Verkehrssicherungspflicht

Jeder, der irgendwelche Gefahrenquellen schafft, muss sich darum kümmern, dass Dritte davon nicht gefährdet werden. Das ist der allgemeine Grundgedanke der Verkehrssicherungspflicht. Wer sich allerdings unbefugt in einen Gefahrenbereich begibt, hat keinen Anspruch auf diese besondere Absicherungspflicht. Zahlreiche unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen sind unter der Verkehrssicherungspflicht zusammengefasst, ein Verstoss dagegen stellt eine unerlaubte Handlung dar und berechtigt entsprechend den Grundsätzen der unerlaubten Handlung zu Ersatzansprüchen. Ein Arzt schafft z. B. bei seiner Behandlung, wenn er diese nicht ordnungsgemäss ausführt, Gefahrenquellen für den Patienten. Es trifft ihn also die Verpflichtung, alle notwendigen Vorkehrungen zum Schutz der Patienten zu treffen. Gleiches gilt z.B. für die Betreiber von Badeanstalten oder bei der Errichtung von Baustellen. Derjenige, der die verantwortliche Bauleitung hat, muss dafür Sorge tragen, dass die Baustelle keine besonderen Gefahrenquellen enthält und dass vor allem Kinder vom Betreten der Baustelle abgehalten werden. Ein Schild »Eltern haften für ihre Kinder« nützt insoweit überhaupt nichts.
Von Gebäuden und Grundstücken können Gefahren ausgehen, z. B. dadurch, dass von einem Gebäude Schnee und Eis auf die Strasse und gegebenenfalls auch auf Autos fällt. Der Eigentümer und gegebenenfalls auch Bewohner des Hauses kommt seiner Verkehrssicherungspflicht nur nach, wenn er sich darum kümmert, dass andere durch die vom Haus ausgehenden Gefahren nicht geschädigt werden. Eine besondere Rolle spielt die Verkehrssicherungspflicht natürlich im gesamten Kraftverkehr. Hier gibt es zwar vielfach besondere gesetzliche Regelungen, soweit diese für Ansprüche nicht in Frage kommen, kann jedoch vielfach auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zurückgegriffen werden. Auch von Sportanlagen oder bei der Sportausübung gehen Gefahren aus. Auch hier muss derjenige, der die Veranstaltung durchführt, rechtzeitig dafür sorgen, dass niemand durch auftretende Gefahren geschädigt wird.

die Pflicht, Orte, die der Allgemeinheit oder einem bestimmten Personenkreis zugänglich sind, zu deren Schutz ausreichend abzusichern. Trifft jeden, der eine mögliche Gefahrenquelle geschaffen hat oder den öffentlichen Verkehr auf einem seiner Verfügung unterstehenden Grundstück duldet (z.B. Abdeckung einer Baugrube, Beleuchtung eines Mietshauses, Streuen bei Glatteis). Die Verletzung der V. führt zu einer Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung. Ein mit der Erfüllung der V. beauftragter Dritter ist laufend zu beaufsichtigen. Die Haftung öffentlich-rechtlicher Körperschaften, insbes. von Staat und Gemeinden, richtet sich bei Verletzung der Staßen-V. nach den Bestimmungen über die Amtshaftung.

bedeutet, daß derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, verpflichtet ist, die Maßnahmen zu treffen, die zur Beseitigung oder Geringhaltung der Gefährdung anderer erforderlich sind. Eine Verletzung der V. führt in der Regel zu Schadensersatzansprüchen.

Bei der Prüfung von § 823 I BGB können die V. an drei verschiedenen Stellen geprüft werden:

• Bei der Verletzungshandlung im Fall des Unterlassens. Ein solches ist dem Schädiger nämlich nur dann vorwerfbar, wenn eine Pflicht zur Handlung besteht. Eine solche Pflicht kann aber auch die V. sein.

• Bei der Rechtswidrigkeit, wenn man nicht der Lehre vom Erfolgsunrecht folgt, da nach dieser die Rechtsgutverletzung die Rechtswidrigkeit indiziert. Nach der Lehre vom Handlungsunrecht würde die Rechtswidrigkeit erst bei einem Verstoß gegen die V. vorliegen.

• Beim Verschulden als Sorgfaltsmaßstab, weil eine V. immer dann verletzt wird, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen bleibt, vgl. § 276 I S.2 BGB. Die V. ist dann Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.

