Zwangsbehandlung

ärztliche Untersuchung oder
Behandlung einer Person gegen ihren Willen ist nur in den gesetzlichen Ausnahmefällen zulässig (Duldungspflicht). Beispiele: Für Geschlechtskranke nach dem Geschlechtskrankheitengesetz; für Soldaten nach dem Soldatengesetz; bei selbstgefährlichen oder ansteckend kranken Gefangenen, Seuchenkranken nach dem Bundesseuchengesetz (Seuchengesetz) ; bei Personen, die nach dem Verwahrungsgesetz der Länder (wegen Gemeingefährlichkeit oder Geisteskrankheit) untergebracht sind. Auch im Gerichtsverfahren sind bestimmte Untersuchungen zu dulden (z. B. Entnahme von Blutproben). Massnahmen der Zw. müssen notwendig, zumutbar und ohne erhebliche Gesundheits- oder Lebensgefahr sein.

1.
Z. ist eine diagnostische oder therapeutische Maßnahme eines Arztes ohne oder gegen den Willen des Betroffenen. Dies ist der Fall, wenn der einwilligungsfähige Betroffene die Einwilligung verweigert, bei einem nicht einwilligungsfähigen Betroffenen die Einwilligung eines Bevollmächtigen, Betreuers oder Sorgerechtsinhabers fehlt und auch eine mutmaßliche Einwilligung des Betroffenen in eine Notfallbehandlung nicht anzunehmen ist (Einwilligung des Patienten). Da die Z. einen Eingriff in die Freiheit der Person und die körperliche Unversehrtheit darstellt, bedarf sie einer gesetzlichen Grundlage. Dies gilt auch bei Unterbringung oder sonstiger Freiheitsentziehung.

2.
Zur körperlichen Untersuchung und Entnahme einer Blutprobe berechtigen § 372 a ZPO (Abstammungsgutachten) und §§ 81 a, 81 c StPO (körperliche Untersuchung im Prozess 1 a, b). Untersuchung und Einweisung in ein Krankenhaus können nach §§ 26 ff. InfektionsschutzG bei übertragbaren Krankheiten angeordnet werden (Quarantäne). Wehrpflichtige müssen Untersuchungen bei der Musterung dulden (§ 17 WPflG). Soldaten und Zivildienstleistende dürfen sich Maßnahmen zur Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten nicht widersetzen (§ 17 SG, § 40 II Ges. über den Zivildienst).

3.
Die zivilrechtliche Unterbringung (Anstaltsunterbringung, 1) für sich allein berechtigt nicht zur Z.; eine Beobachtung in einem psychiatrischen Krankenhaus (2), die durch Vorführung oder Unterbringung erzwungen werden kann, ist unter den Voraussetzungen von §§ 322, 283 f. FamFG zulässig. Für die öffentlich-rechtliche Unterbringung (Anstaltsunterbringung, 4) sehen die Unterbringungsgesetze zumeist eine Z. für die Krankheit, die Anlass der Unterbringung ist, vor. Bei der strafrechtlichen Unterbringung nach § 81 StPO, § 73 JGG ist nur die Beobachtung in einem psychiatrischen Krankenhaus (1) erlaubt. Im Strafvollzug sowie im Vollzug von freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (1 bis 4) und von Untersuchungshaft ist eine Z., auch eine Zwangsernährung, bei Lebens- oder schwerwiegender Gesundheitsgefahr zulässig (z. B. Art. 108 BayStVollzG Strafvollzug, Art. 21 BbgUVollzG Untersuchungshaft, §§ 101, 130, 138, 178 StVollzG). Die Vollzugsbehörde ist aber zur Z. nicht verpflichtet, solange von einer freien Willensbestimmung des Betroffenen ausgegangen werden kann. Die Z. darf nicht mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden sein. In diesem Fall ist für den ärztlichen Eingriff die Einwilligung (s. o.) erforderlich, ebenso bei Überschreitung der zulässigen Z.

4.
Von der Z. zu unterscheiden sind nicht erzwingbare Duldungspflichten, deren Verletzung nur Rechtsnachteile zur Folge hat. So kann z. B. bei Soldaten und Zivildienstleistenden die Ablehnung anderer als der genannten ärztlichen Maßnahmen zur Versagung einer zustehenden Versorgung führen. Verweigert ein Beamter nach einem Dienstunfall die Heilbehandlung, kann ihm Unfallfürsorge versagt werden (§§ 33, 44 BeamtVG). Im Sozialrecht kann die Verweigerung einer Untersuchung, die zur Entscheidung über die Sozialleistung erforderlich ist, zu deren Versagung oder Entziehung führen (§§ 62, 65, 66 SGB I).




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