder Verteidigung rechtlich geschützter Interessen benötigt wird.
Der Vorlageanspruch kann durch entsprechende Klage des Berechtigten gegen den Besitzer der Sache oder Urkunde geltend gemacht werden. Geht es in einem anhängigen Rechtsstreit uni die Vorlage einer im Besitz des Gegners befindlichen, als Beweismittel benötigten Urkunde, gehen die §§ 422 ff. ZPO vor.
Wer gegen den Besitzer einer Sache einen Anspruch hat oder sich vergewissern will, ob ihm ein solcher zusteht - z. B. gegen den Verwahrer wegen unsachgemäßer Behandlung -, kann, wenn die Besichtigung der Sache aus diesem Grund für ihn von Interesse ist, verlangen, dass der Besitzer ihm die Sache zur Besichtigung vorlegt oder die Besichtigung gestattet (§ 809 BGB, Editionspflicht). Wer ein rechtliches Interesse daran hat, eine im fremden Besitze befindliche Urkunde einzusehen, kann von dem Besitzer die Gestattung der Einsicht (auch Entnahme einer Photokopie) verlangen, wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet (z. B. Vollmachtsurkunde, nicht Handakten des Rechtsanwalts) oder in der Urkunde ein zwischen ihm und anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet ist (Vertragsurkunde) oder wenn die Urkunde Verhandlungen über ein Rechtsgeschäft enthält, die zwischen ihm und einem anderen gepflogen worden sind (§ 810 BGB). In die über den Patienten erstellten Krankenpapiere (Krankenakte) kann Einsichtnahme - aber nicht deren Herausgabe - jedenfalls insoweit verlangt werden, als es sich um objektive Krankheitsbefunde und Behandlungsberichte handelt. Ob die bisherige Einschränkung der Rspr., dies gelte nicht hins. subjektiver Bewertungen und Diagnosen des Arztes (Therapievorbehalt), aus verfassungsrechtlichen Gründen aufrecht erhalten werden kann, ist zw., insbes. wenn der Behandlung kein Vertrag zugrunde liegt (z. B. im Maßregelvollzug, BVerfG NJW 2006, 1116). Die Sache ist grundsätzlich an dem Ort vorzulegen, an dem sie sich befindet. Gefahr und Kosten der V. trägt der Verlangende; der Besitzer kann daher die V. verweigern, bis ihm der andere Teil die Kosten vorschießt und wegen der Gefahr Sicherheit leistet (§ 811 BGB). Über die V. von Urkunden oder Akten im Zivilprozess auf Anforderung durch das Gericht vgl. §§ 142, 143 ZPO, durch den Beweisführer oder den Gegner §§ 420 ff., 428 ZPO. Zur V. bei Augenschein und Sachverständigenbeweis s. §§ 144, 371 ZPO.
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