Aussetzungsverfahren
gerichtliches Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz gern. § 80 Abs. 5 VwG() gerichtet auf Anordnung der kraft Gesetzes ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung bzw. auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung gern. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwG() angeordnet hat.
Für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO muss der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet sein. Statthaft ist der Antrag, wenn der Antragsteller die Suspendierung eines Verwaltungsaktes erstrebt. Dies ist der Fall, wenn in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft ist und Rechtsbehelfe gern. § 80 Abs. 2 VwG() keine aufschiebende Wirkung entfalten. Hat der Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung und vollstreckt die Behörde den Verwaltungsakt gleichwohl (sog. faktische Vollziehung), so ist ein Antrag analog § 80 Abs. 5 VwG() statthaft gerichtet auf Feststellung, dass die aufschiebende Wirkung besteht.
Der Antrag im Aussetzungsverfahren verlangt eine Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwG() (Klagebefugnis). Der Antragsgegner bestimmt sich wie bei der Anfechtungsklage analog § 78 VwG() (Klagegegner). Grundsätzlich ist das Aussetzungsverfahren nicht fristgebunden (Ausnahmen gelten z. B. im Asyl-verfahrensrecht und im Verkehrswegeplanungsrecht).
Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwG() fehlt, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich unzulässig ist. Eines vorherigen behördlichen Antragsverfahrens nach § 80 Abs. 4 VwG() bedarf es nach § 80 Abs. 6 VwGO nur bei Abgaben- und Kostenbescheiden i. S. d. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO.
Der Aussetzungsantrag ist begründet, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers an der Suspendierung des Verwaltungsaktes (Aussetzungsinteresse) das öffentliche Interesse an einem (sofortigen) Vollzug (Vollzugsinteresse) überwiegt. Das Gericht trifft dabei, anders als im Hauptsacheverfahren, eine eigene Ermessensentscheidung. Die Interessenabwägung richtet sich vor allem nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Lassen sich diese nicht abschließend beurteilen, so ist in den Fällen des gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 u. § 80 Abs. 2 S. 2 VwGO) grds. von einem überwiegenden Vollzugsinteresse auszugehen, beim behördlichen Ausschluss nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwG() grds. von einem überwiegenden Aussetzungsinteresse.
Bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde gern. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwG() kann sich die Begründetheit des Aussetzungsantrages außerdem aus formellen Gründen ergeben. In formeller Hinsicht muss die zuständige Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet haben (§ 80 Abs. 2 5. 1 Nr. 4 VwGO: Ausgangsbehörde oder Widerspruchsbehörde). Daneben muss das besondere Vollzugsinteresse schriftlich besonders begründet werden, § 80 Abs. 3 VwGO. Einer Anhörung gem. § 28 VwVfG bedarf es nach h. M. nicht, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung mangels unmittelbarer Regelungswirkung kein Verwaltungsakt ist. Die gern. § 80 Abs. 3 VwG() erforderliche besondere Begründung muss deutlich machen, dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters dieser Anordnung bewusst ist. Dabei muss sie das besondere öffentliche Interesse darlegen, das im konkreten Einzelfall über das normale Interesse an der Vollziehung von Verwaltungsakten hinausgeht. Deshalb genügt als Begründung nicht die Verwendung nichts sagender Floskeln, der Hinweis auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes oder die bloße Wiederholung der Gründe, die bereits den Verwaltungsakt tragen. Letzteres ist jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn (z. B. in schweren Gefahrenfällen) die Gründe für die sofortige Vollziehung mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsakts identisch sind.
Hält das Gericht die Begründung nicht für ausreichend, so führt dies nach h. M. nicht zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, sondern lediglich zur Aufhebung der Vollziehungsanordnung. Eine fehlerhafte Begründung kann allerdings durch Nachschieben einer ordnungsgemäßen Begründung im gerichtlichen Verfahren geheilt werden.
Über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwG() entscheidet das Gericht durch Beschluss, gegen den die Beschwerde statthaft ist. Außerdem besteht die Möglichkeit des Abänderungsverfahrens gern. § 80 Abs. 7 VwGO. Danach kann das Gericht seine Entscheidung jederzeit von Amts wegen oder auf Antrag ändern oder aufheben.
Besonderheiten für das Aussetzungsverfahren gelten gern. § 80 a VwG() bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (Verwaltungsakt). Widerspruch und Anfechtungsklagen entfalten grds. auch bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO. Für den vorläufigen Rechtsschutz unterscheidet § 80 a VwGO folgende Situationen:
— Legt der Dritte gegen den den Adressaten begünstigenden Verwaltungsakt einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung ein, so kann der Adressat bei der Behörde einen Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung stellen, § 80 a Abs. 1 Nr.1, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO.
— Hat der Rechtsbehelf des Dritten gegen den den Adressaten begünstigenden Verwaltungsakt nach § 80 Abs. 2 VwG() keine aufschiebende Wirkung, kann die Behörde auf Antrag des Dritten gern. § 80 a Abs. 1 Nr. 2, § 80 Abs. 4 VwGO die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
— Liegt ein Verwaltungsakt vor, der den Adressaten belastet und den Dritten begünstigt, so entfaltet ein Rechtsbehelf des Adressaten grundsätzlich aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO). Daher kann der Dritte gern. § 80 a Abs. 2, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwG() bei der Behörde einen Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung stellen.
Dieselben Maßnahmen kann das Verwaltungsgericht gern. § 80 a Abs. 3 VwG() treffen. Für die Entscheidung gelten gern. § 80 a Abs. 3 S. 2 VwGO die Regelungen in § 80 Abs. 5 bis 8 VwGO entsprechend. Soweit hierbei auf das behördliche Antragsverfahren nach § 80 Abs. 6 VwG() verwiesen wird, handelt es sich nach h.Rspr. um einen Rechtsgrundverweis, d. h. er gilt nur bei Abgabenbescheiden mit Doppelwirkung. Nach der Gegenansicht handelt es sich um einen Rechtsfolgenverweis, der bei allen Verwaltungsakten mit Doppelwirkung ein behördliches Antragsverfahren nach § 80 a Abs. 1 bzw. § 80 a Abs. 2 VwG() voraussetzt, bevor das Verwaltungsgericht nach § 80 a Abs. 3 VwG() angerufen werden kann.
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