Abwägungsgebot

Ausprägung der planerischen Gestaltungsfreiheit einer Gemeinde bei der Aufstellung von Bauleitplänen, darf gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden (Abwägungsfehlerlehre). Die
Gemeinde hat gern. § 1 Abs. 7 BauGB die im Plangebiet vorhandenen öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§2 Abs. 3 BauGB). Unterschieden wird in Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis. Der Abwägungsvorgang beginnt mit der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials, d. h. der öffentlichen und privaten Belange. Die als planungserheblich erkannten Belange sind sodann zu gewichten und zu bewerten. Daraufhin sind sie gegeneinander und untereinander abzuwägen, indem sie zueinander in Beziehung gesetzt werden. Ergebnis dieser Abwägung ist das Abwägungsergebnis, das den Inhalt des Bauleitplans bildet. Das Abwägungsgebot steuert damit die Bauleitplanung sowohl verfahrensrechtlich als auch inhaltlich und gibt der im Übrigen autonomen planerischen Entscheidung der Gemeinde zugleich die erforderliche verfassungsrechtliche Grundlage. Die im Bereich des Bauplanungsrechts entwickelten Grundsätze des Abwägungsgebotes gelten für sämtliche Bereiche öffentlich-rechtlicher Planung, unabhängig von einfach-gesetzlichen Regelungen. Es handelt sich um allgemeine Anforderungen, die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Rechtsstaat) ergeben.

1.
Der Grundsatz, dass bei (möglicher, drohender oder bereits eingetretener) Kollision von Rechtsgütern oder Interessen eine Gewichtung der widerstreitenden Gesichtspunkte im Wege der Güterabwägung (Interessenwertung) vorzunehmen ist, gilt für alle Rechtsbereiche, in denen sich solche Gegensätzlichkeiten ergeben können. Die Abwägung öffentlicher und privater Belange gegeneinander oder untereinander ist weitgehend Ermessen und damit auch dessen Grenzen unterworfen. Auch bei der Feststellung der immanenten Schranken der Grundrechte sind die widerstreitenden Grundrechte gegeneinander abzuwägen.

2.
Das A. hat in vielen gesetzlichen Regelungen seinen Niederschlag gefunden (vgl. für das Strafrecht §§ 34, 35 StGB; Notstand 1 a, Notwehr 1 a; Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Widerstandsrecht), ist aber darüber hinaus als Leitgedanke auch in anderen Kollisionsfällen allen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen zugrundezulegen.

3.
Besondere Bedeutung hat das A. in allen planungs-, raum- und umweltorientierten Gesetzen und Verwaltungsverfahren erlangt; Abwägungsdefizite oder Abwägungsdisproportionalitäten führen hier häufig zur Rechtswidrigkeit und damit Aufhebung von Verwaltungsentscheidungen. Besondere Bedeutung hat das A. bei der Aufstellung von Bauleitplänen. Nach § 1 VII BauGB sind hierbei „die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen“. Die wichtigsten Belange für die Abwägung sind in § 1 VI BauGB aufgezählt. Der umfassenden und gerechten Abwägung dient auch die Beteiligung der Bürger (§ 3 BauGB) und der Träger öffentlicher Belange (zur Beachtlichkeit von Versäumnissen vgl. §§ 214-216 BauGB). Trotz umfassender Abwägungspflicht bleibt aber eine gewisse planerische Gestaltungsfreiheit. Beachtliche Abwägungsfehler führen im Verfahren der Normenkontrolle gem. § 47 VwGO zur Nichtigerklärung des Bebauungsplans. S. ferner Planfeststellung, Übermaßverbot.




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