Unternehmerrückgriff
Die Vorschriften der §§ 478, 479 BGB ermöglichen beim Verbrauchsgüterkauf demjenigen Unternehmer, der als Letztverkäufer beim Verkauf neu hergestellter Sachen vom Verbraucher eine mangelhafte Kaufsache zurücknehmen musste oder auf Minderung des Kaufpreises in Anspruch genommen wurde, einen Rückgriff gegenüber seinem jeweiligen Verkäufer. Durch die Vorschriften soll in Umsetzung der Verbrauchsgüterrichtlinie sichergestellt werden, dass die dem Verbraucher durch die Sonderregelungen des Verbrauchsgüterkaufs eingeräumten Sonderrechte nicht zu alleinigen Lasten des Einzelhandels als regelmäßigem Letztverkäufer der Waren gehen.
Im Einzelnen gilt für den Rückgriff des Unternehmers gegen seinen Lieferanten Folgendes:
Nach § 478 Abs.1 BGB kann der Unternehmer gegenüber seinem Lieferanten die Gewährleistungsanspräche aus § 437 BGB geltend machen, ohne dass es der ansonsten erforderlichen Fristsetzung bedarf, wenn er die verkaufte neu hergestellte Sache infolge eines Mangels vom Verbraucher zurücknehmen musste oder dieser den Kaufpreis gemindert hat.
Die Zurücknahmeverpflichtung des Unternehmers kann ihre Ursache dabei
- in einem Nacherfüllungsverlangen des Verbrauchers
nach §§ 437, 439 BGB in Form der Ersatzlieferung - oder im Rücktritt des Verbrauchers vom Kaufvertrag nach §§ 437, 323 BGB
- oder in einem Schadensersatzverlangen des Verbrauchers nach §§437, 440, 280, 281, 283, 311a BGB haben.
Durch die Formulierung „zurücknehmen musste” in § 478 Abs. 1 wird sichergestellt, dass der Unternehmer beim Lieferanten keine Rückgriffsmöglichkeit für sog. Kulanzumtäusche hat.
Der Unternehmer kann nach § 478 Abs. 1 BGB also vom Vertrag mit dem Lieferanten zurücktreten, ohne diesem vorher die sonst im Rahmen des Rücktritts nach § 323 Abs. 1 BGB erforderliche „angemessene Frist” zur Leistung oder zur Nacherfüllung setzen zu müssen.
§478 Abs. 2 BGB gibt dem Unternehmer eine eigenständige Anspruchsgrundlage hinsichtlich des Ersatzes derjenigen Aufwendungen, die er im Verhältnis zum Verbraucher nach § 439 Abs. 2 BGB zu tragen hatte, wenn der Mangel bereits bei Gefahrübergang auf den Unternehmer vorhanden war.
Die Beweislastumkehr des § 476 BGB findet beim Rückgriff auch im Verhältnis Unternehmer-Lieferant Anwendung. Allerdings mit der Maßgabe, dass die sechsmonatige Frist nicht bei Übergabe der Kaufsache auf den Unternehmer, sondern erst mit Gefahrübergang aufden Verbraucher beginnt (§ 478 Abs. 3 BGB). Die Rückgriffsansprüche des Unternehmers gegen den Lieferanten und ihre Verjährung (s. u.) sind lediglich eingeschränkt dispositiv. So sind von der gesetzlichen Regelung der §§ 433 bis 435, 437, 439 bis 443, 478 Abs. 1, 2, 3, 479 BGB abweichende vertragliche Vereinbarungen vor Mitteilung des Mangels an den Lieferanten unwirksam, wenn dem Rückgriffsgläubiger nicht im Gegenzug ein gleichwertiger Ausgleichsanspruch eingeräumt wird. Ausnahme ist der Anspruch auf Schadensersatz nach § 437 Nr. 3 BGB. Diese Grundsätze dürfen auch nicht durch entsprechende Umgehungsgestaltungen unterlaufen werden (§ 478 Abs. 4 BGB).
Nach §478 Abs. 5 BGB gelten die Vorschriften über den Unternehmerrückgriff auch für die Ansprüche des Lieferanten und der übrigen Käufer (Zwischenhändler) in der Leistungskette, sofern ihr jeweiliger Verkäufer ebenfalls ein Unternehmer ist. Die Vorschrift ermöglicht also letztlich die Weitergabe einer mangelhaften Sache innerhalb der Lieferkette vom Verbraucher bis zurück zum Hersteller.
Nach §478 Abs. 6 BGB bleibt die kaufmännische Rüg,epflicht des § 377 HGB im Rahmen des Unternehmerrückgriffs unberührt. Unterlässt es also einer der Unternehmer innerhalb der Verkäuferkette bereits auf dem „Hinweg” der Ware zum Verbraucher, einen Mangel der Ware, den er kannte oder bei sorgfältiger Warenuntersuchung hätte erkennen können, zu rügen, so ist ihm nach § 377 Abs. 2 HGB der Rückgriff verwehrt, wenn die Ware innerhalb der Rückgriffskette vom Käufer an ihn zurückgegeben wird. Hinsichtlich der Verjährung der Rückgriffsansprüche gilt nach § 479 BGB Folgendes:
* Die AufWendungsersatzansprüche des Unternehmers nach § 478 Abs. 2 BGB verjähren innerhalb von zwei Jahren ab Ablieferung der Sache beim Unternehmer (§479 Abs. 1 BGB), frühestens jedoch zwei Monate nach dem Zeitpunkt, an dem der Unternehmer die Ansprüche des Verbrauchers erfüllt hat, spätestens fünfJahre nach Ablieferung der Kaufsache beim Unternehmer (s. u.).
* Hinsichtlich der Verjährung der Ansprüche des Unternehmers gegen seinen Lieferanten aus den §§437, 478 Abs. 2 BGB enthält die Vorschrift des § 479 Abs. 2 BGB eine Ablaufhemmung. Danach verjähren die Ansprüche frühestens zwei Monate nach Erfüllung der Ansprüche des Verbrauchers, spätestens jedoch nach Ablauf von fünf Jahren nach Lieferung der Kaufsache an den in Anspruch genommenen Unternehmer.
Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die vom Lieferanten an den Unternehmer gelieferte Kaufsache mitunter einige Zeit in dessen Lager verbleibt, bevor sie an den Endverbraucher oder einen Zwischenhändler veräußert wird. Die Ablaufhemmung des § 479 Abs. 2 BGB tritt nach wohl h. M. auch dann ein, wenn die Ansprüche des Unternehmers gegen den Lieferanten bereits verjährt sind; „Hemmung” ist insoweit nicht i. S. d. § 209 BGB zu verstehen.
* Die Verjährungsbestimmungen gelten nach § 479 Abs. 3 auch für die übrigen Zwischenhändler in der Leistungskette, wenn es sich bei ihren Verkäufern ebenfalls um einen Unternehmer handelt.
Prüfungsschema §§ 478, 479 BGB:
* Kaufgegenstand = neu hergestellte Sache
* Pflicht des Käufers zur Rücknahme/Duldung der Minderung („musste”)
* Mangel bei Gefahrübergang auf Unternehmer (beachte § 478 Abs. 3 i.V.m. § 476 BGB)
* Nicht: Fristsetzung, § 478 Abs. 1 BGB
* Kein Gewährleistungsausschluss (insbesondere nach § 478 Abs. 4 BGB i.V.m. § 377 HGB)
* Keine Verjährung, § 479 BGB
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