Verschulden beim Vertragsschluss (culpa in contrahendo, c i c )
1.
Unter diesem - früher gesetzlich nicht geregelten - Begriff wurde verstanden, dass bereits durch Eintritt in Vertragsverhandlungen (auch ohne Rücksicht auf einen etwaigen späteren Vertragsabschluss) zwischen den Beteiligten ein Vertrauensverhältnis entsteht. Dessen schuldhafte Verletzung (Beispielsfälle: Verletzung der Pflicht zur Offenbarung von Umständen, die für den erörterten Vertragsabschluss entscheidend und für den Gegner von Bedeutung sind, z. B. das Vorhandensein von Altlasten beim Grundstückskauf; grundloser Abbruch von erfolgversprechenden und kostenintensiven Vertragsverhandlungen, s. a. letter of intent, Verletzung von Gesundheit oder Eigentum des Verhandlungspartners) begründete einen Anspruch auf Ersatz des hierdurch entstandenen Vertrauensschadens (Schadensersatz, 2 b).
2.
Nunmehr bestimmt § 311 II BGB ausdrücklich, dass ein Schuldverhältnis mit (Neben-)Pflichten nach § 241 II BGB (positive Vertragsverletzung) auch bereits durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, ferner durch die Anbahnung eines Vertrags, bei der die eine Seite dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf ihre Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder durch ähnliche geschäftliche Kontakte entsteht. Ein solches vorvertragliches Schuldverhältnis verpflichtet zur Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Teils sowohl hinsichtlich der vorgesehenen Leistungspflichten (z. B. Information über Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten der zu verkaufenden Ware) als auch betr. entscheidungserheblicher sonstiger Umstände (z. B. fehlende Baugenehmigung). Als Folge einer derartigen Pflichtverletzung des Schuldners kann der Gläubiger Ersatz des ihm hierdurch entstandenen Schadens verlangen (§ 280 I BGB; Einzelheiten Schadensersatz, 2 b). Dieser umfasst nutzlos aufgewendete Kosten und den sonstigen Vertrauensschaden, kann aber z. B. auch darin bestehen, dass ein nicht ausreichend informierter Vertragspartner so zu stellen ist, als hätte er den (für ihn deshalb nachteiligen) Vertrag nicht geschlossen.
3.
Im Rahmen einer c. i. c. haftet der Schuldner auch für das Verhalten von Erfüllungsgehilfen. Darüber hinaus kann ein derartiges Schuldverhältnis auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen (z. B. ein Begleiter des Verhandelnden). Dies gilt insbes. dann, wenn der Dritte (z. B. Verkaufsvertreter oder Anlageberater, Verwalter, eingeschalteter Gutachter) in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst (sog. Vertrauenshaftung, § 311 III BGB). Zum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte Vertrag zugunsten Dritter. S. a. Werbeangaben (Prospekthaftung).
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