Teilnichtigkeit
Ist ein Teil eines Rechtsgeschäftes (z.B. eines Vertrags, einer Bevollmächtigung) nichtig (Nichtigkeit), so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde, § 139 BGB. Die T. kann sich z.B. auf Einzelbestimmungen eines Vertrages beziehen (Bsp.: Bei einem Darlehensvertrag ist die Bestellung des Pfandrechtes nichtig), ferner auf die Teilnahme einer von mehreren Personen auf derselben Seite (Beispiel: Drei junge Männer mieten gemeinschaftlich ein Auto; einer von ihnen ist noch minderjährig). Wichtige Ausnahmen von der Regel: Verstösst bei einem Arbeitsvertrag eine einzelne Abrede gegen ein Gesetz (z.B. Kündigungsschutzgesetz), so ist der Vertrag im übrigen gültig; an die Stelle der nichtigen Abrede tritt die gesetzliche Regelung. Bei einem Testament führt die Nichtigkeit einer einzelnen Verfügung nur zur Nichtigkeit der übrigen, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser diese ohne die unwirksame Verfügung nicht getroffen haben würde, § 2085 BGB.
Im Arbeitsrecht:
eines Rechtsgeschäfts führt nach § 139 BGB regelmässig zu dessen vollständiger Nichtigkeit. Dieser Grundsatz hat im Arbeitsvertrag die Einschränkung erfahren, dass das Rechtsgeschäft dann wirksam bleibt, wenn teilweise gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstossen wurde. Alsdann werden die unwirksamen Bedingungen durch die Vorschriften des Gesetzes ersetzt. Nur so kann verhindert werden, dass sich der AN-Schutz in sein Gegenteil verkehrt (DB 75, 1417).
ist die Nichtigkeit eines Teiles einer Handlung. Im Privatrecht hat die Nichtigkeit eines Teiles eines Rechtsgeschäfts die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts zur Folge, wenn nicht anzunehmen ist, dass das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde (§ 139 BGB). Im Verwaltungsrecht ist ein teilnichtiger Verwaltungsakt im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte (§ 44 IV VwVfG). Lit.: Gaedertz, C., Die Teilnichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Verträge, 1994; Kintrup, L., Teilnichtigkeit von Rechtsnormen, 1999
liegt vor, wenn sich Gründe für eine Nichtigkeit nur auf Teile eines Rechtsgeschäfts beschränken. Das Problem der Teilnichtigkeit kann bei einheitlichen Rechtsgeschäften auftreten, die teilbar sind. Die Teilbarkeit ist gegeben, wenn bei Wegfall des von der Nichtigkeit betroffenen Teils des Rechtsgeschäfts ein Rest verbleibt, der als selbstständiges Rechtsgeschäft verbleiben kann.
Ist etwa eine einzelne vertragliche Regelung zur Haftung einer Partei für die Vertragspflichtverletzungen nichtig, kann der Vertrag (ggf. mit den gesetzlichen Haftungsregeln) auch ohne diese Klausel Bestand haben. Führt dagegen ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (1138 Abs. 2 BGB, Wucher) zur Nichtigkeit des Geschäfts, geht es um die Gegenleistung insgesamt, so dass das Rechtsgeschäft nicht etwa in einen unbedenklichen Teil mit „gerechter” Gegenleistung und einen im Übrigen wucherischen Teil geteilt werden kann.
Probleme der Teilnichtigkeit treten aber auch auf, wenn von mehreren selbstständigen, durch den Willen der Parteien zu einer Geschäftseinheit verklammerten Rechtsgeschäften eines nichtig ist. Eine solche Verklammerung ist gegeben, wenn das eine Geschäft von den Parteien nicht ohne das andere gewollt ist.
Derart verklammert können etwa ein Geschäftsbesorgungsvertrag und die zur Ausführung des Vertrags erteilte Vollmacht sein. Keine Verklammerung kann dagegen zwischen kausalem Verpflichtungsgeschäft und der seiner Erfüllung dienenden abstrakten Verfügung angenommen werden, da das Abstraktionsprinzip insoweit gerade eine rechtliche Trennung verlangt (str.).
Wie sich eine Teilnichtigkeit auf das Rechtsgeschäft als Ganzes bzw. auf die mit dem nichtigen Rechtsgeschäft zu einer Geschäftseinheit verklammerten anderen Rechtsgeschäfte auswirkt, richtet sich zunächst nach dem für diesen Fall erklärten Willen der Parteien. So kann z.B. in einer salvatorischen Klausel vereinbart werden, dass die übrigen Teile des Rechtsgeschäfts ohne den unwirksamen Teil wirksam bleiben sollen.
Eine solche salvatorische Klausel lautet etwa: „Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrags nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sein, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Soweit Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Bestimmungen.”
Fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung, ist durch (ergänzende) Auslegung der hypothetische Parteiwille zu ermitteln. Lassen sich hierfür keine Anhaltspunkt finden, ist nach der Auslegungsregel des § 139 BGB davon auszugehen, dass die Nichtigkeitsfolge das Rechtsgeschäft insgesamt bzw. alle zu einer Geschäftseinheit verklammerten Rechtsgeschäfte erfasst, wenn nicht anzunehmen ist, dass das Geschäft (von jedermann) auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen würde.
Hiervon abweichende Auslegungsregeln gibt es für den Fall ganz oder teilweise unwirksamer allgemeiner Geschäftsbedingungen (§ 306 BGB) und für die Teilnichtigkeit bei erbrechtlichen Rechtsgeschäften (H 2085, 2270, 2298 Abs. 1, 3 BGB).
Nichtigkeit von Rechtsgeschäften (2).
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