Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

(Vindikationslage) ist gemäß §§ 987 ff. BGB ein Rechtsverhältnis, dem der Herausgabeanspruch des § 985 BGB als Voraussetzung zugrunde liegt.

Nach § 985 BGB kann der Eigentümer, dem der Besitz an einer beweglichen oder unbeweglichen Sache vorenthalten oder entzogen wurde, die Herausgabe (d.h. Verschaffung des mittelbaren oder unmittelbaren Besitzes) von dem Besitzer verlangen, sofern diesem kein Recht zum Besitz zusteht (§ 986 BGB; Besitzrechf). Das EBV regelt die Themenkomplexe: Ansprüche des Eigentümers auf Herausgabe von Nutzungen und Schadensersatz, Ansprüche des Besitzers auf Ersatz vorgenommener Verwendungen. Für den Umfang der Ansprüche ist entscheidendes Kriterium immer die Redlichkeit des Besitzers bzw. der Eintritt der Rechtshängigkeit. Der Hauptzweck des EBV besteht darin, den redlichen unverklagten Besitzer, der von seiner fehlenden Besitzberechtigung nichts wußte und sich in den Grenzen seines vermeintlichen Besitzrechts gehalten hat, zu schützen, vgl. § 993 I 2. HS BGB. Man geht daher davon aus, daß es sich beim EBV um eine abschließende Sonderregelung handelt. Das belegt auch § 992 BGB, der klarstellt, unter welchen Voraussetzungen eine Haftung des Besitzers nach Deliktsrecht in Betracht kommt. Abschließend kann das EBV aber nur sein, soweit es die betreffende Frage überhaupt regelt; das ist nicht der Fall bzgl.

• der Veräußerung (¦= § 816 I 1 BGB anwendbar),

• der Verarbeitung (¦= §§951, 950 BGB anwendbar) und

• bei Verbrauch der Sache (¦= § 812 I 1. 2.Alt. BGB einschlägig).

Auch § 826 BGB ist unstreitig neben dem EBV anwendbar. Das EBV regelt also nur abschließend den Ersatz von Nutzungen, Verwendungen und den Schadensersatz.

Im Zusammenhang mit dem EBV tauchen immer wieder folgende Begriffe auf:

• nicht-mehr-berechtigter Besitzer ist derjenige Besitzer, der ursprünglich dem Eigentümer gegenüber ein Besitzrecht hatte, dieses aber später verlor (z.B. durch Rücktritt des anderen Teils vom Vertrag). Der BGH wendet in diesem Fall die §§ 987 ff. BGB, sofern keine vertraglichen Sondervorschriften bestehen, auch auf den Zeitraum vor Wegfall des Besitzrechts an. Insbesondere soll der Besitzer nach § 994 BGB Ersatz für vorher auf die Sache gemachte Aufwendungen verlangen können, da der nicht-mehrberechtigte Besitzer in dieser Hinsicht nicht schlechter stehen dürfe als der von Anfang an nicht berechtigte Besitzer.

• nicht-so-berechtigter Besitzer ist eine von der Lit. entwickelte Rechtsfigur und meint die Fälle, in denen der Besitzer dem Eigentümer gegenüber eigentlich zum Besitz berechtigt ist, aber sein Besitzrecht überschreitet (z.B. unberechtigte Untervermietung einer Wohnung durch den Mieter). Es sollen dann wie beim normalen EBV die §§ 987 ff. BGB zur Anwendung kommen. Von der h.M. wird diese Ansicht abgelehnt, da wegen der ausreichenden vertraglichen und gesetzlichen Haftungsansprüche für sie kein Bedürfnis besteht. Außerdem wird alleine durch die Verletzung des Besitzrechts noch nicht dieses selbst beseitigt.

• unentgeltlicher Besitzer. Nach § 988 BGB muß der redliche Besitzer, der den Besitz unentgeltlich erlangt hat, dem Eigentümer alle Nutzungen herausgeben, soweit er noch bereichert ist (Rechtsfolgenverweisung auf §818 11, III BGB). Der gesetzliche Eigentumserwerb an den Früchten nach § 955 I BGB erweist sich daher in diesem Fall als nicht kondiktionsfest.