Im Mietrecht:

Den Vermieter trifft eine allgemeine Prüfungs- und Überwachungspflicht für alle Teile des Hausgrundstücks. Er hat Kontrollen und Vorkehrungen zu treffen, dass seine Mieter vertragsgemäß und gefahrlos die Mietsache gebrauchen können. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass beispielsweise die Treppenhausbeleuchtung funktioniert, schadhafte Treppenstufen ausgebessert werden, Hof, Keller und Dachboden keine Gefahren bergen. Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich selbstverständlich auch auf die gesamten Versorgungsleitungen des Hauses sowie Zentralheizung und Warmwasserversorgung. Ebenso hat der Vermieter dafür Sorge zu tragen, dass jederzeit ausreichender Brennstoffvorrat vorhanden ist. Überträgt der Vermieter seine Prüfungs- und Überwachungspflicht auf einen Hausverwalter oder eine Verwaltungsfirma, so wird er im Schadensfall hierdurch nicht haftungsfrei, da er auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB einstehen muss.
Die Verkehrssicherungspflicht ist allerdings für die von seinen Mietern benutzten Räume insofern eingeschränkt, da diese verpflichtet sind, Gefahren und Mängel aus ihrem Wohnbereich dem Vermieter mitzuteilen. Die Verkehrssicherungspflicht des Vermieters bezieht sich nicht nur auf seine Mieter, vielmehr müssen auch sämtliche anderen Personen, wie beispielsweise Lieferanten, Postboten, Besucher der Mieter etc., das Hausgrundstück gefahrlos betreten können. Kommt es zum Schadensfall, kann der Geschädigte gegen den Vermieter dann einen Schadensersatzanspruch geltend machen, wenn dieser seine Sorgfaltspflichten schuldhaft verletzt hat und dies entsprechend nachgewiesen werden kann.
Die Gerichte stellen insofern hohe Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Vermieters. Kann er beispielsweise nicht nachweisen, dass er oder einer seiner Vertreter regelmäßige Kontrollen durchgeführt hat, so liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, wenn Dritte beispielsweise durch herabfallende Dachziegel oder herabstürzende Äste von Grundstücksbäumen verletzt werden.
Der Vermieter kann Teile seiner Verkehrssicherungspflicht, wie beispielsweise die Wegereinigungs- und Streupflicht, vertraglich seinem Mieter übertragen. Verletzt der Mieter schuldhaft die ihm übertragene Pflicht, so kann der Geschädigte sowohl ihn als auch den Vermieter in Anspruch nehmen. Gelingt dem Vermieter allerdings der Nachweis, dass er den Mieter gewissenhaft ausgewählt hat, so haftet nur der Mieter. Sollte dem Vermieter dieser Entlastungsbeweis nicht gelingen, so muss er dem Geschädigten Schadensersatz leisten. In diesem Falle kann der in Anspruch genommene Vermieter allerdings beim Mieter Regress nehmen.
Erleidet der Mieter auf Grund einer ihm bekannten Gefahrenquelle einen Schaden, muss er sich ein Mitverschulden anrechnen lassen (LG Hamburg, WM 88, 405).
Weitere Stichwörter:
Anzeigepflicht Ersatzansprüche des Mieters, Fehler der Mietsache, Hausmeister, Straßenreinigung

. Eine unerlaubte Handlung kann nicht nur durch Tun, sondern auch durch Unterlassen begangen werden. Die Zurechnung von Unterlassungsschäden setzt aber eine Rechtspflicht zum Handeln voraus. Solche Pflichten ergeben sich vielfach aus gesetzlichen Vorschriften u. sonstigen Rechtsnormen. Unabhängig davon besteht für jeden, der im Verkehr eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, die als V. bezeichnete allgemeine Rechtspflicht, diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich u. zumutbar sind, um Gefahren für Dritte abzuwenden. Beispiele: Streuen bei Glatteis, Beleuchtung des Hausflurs, Absicherung einer Baugrube, Wartung u. Kontrolle der Spielgeräte eines öfftl. Kinderspielplatzes. Die V. trifft nicht nur den Eigentümer der gefahrauslösenden Sache, sondern jeden, der rechtlich u. tatsächlich in der Lage ist, über die Sache zu verfügen (z. B. Hausverwalter). Besondere Anforderungen gelten für Gastwirte: Sie müssen bei Glatteis häufiger streuen als Privatleute in vergleichbarer Situation. Besitzer von Skiliften sind aufgrund der V. gehalten, scharfkantige Liftstützen mit Strohmatten oder anderem aufpralldämmendem Material abzusichern.

