Normenkontrolle
das Verfahren zur Nachprüfung von Rechtsnormen, und zwar hinsichtlich ihres Zustandekommens und ihres Inhalts. Man unterscheidet: a) abstrakte N., bei der die Vereinbarkeit einer Norm mit einer höherrangigen Norm (Verfassung bricht Bundesrecht, Landesrecht) nachgeprüft wird; b) konkrete N., bei der die Nachprüfung der Rechtsnorm nur insoweit erfolgt, als sie in einem bestimmten Rechtsstreit entscheidungserheblich ist; N. üben das Bundesverfassungsgericht, die Verfassungsgerichte der Länder, unter Umständen die Oberverwaltungsgerichte aus (Popularklage, Verfassungsbeschwerde).
Richterliches Prüfungsrecht Verfassungsbeschwerde
ist die gerichtliche Überprüfung einer Rechtsnorm auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht. Grundsätzlich ist es Sache eines jeden Gerichts, darüber zu befinden, ob eine von ihm anzuwendende Vorschrift gültig ist oder nicht. Hält ein Gericht jedoch ein nachkonstitutionelles (d. h. nach Inkrafttreten der Verfassung ergangenes) formelles Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei seiner Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so kann es sich darüber nicht hinwegsetzen; es besteht vielmehr in diesen Fällen gem. Art. 100 GG ein verfassungsgerichtliches Verwerfungsmonopol. Das Gericht ist daher verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des zuständigen Verfassungsgerichts einzuholen: des Bundesverfassungsgerichts bei Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz, des Landesverfassungsgerichts bei Verstoss gegen die Landesverfassung. Neben dieser durch ein bestimmtes gerichtliches Verfahren ausgelösten "konkreten" N. sieht das Grundgesetz in Art. 93 I Nr. 2 eine "abstrakte", d.h. von einem konkreten Verfahren losgelöste N. vor. Danach entscheidet das Bundesverfassungsgericht auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Bundestages bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder über die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrecht. Sowohl bei der konkreten als auch bei der abstrakten N. hat die Ent-
Scheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Gültigkeit bzw. Nichtigkeit der Norm Gesetzeskraft (§ 31 II BVerfGG). Eine weitergehende Möglichkeit abstrakter N. eröffnet § 47 VwGO. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) im Rahmen seiner Zuständigkeit auf Antrag über die Gültigkeit von Rechtsnormen, die im Rang unter dem Landesgesetz stehen (d.h. Rechtsverordnungen u. Satzungen), sofern das Landesrecht dies bestimmt (§ 47 I Nr. 2 VwGO). Von dieser Ermächtigung haben die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen u. Schleswig-Holstein Gebrauch gemacht. In allen Bundesländern kann das Oberverwaltungsgericht gem. § 47 I Nr. 1 VwGO ferner angerufen werden zur Nachprüfung von Satzungen (in Berlin, Bremen u. Hamburg: zur Nachprüfung von Rechtsverordnungen), die nach den Vorschriften des Baugesetzbuches erlassen worden sind (also insbes. Bebauungspläne, Baurecht). Antragsberechtigt ist jeder, der durch die Rechtsnorm oder deren Anwendung einen Nachteil erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten hat, sowie jede Behörde (§ 47
I VwGO).
ist die Überprüfung einer Norm (Rechtsnorm) durch ein Gericht dahin, ob sie mit einer im Rang über ihr stehenden Rechtsnorm vereinbar ist. Die N. geschieht bei Gesetzen vor allem durch die Verfassungsgerichte. Dabei ist die abstrakte N. die Überprüfung einer Rechtsnorm unabhängig von einem konkreten Einzelfall. Sie kann vor dem Bundesverfassungsgericht nur auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Bundestags (Art. 93 I Nr. 2 GG) und vor dem Landesverfassungsgericht nur nach dem jeweiligen Landesverfassungsrecht erfolgen. Bei der konkreten N. wird die Gültigkeit einer Rechtsnorm in einem konkreten Einzelfall überprüft. Hier muss ein Gericht, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, das Verfahren aussetzen und die Entscheidung des zuständigen Verfassungsgerichts (Landesverfassungsgericht, Bundesverfassungsgericht) einholen (Art. 100 GG), wobei gegenüber einer Unzulässigkeitsentscheidung des Verfassungsgerichts eine Gegenvorstellung durch das vorlegende Gericht unzulässig ist. Bei einer bundesrechtlichen Rechtsverordnung entscheidet das Gericht selbst ohne Vorlage. Uber die Gültigkeit von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 II BauGB entscheidet auf Antrag das Oberverwaltungsgericht (§ 47 I Nr. 1 VwGO). Für landesrechtliche, im Rang unter dem Landesgesetz stehende Normen kann gemäß § 47 I Nr. 2 VwGO durch Landesgesetz ein subsidiäres Verfahren zur abstrakten N. vor dem Oberverwaltungsgericht eingeführt werden, in dem die Gültigkeit solcher Rechtsnormen überprüft wird (so z. B. in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Schleswig-Holstein). Den Antrag kann jede durch die Rechtsvorschrift möglicherweise betroffene Person sowie jede Behörde innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Daneben kann im konkreten Einzelfall das jeweilige Gericht die Rechtswidrigkeit einer solchen Norm selbst feststellen. Lit.: Kamp, W., Das Verhältnis von verfassungsgerichtlichen und verwaltungsgerichtlichen Normkontrollver- fahren, 1995; Gril, P., Normprüfungs- und Normver- werfungskompetenz der Verwaltung, JuS 2000, 1080; Kintz, R., Die Normenkontrolle nach § 47 VwGO, JuS 2000, 1099; Graßhof, M., Die Vollstreckung von Normenkontrollentscheidungen, 2003
1.
