Wahrheitsbeweis
ist im Zivilverfahren für jede bestrittene Behauptung zu führen. Im Strafverfahren hat grundsätzlich die Staatsanwaltschaft den Nachweis der Schuld des Angeklagten zu führen. Bei Beleidigung, Verleumdung, übler Nachrede obliegt es i.d.R. dem Beschuldigten (Angeklagten), den Beweis dafür zu erbringen, dass die von ihm behauptete beleidigende Äusserung wahr ist. Ist die behauptete oder verbreitete Tatsache eine strafbare Handlung, so ist der Beweis der Wahrheit als erbracht anzusehen, wenn der Beleidigte wegen dieser Handlung rechtskräftig verurteilt worden ist. Ist er freigesprochen, so ist Wahrheitsbeweis ausgeschlossen (§ 190 StGB). Der Beweis der Wahrheit schliesst jedoch Bestrafung des Beleidigers nach § 185 StGB (Formalbeleidigung) nicht aus, wenn das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Behauptung oder Verbreitung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht (§ 192 StGB); z. B. bei Verbreitung von Behauptungen aus der Intimsphäre, wenn dafür kein Anlass bestand ( a. Wahrnehmung berechtigter Interessen).
einer ehrenrührigen Tatsachenbehauptung steht bei der üblen Nachrede und — unter bestimmten Voraussetzungen — bei der einfachen Beleidigung als Strafausschließungsgrund einer Strafbarkeit entgegen. Er ist geführt, wenn der Tatsachenkern der Äußerung erwiesen ist.
— Bei der üblen Nachrede ist die Nichterweislichkeit der Wahrheit objektive Bedingung der Strafbarkeit (BGHSt 11, 273, 274). Unabhängig vom Vorsatz des Täters ist dieser bezüglich der Richtigkeit seiner Äußerung schon dann aus § 186 StGB strafbar, wenn das Gericht nicht feststellen kann, dass die Aussage in ihrem Kern zutreffend war Das „Beweisrisiko” trägt der Täter, worin eine Umkehrung des Grundsatzes „in dubio pro reo” liegt. Eine „Beweislast” wie im Zivilprozess besteht gleichwohl nicht; es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Der Wahrheitsbeweis durch Strafurteil (§ 190 StGB) stellt hierzu eine spezielle Beweisregel auf: Ist die im Rahmen der §§ 186 oder 187 StGB verbreitete Tatsache eine Straftat, so ist der Wahrheitsbeweis als erbracht anzusehen, wenn der Beleidigte wegen dieser Tat rechtskräftig verurteilt worden ist. Spiegelbildlich hierzu ist der Wahrheitsbeweis ausgeschlossen, wenn der Beleidigte vor der Verbreitung oder Behauptung freigesprochen wurde.
— Bei der Beleidigung stellt der Wahrheitsbeweis i. d. R. keinen Strafausschließungsgrund dar; etwas anderes gilt nur, wenn die Beleidigung durch Behauptung einer ehrenrührigen Tatsache gegenüber dem Beleidigten selbst erfolgt. Ist diese Tatsache eine Straftat, gilt ebenfalls die Beweisregel des § 190 StGB (str.). Eine Bestrafung wegen Beleidigung trotz Wahrheitsbeweises (und damit fehlender Strafbarkeit gemäß §§ 186,187 StGB) ermöglicht § 192 StGB, wenn das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Behauptung oder Verbreitung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah (z. B. Veröffentlichung in der Presse), hervorgeht (sog. Formalbeleidigung).
Beleidigung (2 b, 3 b).
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