Bei einer Eigentumswohnung:

Den Vermieter einer Eigentumswohnung (gemeinsam mit den anderen Wohnungseigentümern) trifft eine allgemeine Prüfungsund Überwachungspflicht für alle Teile des gesamten Grundstücks. Er hat entsprechende Kontrollen und Vorkehrungen zu treffen, dass seine Mieter oder deren Besucher oder Dritte vertragsgemäss und gefahrlos die Eigentumswohnung gebrauchen können.

Der Eigentümer ist beispielsweise dafür verantwortlich, dass die Treppenhausbeleuchtung funktioniert, schadhafte Treppenstufen ausgebessert werden, Hof, Keller und Dachboden keine Gefahren bergen. Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich auch auf die gesamten Versorgungsleitungen des Hauses sowie Zentralheizung und Warmwasserversorgung.

Überträgt der Eigentümer (Vermieter) seine Prüfungs- und Überwachungspflicht auf einen Verwalter oder eine Verwaltungsgesellschaft, wird der Eigentümer im Schadensfall hierdurch nicht haftungsfrei. Er haftet für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen gemäss § 278 BGB, für das Verhalten "seines" Verwalters.

Die Schadenersatzansprüche gründen sich aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten gemäss § 823 BGB. Dabei haftet die teilrechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber dem geschädigten Dritten, wenn die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht mit der Vernachlässigung der Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht, das heisst einer Verwaltungsmassnahme, in Zusammenhang zu bringen ist. Anderenfalls haften die Wohnungseigentümer gegenüber dem Dritten persönlich.

Dies gilt nur hinsichtlich der Pflichten aus dem -gemeinschaftlichen Eigentum. Selbstverständlich trifft die Verkehrssicherungspflicht im Bereich des Sondereigentums die einzelnen Wohnungseigentümer.

Diese Verantwortlichkeit für Verkehrssicherungspflichten darf nicht unterschätzt werden, wie eine ältere Entscheidung des BGH (NJW 69, 895) zeigt: "Wer eine Gefahrenquelle schafft oder für sie verantwortlich ist, ist auch verpflichtet, sie zu beseitigen oder Gegenvorkehrungen zu treffen, damit sich die Gefahr nicht zum Schaden anderer auswirkt. Hat er in dieser Hinsicht das Erforderliche getan, so kann ihm die zunächst geschaffene Gefahrenquelle nicht zugerechnet werden, wenn jemand wegen Nichtbeachtung der Sicherungsvorkehrungen dennoch zu Schaden kommt. Die ursprüngliche Gefahrenquelle ist dann nicht mehr adäquat ursächlich für den eingetretenen Schaden."

Der Vermieter einer Eigentumswohnung kann auch Teile seiner Verkehrssicherungspflicht, beispielsweise die Wegereinigungs- und Streupflicht, vertraglich auf seinen Mieter übertragen. Verletzt dieser schuldhaft die ihm übertragene Pflicht, kann der Geschädigte sowohl den Mieter als auch den Vermieter in Anspruch nehmen.

Gelingt allerdings dem Vermieter der Nachweis, dass er den Mieter gewissenhaft ausgewählt hat und auf die Wege- und Streupflicht hingewiesen hat, so haftet nur der Mieter. Sollte dem Vermieter dieser Entlastungsbeweis allerdings nicht gelingen, muss er dem Geschädigten Schadensersatz leisten. In diesem Falle kann der in Anspruch genommene Vermieter (Eigentümer) beim Mieter Regress nehmen.

ist die Pflicht, den Verkehr gegenüber Gefahrenquellen abzusichern. Die V. ist eine Handlungspflicht (§ 823 I BGB), deren Verletzung Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann. Sie verpflichtet jeden, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz Dritter vor Schäden zu schaffen (z. B. Reinigen eines Geschäftseingangs, Beseitigen von Höhenunterschieden zwischen Terrasse und Innenraum einer Gaststätte, Verweigerung des Verkaufs erkennbar gefährlicher Feuerwerkskörper an Kinder im Grundschulalter). Bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften kann diese V. sich - durch ausdrücklichen Organisationsakt, str. - in eine Amtspflicht umwandeln, für deren Verletzung nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG einzustehen ist. Als Amtspflicht sehen die Straßenverkehrssicherungspflicht die meisten Straßengesetze. Lit.: Breloer, H., Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen, 6. A. 2003; Patzelt, C., Verkehrssicherungspflicht, 4. A. 2006; Hendrischke, O., Verkehrssicherungspflicht in Großschutzgebieten, 2003; Schlund, G., Verkehrssicherungspflicht auf öffentlichem Grund, 4. A. 2006

Verkehrspflicht.




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