organisierte Kriminalität
, Abk. OK: Nach der Praxisdefinition des Deutschen Bundestages die von Gewinnoder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig zusammenwirken,
* unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,
* unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder
* unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz und Wirtschaft.
Nachteil der Definition: Die verwendeten Begriffe sind unbestimmt und ermöglichen keine eindeutige Zuordnung zur OK. OK ist ohnehin von außerordentlicher Dynamik und Vielfalt ihrer Erscheinungsformen geprägt. Die Einordnung einer Straftat als OK-Delikt ist oft nicht möglich, da die OK-Relevanz meist nicht sichtbar ist. Die allgemeine Abschottungstendenz im OK-Bereich verhindert das Erlangen empirischen Wissens über diese Kriminalitätsform.
Zahlreiche, im Folgenden aufgelistete Faktoren indizieren das Vorhandensein von OK und ermöglichen es im Gegensatz zu obiger Definition, der Dynamik von OK gerecht zu werden:
* professionelle Planung, Tatvorbereitung und Tatausführung,
* perfekte Organisation der Bezugsquellen und der Beuteverwertung,
* konspiratives Täterverhalten,
* Täterverbindungen und Tatzusammenhänge,
* mehrgliedrige Gruppenstruktur,
* Hilfe für Gruppenmitglieder,
* Monopolisierungsbestrebungen,
* Korrumpierung von Einflusspersonen,
* Investition in legale Geschäfte.
Die Bekämpfung der OK geschah in der Vergangenheit materiell-rechtlich durch Verschärfung von bandenmäßigen Straftatbeständen wie etwa §§ 244 a Abs. 1, 260a Abs. 1, 146 Abs. 2, 263 Abs. 5, 130a Abs. 1 StGB. Die Effektivität des § 261 StGB ist dagegen zweifelhaft, da der gesetzlich geforderte Nachweis
der illegalen Herkunft des Geldes oft nicht möglich ist. Die Möglichkeit des Zugriffs auf Vermögen des Täters ist durch die (inzwischen nicht mehr mögliche)
* > Vermögensstrafe nach § 43 a StGB sowie den erweiterten Verfall nach § 73 d StGB verbessert worden. Zudem wurde mit dem „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption” von 1997 das Korruptionsstrafrecht verschärft.
Prozessrechtlich sind vor allem zu nennen die Instrumente der Rasterfahndung nach §§ 98 a-b StPO, die Erweiterung der Überwachung des Fernmeldeverkehrs in § 100 a Abs. 2 Nr. 1 lit. m) StPO, der Einsatz technischer Mittel in § 100 h StPO, der Einsatz verdeckter Ermittler nach §§ 110 a-c StPO, die
Kronzeugenregelung sowie die Netzfahndung nach § 163 d StPO.
Auf internationaler Ebene sind staatenübergreifende Präventions- und Ermittlungskonzepte zu nennen. Als notwendig angesehen werden in diesem Rahmen eine Harmonisierung formellen und materiellen Rechts in der EU, die Möglichkeit, illegale Gewinne europaweit abzuschöpfen, die teilweise Aufgabe von Souveränitätsrechten zur Strafverfolgung sowie die Schaffung eines europaweiten Personen- und Sachfahndungssystems.
Als Folgen der OK sind unmittelbare und mittelbare Schäden zu unterscheiden. Erstere bestehen in Form der verletzten Rechtsgüter. Bei mittelbaren Schäden sind zunächst die Folgen der Geldwäsche zu nennen. Durch Einschleusung von illegalem Geld in den legalen Wirtschaftsverkehr wird die Einflussnahme auf Politik, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung erleichtert. Zudem ist ein Verlust an Vertrauen in das freiheitliche Rechtssystem und die repräsentativen staatlichen Organe als mittelbare Folge zunehmender Verunsicherung der Bevölkerung zu verzeichnen, wenn der Eindruck entsteht, Polizei und Justiz seien gegenüber OK machtlos. Allgemein ist eine höhere Gefährlichkeit der OK im Vergleich zur sonstigen Kriminalität durch ihre professionelle Vorgehensweise feststellbar.
Als Erscheinungsformen der OK in Deutschland lassen sich einerseits Straftäterverflechtungen ausmachen, die weniger durch feste Organisationsstrukturen, als vielmehr durch gemeinsames Interesse an der Begehung gewinnträchtiger Straftaten zusammengehalten werden. Gewaltanwendung ist hier eher Kennzeichen schlechter Organisation.
Andererseits sind hier zu Lande auch mafiaähnliche Strukturen vorzufinden, die sich vor allem aus ethnischen Minderheiten zusammensetzen und vom Ausland aus gesteuert werden. Der Einfluss der OK auf staatliche Institutionen in Deutschland wird bisher als gering eingeschätzt. In Italien ist OK vor allem in Gestalt familienorientierter Syndikate vorzufinden. In den USA agieren kriminelle Organisationen hingegen wie Wirtschaftsunternehmen, wobei der Tätigkeitszweck in illegalen Aktivitäten besteht.
1.
O. K. schädigt neben den Betroffenen die gesamte Wirtschaft und die Volksgesundheit erheblich. Kriminelle Organisationen, deren Mitglieder oft sozial unauffällig sind, begehen aus Gewinn- oder Machtstreben professionell und teilweise mit Gewalt Straftaten meist über nationale Grenzen hinweg. Sie organisieren besonders illegalen Handel mit Betäubungsmitteln (insbes. Heroin, Kokain, Betäubungsmitteldelikte) und Waffen, Herstellung und Verbreitung von Falschgeld, Diebstahl, Hehlerei, Erpressung, Menschenhandel, Zuhälterei, Glücksspiel und Taten der Wirtschaftskriminalität. Sie legen die Gewinne in legalen Geschäften an und versuchen, Einfluss auf Politik, Medien und gesellschaftliche Gruppen sowie Verwaltung und Justiz zu nehmen (s. auch die Definition in Art. 1 III Bayer. VerfassungschutzG i. d. F. v. 10. 4. 1997, GVBl. 70, m. Änd. sowie in den Richtlinien der Justiz- und Innenminister der Länder, z. B. Bayer. JMBl. 1991, 1).
2.
Bekämpft wird die O. K. vor allem im Strafrecht mit der Strafbarkeit von Geldwäsche, Bandenhehlerei und ausländischen, auf den Vertrieb von Betäubungsmitteln gerichteten kriminellen Vereinigungen, der Gewinnabschöpfung durch Erweiterten Verfall, verschärften Strafdrohungen insbes. von Bandendelikten, im Verfahrensrecht mit Verdeckten Ermittlern, Einsatz technischer Mittel, Rasterfahndung und Polizeilicher Beobachtung sowie verbessertem Zeugenschutz. Um Geldwäsche unterbinden oder aufklären zu können, wurden Möglichkeiten zur Gewinnaufspürung geschaffen.
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