Garantenstellung
Man macht sich strafbar, wenn man durch sein Handeln gegen ein Strafgesetz verstößt. Bei gewissen Tatbeständen wird indes das Nichtstun bestraft. Allgemein gilt: Wer nichts unternimmt, um einen vom Gesetz verbotenen Sachverhalt zu verhindern, macht sich strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Tatbestand nicht eintritt. Diese Verpflichtung zum Tätig-werden wird als Garantenpflicht bezeichnet. Sie kann auf einem Gesetz, einem Vertrag oder einem besonderen Vertrauensverhältnis beruhen.
Hier einige Beispiele:
* Ehegatten sind dazu verpflichtet, Leibes- und Lebensgefahren voneinander abzuwenden — nach der Trennung jedoch nicht mehr.
* Ebenso müssen sich Eltern und Kinder gegenseitig beistehen. Eine Schwangere hat für das Wohlergehen ihres ungeborenen Kindes zu sorgen und eine Hebamme für die Geburt zu bestellen.
* Im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit müssen Polizeibeamte Dritte vor Straftaten schützen.
* Behandlungsverträge von Ärzten und Betreuungsverträge von Pflegekräften oder Kindermädchen bringen auch Garantenstellungen mit sich.
* Bei bestimmten Lebens- und Gefahrengemeinschaften wie Bergsteigergruppen oder Schiffsbesatzungen existiert ein Vertrauensverhältnis. Auf unverbindliche Zusammenschlüsse wie Wohn- oder auch Zechgemeinschaften trifft das jedoch nicht zu.
Prinzipiell ist immer zu klären, ob der Garant in der Lage gewesen wäre zu handeln und einen Schaden tatsächlich verhindert hätte. Nicht zumutbar sind Handlungen, mit denen er sich selbst erheblich gefährden würde. Beispielsweise würde ein Pkw-Fahrer, der auf der Autobahn einen Skiträger oder sonstiges Frachtgut verliert, bei der Beseitigung riskieren, überfahren zu werden. Gleichwohl befreit ihn das nicht von der Pflicht, andere Maßnahmen zu ergreifen, etwa ein Warnschild aufzustellen und die Polizei zu verständigen. Der Gesetzgeber unterscheidet überdies zwischen echten und unechten Unterlassungsdelikten. Um ein echtes Unterlassungsdelikt handelt es sich nur, soweit das Gesetz den betreffenden Tatbestand klar umschreibt, z. B. die unterlassene Hilfeleistung. Eine solche liegt vor, sobald jemand in Unglücks- oder Notfällen bzw. einer allgemeinen Gefahr nicht einschreitet, obwohl
* seine Hilfestellung erforderlich und ihm den Umständen nach zumutbar ist,
* er selbst dabei kein Risiko eingehen würde,
* die Hilfestellung ihn nicht von der Erfüllung sonstiger wichtiger Pflichten abhält.
Begeht eine Person dagegen durch Unterlassung eine Straftat, die normalerweise die Folge aktiven Tuns ist, so spricht man von einem unechten Unterlassungsdelikt. Falls etwa ein Krankenhausarzt seinen Patienten nicht behandelt und dieser stirbt, kann der Mediziner sich neben der unterlassenen Hilfeleistung auch der Tötung durch Unterlassen schuldig machen.
§§ 13, 323c StGB; 1353 BGB
Verpflichtung zum Handeln aufgrund Gesetzes, Vertrags, vorangegangenen Tuns oder aus einem Gemeinschaftsverhältnis, deren Verletzung ein Unterlassungsdelikt darstellt, wenn ein Erfolg eintritt, dessen Herbeiführen durch Strafgesetz verboten ist (z. B. Ehemann hindert nicht die Selbsttötung seiner Ehefrau).
Strafrecht; Selbstmord.
ist die Stellung, kraft deren jemand rechtlich dafür einstehen muss, dass ein bestimmter Erfolg nicht eintritt (vgl. § 13 StGB). Sie kann beruhen auf Gesetz (z.B. § 1353 BGB), freiwilliger tatsächlicher Übernahme (auf Grund eines Vertrags, z.B. Kinderschwester), auf enger Familiengemeinschaft, Lebensgemeinschaft oder Gefahrengemeinschaft (z.B. Verlöbnis) oder auf vorausgegangenem gefahrbegründendem und rechtswidrigem (str.) Verhalten (Ingerenz, z.B. Verursacher eines Verkehrsunfalls) oder allgemeiner auf besonderen Schutzpflichten für bestimmte Rechtsgüter oder auf der Verantwortlichkeit für bestimmte Gefahrenquellen. Lit.: Grün, U. v. d., Garantenstellung, 2003
die Garantenpflicht begründende Umstände.
Im Strafrecht ist die G. bei den sog. unechten Unterlassungsdelikten von Bedeutung. Besteht nach Gesetz, Vertrag oder aus einem anderen Grund eine Rechtspflicht zum Handeln (z. B. zur Rettung aus Gefahr), unterlässt der Verpflichtete dies aber gleichwohl und schädigt er dadurch einen anderen, so kann sich aus der G. eine strafrechtliche Verantwortlichkeit ergeben. Im Einzelnen Unterlassungsdelikt.
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