N. ist die gerichtliche Überprüfung der Gültigkeit von Rechtsvorschriften (Gesetzen im materiellen Sinn). Grundsätzlich ist jedes Gericht berechtigt und verpflichtet, die formelle und materielle Gültigkeit einer Rechtsnorm, auf die es in einem Verfahren ankommt, selbst zu überprüfen (richterliches Prüfungsrecht), außer wenn die N. einem anderen Gericht, insbes. einem Verfassungsgericht, übertragen ist. Das ist in erheblichem Umfang der Fall: Nach Art. 93 I Nr. 2 GG entscheidet bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche oder sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit dem GG oder über die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrecht auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Bundestags das Bundesverfassungsgericht (sog. „abstrakte“ - d. h. nicht im Zuge eines konkreten anderen Verfahrens notwendige - N.). Hält das BVerfG das Gesetz für verfassungswidrig, so erklärt es dieses für nichtig; die Entscheidung hat Gesetzeskraft (§ 31 BVerfGG). Wenn durch die Nichtigerklärung eine Regelungslücke entstünde, lässt das BVerfG die verfassungswidrige Norm bestehen und gibt dem Gesetzgeber auf, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Neuregelung nach Maßgabe des Urteils des BVerfG zu treffen. Nach Art. 100 GG kann das BVerfG auch durch ein Gericht um diese Entscheidung angegangen werden, wenn das Gericht nach Ausübung seines richterlichen Prüfungsrechtes die Grundgesetzmäßigkeit eines formellen und nachkonstitutionellen Bundes- oder Landesgesetzes verneint, auf dessen Gültigkeit es in dem bei ihm anhängigen Verfahren ankommt (sog. „konkrete“ N.). Ebenso können nach Art. 100 GG entsprechenden Bestimmungen in Verfassungen der Länder) die Verfassungsgerichte der Länder angerufen werden, wenn es sich um die Verletzung einer Landesverfassung durch ein Landesgesetz handelt. Eine Popularklage, d. h. die Möglichkeit für jedermann (auch einen Nichtbetroffenen), die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes durch das Verfassungsgericht zu beantragen, ist nach dem GG und dem BVerfGG nicht gegeben, vereinzelt aber nach den Landesverfassungen (z. B. Art. 98 IV der Bayer. Verfassung). Nach Art. 93 I Nr. 4 a GG, § 90 BVerfGG kann jedermann gegen ein Gesetz, das ihn - was allerdings nur selten der Fall ist - unmittelbar (d. h. ohne dazwischenliegenden Vollzugsakt) in seinen Grundrechten verletzt, Verfassungsbeschwerde erheben; auch dann hat das BVerfG ggf. das Gesetz für nichtig zu erklären.
2.
Neben der Überprüfung der Gültigkeit von Gesetzen in den genannten N.verfahren obliegt dem BVerfG noch die Entscheidung über die Fortgeltung von Recht als Bundesrecht nach Art. 126 GG (vgl. Reichsrecht, Fortgeltung) sowie die Entscheidung darüber, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist und unmittelbare Rechte und Pflichten erzeugt (Art. 100 II GG).
3.
Nach § 47 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuches erlassen wurden (also insbes. auch über Bebauungspläne), sowie über Rechtsverordnungen, die auf Grund § 246 II Baugesetzbuch erlassen wurden. Ferner entscheidet das OVG allgemein über die Gültigkeit von anderen im Range unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften (also Rechtsverordnungen und Satzungen), sofern das Landesrecht dies bestimmt (so z. B. in Bayern nach Art. 5 AGVwGO; Verwaltungsstreitverfahren). Bei ausschließlicher Nachprüfungskompetenz eines Verfassungsgerichts entfällt die Normenkontrolle nach § 47 VwGO.
4.
Als N. bezeichnet man auch die verwaltungsinterne Überprüfung der Entwürfe von Rechtsnormen auf Rechtsförmlichkeit, aber auch auf Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht vor Einleitung des Gesetzgebungs- oder Rechtsetzungsverfahrens, i. d. R. also vor Beschlussfassung durch Landes- oder BReg. Darüber hinaus gehen die Aufgaben des Nationalen Normenkontrollrates (G v. 14. 8. 2006, BGBl. I 1866), der neben der Rechtsförmlichkeitsprüfung die Aufgabe hat, die BReg. dabei zu unterstützen, die durch Gesetze verursachten Bürokratiekosten zu reduzieren.
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