, Abk. EBV: In den §§987-1003 BGB geregeltes gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem unrechtmäßigen Besitzer einer beweglichen oder unbeweglichen Sache. Die in den §§ 987 ff. BGB geregelten Ansprüche des Eigentümers auf Herausgabe der Nutzungen und Schadensersatz sowie die Gegenansprüche des Besitzers auf Ersatz seiner Verwendungen sind — im Gegensatz zum Herausgabeanspruch aus § 985 BGB — keine dinglichen Ansprüche, sondern schuldrechtliche. Die Ansprüche aus dem EBV gehen daher im Falle eines Eigentumswechsels nicht kraft Gesetzes auf den Erwerber über und erlöschen auch nicht durch Besitzverlust; sie sind vielmehr selbständig abtretbar und können verpfändet und gepfändet werden.
Der Regelungszweck der §§987 ff. BGB besteht primär in der Privilegierung des redlichen und unverklagten unrechtmäßigen Besitzers. Schadensersatzansprüchen des Eigentümers soll er grundsätzlich nicht ausgesetzt sein, weil er nicht vorwerfbar davon ausgehen durfte, eine eigene Sache beschädigt zu haben. Die Nutzungen der Sache soll er ebenfalls behalten dürfen, sofern der Besitzerwerb unentgeltlich erfolgte. Durch diese Bevorzugung des redlichen vor dem unredlichen Besitzer soll der Verkehrs- und Vertrauensschutz gestärkt und insbesondere die Härten der Vorschrift des § 935 BGB gemildert werden, die einen gutgläubigen Eigentumserwerb bei abhanden gekommenen Sachen kategorisch ausschließt.
Wann der Besitzer redlich und wann er unredlich ist, beantwortet das Gesetz in § 990 Abs. 1 BGB. Bösgläubig (unredlich) ist der Besitzer nach dessen Satz 1 dann, wenn ihm beim Erwerb des Besitzes hinsichtlich des eigenen (fehlenden) Besitzrechtes Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt (vgl. § 932 Abs. 2 BGB); später schadet nur noch positive Kenntnis vom fehlenden Besitzrecht, vgl. § 990 Abs. 1 S. 2 BGB. Dem bösgläubigen Besitzer steht der auf Herausgabe der Sache verklagte Besitzer gleich (vgl. §§ 987, 989: „Eintritt der Rechtshängigkeit”, d. h. Zustellung der Klageschrift an den Beklagten, vgl. §§261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO).

Die Regelungen des EBV enthalten grundsätzlich eine abschließende Sonderregelung hinsichtlich der in den §§ 987 ff. BGB behandelten Ansprüche. Das Deliktsrecht kommt grundsätzlich nur über den Verweis in § 992 BGB für den deliktischen Besitzer zur Anwendung (arg. § 993 Abs. 1 BGB a.E.). Die §§ 823 ff. BGB gelten daneben nach h.M. nur in den Fällen eines sog. Fremdbesitzerexzesses, in dem der Fremdbesitzer sein (vermeintliches) Besitzrecht überschreitet; das folgt für den berechtigten Fremdbesitzer schon aus dem Fehlen der Vindikationslage und der dadurch bedingten Unanwendbarkeit der §§ 987 ff. BGB; für den unrechtmäßigen Fremdbesitzer ist die Anwendung der §§ 823 ff. BGB mit Blick auf die Vorschrift des § 991 Abs. 2 BGB geboten. Das Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) wird durch das EBV nur insoweit verdrängt, als Letzteres eine eigenständige Regelung enthält. Dies ist beispielsweise dann nicht der Fall, wenn der Besitzer die Sache verbraucht und nicht nur i. S. d. §§987 f. BGB nutzt (§§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Var.; 818 Abs. 2 BGB); gleiches gilt, wenn der Besitzer die Sache an einen gutgläubigen Dritten veräußert (§ 816 Abs. 1 BGB) oder verarbeitet (§§951 Abs. 1 S. 1, 812 Abs. 1
S. 1, 2. Var. BGB).

