Rechtsstaatsprinzip
In Artikel 20 Abs. 3 GG ist festgeschrieben, dass die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden sind. Das bedeutet: Die Parlamente sind dem Grundgesetz verpflichtet und die Verwaltung und die Gerichte müssen sich an die Gesetze halten.
Dieses Rechtsstaatsprinzip dient in erster Linie zur Sicherung der Freiheit des einzelnen Bürgers. Der Staat ist also nicht berechtigt, nach Belieben in die Rechte des Bürgers einzugreifen, sondern bedarf dafür einer gesetzlichen Grundlage (Gesetzesvorbehalt). Ferner hat der Bürger bei jeglicher Art von staatlichem Eingriff einen Anspruch auf gerichtliche Prüfung.
Zum Rechtsstaatsprinzip gehört es außerdem, dass verschiedene Verfahrensgrundsätze eingehalten werden: So hat jedermann nach Artikel 103 Abs. 1 GG vor Gericht Anspruch auf rechtliches Gehör und nach Artikel 101 Abs. 1 GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden — d. h., es muss bereits vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens bestimmt sein, welcher Richter für welche Entscheidung zuständig ist.
Widerstandsrecht
Nach Artikel 20 Abs. 4 GG haben alle Deutschen gegen jeden, der es unternimmt, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen, das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. Dieser Passus wurde 1969 in die Verfassung eingefügt.
Bisher hat dieses im Grundgesetz verankerte Widerstandsrecht als letztes und äußerstes Mittel zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung jedoch keinerlei praktische Bedeutung gewonnen, da bisher weder die Staatsorgane versucht haben, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen, noch ein Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung erfolgt ist, durch den die Staatsorgane nicht mehr in der Lage waren, das System aufrechtzuerhalten.
Siehe auch Grundgesetz, Verfassungsorgane
(Art. 20 GG) ist im Verfassungsrecht der Grundsatz, dass die gesamte •Staatsgewalt an das vom Volk oder seinen Organen gesetzte Recht gebunden ist. Das R. ist in die Verfassung nicht ausdrücklich aufge- nommen (vgl. aber Art. 28 I GG), gehört jedoch gleichwohl zu den wichtigsten Verfassungsgrundsätzen. Seine Konkretisierung erfolgt je nach den sachlichen Gegebenheiten. Zu seinen bedeutsamsten Ausprägungen zählen Vorrang des Gesetzes und Vorbehalt des Gesetzes. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist die Rechtssicherheit, die etwa im Strafrecht die Rückwirkung von Gesetzesänderungen verbietet. Im Verfahrensrecht gründen sich auf das R. die Anforderungen, dass das Verfahren nach festen Grundregeln gestaltet sein, vor einem gesetzlich feststehenden (Art. 1011 GG) und unabhängigen (Art. 97 I GG) Richter stattfinden und die verfassungsmäßig garantierten Grundrechte gewährleisten muss. Weiter werden zum R. gezählt Verfassungsstaatlichkeit, Freiheitlichkeit, Rechtsgleichheit und Grundrechte, Gewaltenteilung, Rechtsgebundenheit, Gerichtsschutz, öffentlich-rechtliches Ersatzleistungssystem und Übermaßverbot. Danach ist etwa das R. dann verletzt, wenn in einem vormundschaftsgerichtlichen Verfahren nach mehr als sechseinhalb Jahren noch nicht einmal die Grundlagen für eine erstinstanzliche Entscheidung des Vormundschaftsgerichts für eine Umgangsrechtregelung geschaffen wurden. Ein Rechtsbehelf darf nicht nur deswegen als unzulässig angesehen werden, weil sein Vorbringen unzureichend gelungen ist. Ein Verhalten eines Prozessvertreters darf nicht als schuldhaft angesehen werden, wenn es nach der Rechtsprechung eines o- bersten Bundesgerichts nicht zu beanstanden ist. Lit.: Kunig, P., Das Rechtsstaatsprinzip, 1986; Roxin, /., Die Rechtsfolgen schwerwiegender Rechtsstaatsverstöße in der Strafrechtspflege, 3. A. 2000; Sobota, K., Das Prinzip Rechtsstaat, 1997; Görisch, C., Die Inhalte des Rechtsstaatsprinzips, JuS 1997, 988
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