Streupflicht
Alle Jahre wieder, wenn die kalte Jahreszeit mit vereisten und glatterf Stiassen kommt, gibt es auch Verkehrsunfälle, die auf die vereiste Strassenlage zurückzuführen sind. Entweder fährt dabei aufgrund des Glatteises ein Verkehrsteilnehmer seinen
PKW an einen Baum oder die beiden Kontrahenten eines Zusammenstosses sind sich einig, dass der Unfall nur auf das Glatteis zurückzuführen war. Sofort kommt die nächste Frage auf, wen nämlich die Streupflicht auf diesen Strassen trifft, so dass man gegebenenfalls bei Verletzung der Streupflicht jemanden hat, von dem man Schadenersatz bekommen könnte. Der Bundesgerichtshof hat ein salomonisches Urteil hierzu gefällt und festgestellt, dass sich der Umfang der Streupflicht »nach den Umständen des Einzelfalles« richte, insbesondere nach den örtlichen Verhältnissen, der Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges, der Stärke des Verkehrs und der Leistungsfähigkeit der Streupflichtigen. Damit ist die Beurteilung des Umfangs der Streupflicht den einzelnen Gerichten überlassen, so dass es auch die unterschiedlichsten Entscheidungen gibt. Das Gericht in der Stadt A kann die Streupflicht anhand des Einzelfalles ganz anders beurteilen, als das Gericht in der Stadt B. Vorsicht ist allerdings geboten auf unbeleuchteten Abkürzungswegen ab Einbruch der Dunkelheit, auf allen kleineren Nebenwegen ausserhalb von Ortsteilen und während der Zeiten, bei denen der allgemeine Verkehr erheblich eingeschränkt ist. Solange es dichten Schneefall gibt und das Streuen und auch die Schneebeseitigung als zwecklos angesehen werden können, kann auch von den Streupflichtigen keine Schneeräumung und keine Streuung verlangt werden.
Strassen, die dem öffentlichen Verkehrs gewidmet sind, müssen von den zuständigen öffentlichen Körperschaften - in
erster Linie den Gemeinden und Städten - vom Schnee geräumt und mit Streumitteln versehen werden. Auf Gehsteigen ist vielfach den Anwohnern eine Streupflicht auferlegt.
Diese müssen entweder selbst für die Schnee- und Eisbeseitigung Sorge tragen oder im Rahmen einer ordnungsgemässen Verwaltung entsprechendes Personal mit der Durchführung der Streuung beauftragen.
Glatteis, Schneefanggitter, Tankstelle, Verkehrssicherungspflicht. Es besteht keine allgemeine Pflicht, alle Fahrbahnen öffentlicher Straßen bei Winterglätte (Glatteis, Schnee, Reif) mit abstumpfenden Mitteln zu bestreuen. Gestreut werden muß innerhalb geschlossener Ortschaften auf verkehrsreichen Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen und auf städtischen Hauptverkehrsstraßen bei Glatteis, und zwar vor allem an verkehrswichtigen Stellen, an denen Kraftfahrer erfahrungsgemäß bremsen oder mihre Fahrtrichtung ändern müssen, wodurch es bei Glatteis zum Schleudern oder Rutschen und dadurch zu Unfällen kommen kann (scharfe Kurven, Gefällstrecken, Straßenkreuzungen und -einmündungen, Straßen an oder über Wasserläufen).
Eine Streupflicht besteht jedoch erst bei konkreter Glatteisgefahrenlage, nicht schon vorbeugend, ebenso nicht zur Nachtzeit (auch dann nicht, wenn der Berufsverkehr schon um 5 Uhr einsetzt). Der Kraftfahrer darf sich daher nicht darauf verlassen, daß die Fahrbahn zur Nachtzeit bei plötzlicher Schnee- oder Eisglätte bestreut ist. Dem gesteigerten Risiko muß er selbst mit gesteigerter Vorsicht begegnen. Morgens müssen die Streuarbeiten so rechtzeitig einsetzen, daß der vor dem allgemeinen Tagesverkehr beginnende Hauptberufsverkehr geschützt ist. Wenn bei nachhaltigem Dauerschneefall oder fortdauerndem eisbildendem Regen das Streuen zwecklos ist, darf es unterbleiben (BGH).
Das Schneeräumen, das Streuen bei Schnee- oder Eisglätte, die Reinigung und die Beleuchtung der Straßen gehören nicht zur Straßenbaulast. In § 3 III des Bundesfernstraßengesetzes und in den Straßen- und Wegegesetzen der Länder ist nur bestimmt, dass die Träger der Straßenbaulast die Straßen bei Schnee- oder Eisglätte räumen und streuen „sollen“. Eine Verpflichtung zur Reinigung, Räumung und zum Streuen sowie eine Schadensersatzpflicht bei Vernachlässigung dieser Verpflichtungen besteht somit nur unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht; hiernach hat jeder, der einen Verkehr eröffnet und in der Lage ist, über die betreffende Sache zu verfügen (auch die öffentlich-rechtlichen Körperschaften), die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz Dritter zu treffen. Eine besondere öffentlich-rechtliche Reinigungs-, Schneeräume- und Streupflicht besteht nach Landesrecht unter bestimmten Voraussetzungen für die Gemeinden hins. der innerhalb der geschlossenen Ortslage gelegenen öffentlichen Straßen. So obliegt es z. B. nach Art. 51 des bayer. Straßen- und Wegegesetzes i. d. F. vom 5. 10. 1981 (GVBl. 448) den Gemeinden, nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit bei allen innerhalb der geschlossenen Ortslage gelegenen öffentlichen Straßen für Beleuchtung, Reinigung, Schneeräumen und Streuen bei Glatteis Sorge zu tragen, soweit nicht Verpflichtungen Dritter auf Grund anderer Rechtsvorschriften - insbes. der Verkehrssicherungspflicht - bestehen und wenn es dringend erforderlich ist. Eine Verletzung dieser Pflicht führt als Amtspflichtverletzung zu Schadensersatz. Häufig ist die Reinigungs-, Räum- und Streupflicht der Gemeinde durch Rechtsverordnung - jedenfalls hins. der Gehsteige - auf die Straßenanlieger überwälzt.
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