Gemeinsame Voraussetzung aller Ansprüche aus dem EBV ist das Bestehen einer sog. Vindikationslage grundsätzlich im Zeitpunkt des Umstandes, aus dem die jeweilige Rechtsfolge hergeleitet wird. Dem Eigentümer muss in diesem Moment ein durch kein Besitzrecht gern. § 986 BGB gehinderter Eigentumsherausgabeanspruch aus § 985 BGB gegen den Besitzer zustehen. Dies ergibt sich aus der systematischen Stellung der §§ 987 ff. BGB hinter den §§ 985, 986 BGB und entspricht der dem EBV zugrundeliegenden Unterscheidung zwischen dem redlichen und dem unredlichen Besitzer. Von diesem Grundsatz „ausgehend werden zwei Ausnahmen diskutiert: (1) „Nichtmehr-berechtigter Besitzer”: Nach Auffassung der Rechtsprechung (grundlegend BGHZ 34, 122 ff., „Kleinbusfall”) soll es genügen, dass die Vindikationslage zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs aus EBV besteht; andernfalls könne ein unrechtmäßiger Besitzer, der zum Zeitpunkt der Vornahme von Verwendungen noch zum Besitz berechtigt war, diese später nicht ersetzt verlangen und stünde damit schlechter als ein von vornherein unberechtigter Besitzer; dies gelte aber nur dann, wenn das besitzbegründende Rechtsverhältnis keine eigene Regelung enthalte. (2) „Nicht-so-berechtigter Besitzer”: Von einem solchen spricht man, wenn der Besitzer zwar ein Besitzrecht innehat, dieses aber überschreitet. Teilweise wird in derartigen Fällen eine analoge Anwendung der §§ 987 ff. BGB befürwortet; hierfür besteht indes kein Bedürfnis, da die Vorschriften über die Vertragsverletzung (§§ 280 ff. BGB) und das Delikts-recht (§§ 823 ff. BGB) dem Eigentümer ausreichenden Schutz vermitteln.
Im Einzelnen ergeben sich aus dem EBV folgende Ansprüche:
1) Der Eigentümer kann von dem unrechtmäßigen Besitzer Herausgabe von Nutzungen verlangen — ab Rechtshängigkeit gem. § 987 BGB
— bei Bösgläubigkeit gern. §§ 987, 990 Abs. 1 BGB
— bei unentgeltlichem Besitz gern. § 988 BGB
— bei rechtsgrundlos erlangtem Besitz analog § 988 BGB (Rspr., sehr str.)
— bei deliktischem Besitz gem. §§ 992, 823 ff. BGB
— bei redlichem Besitz gern. § 993 BGB i.V.m. §§ 818 ff. BGB (Rechtsfolgenverweis).
— Herausgabe der Nutzungen bedeutet Uhereignung der noch unterscheidbar beim Besitzer vorhandenen Früchte oder Wertersatz.
2) Schadensersatz kann der Eigentümer vom unrechtmäßigen Besitzer verlangen
— ab Rechtshängigkeit gem. § 989 BGB
— bei Bösgläubigkeit gern. §§ 989, 990 Abs. 1 BGB
— bei Verzug mit der Herausgabe der Sache gern. § 990 Abs. 2 i.V.m. §§ 280, 286, 287 BGB
— bei gutgläubigem Fremdbesitz gern. § 991 Abs. 2 BGB
— bei deliktischem Besitz gern. §§ 992, 823 ff. BGB
3) Ein Anspruch auf Ersatz von Verwendungen gegen den Eigentümer besteht
— bei notwendigen Verwendungen des gutgläubigen Besitzers gem. § 994 Abs. 1 BGB
— bei notwendigen Verwendungen des verklagten oder bösgläubigen Besitzers gern. § 994 Abs. 2 i.V. m. §§683, 684 BGB (partielle Rechtsgrundverweisung auf die §§ 677 ff. BGB; ein Fremdgeschäftsführungswille gern. § 687 Abs. 1 BGB ist nicht erforderlich)
— bei nützlichen Verwendungen des gutgläubigen Besitzers gern. § 996 BGB.
Die Geltendmachung des Verwendungsersatzanspruch kann auf zweierlei Weise erfolgen: Eine selbständige Geltendmachung kommt nur unter den Voraussetzungen der §§ 1001 — 1003 BGB, also unter einer aufschiebenden (§ 1001 BGB) und einer auflösenden (§ 1002 BGB) Bedingung in Betracht; andernfalls kann der Besitzer seinen Verwendungsersatzanspruch lediglich als Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 BGB gegen den Herausgabeanspruch des Eigentümers aus § 985 BGB geltend machen.

Eigentumsherausgabeanspruch.




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