Gleichheitsrecht

(Gleichheitssatz): Recht auf Gleichbehandlung aller Menschen (Art.3 GG). Neben dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art.3 Abs. 1 GG, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, enthält das GG weitere spezielle Gleichheitsgebote bzw. Diskriminierungsverbote (Art.3 Abs.2, 3; 6 Abs. 1, 5; 33 Abs. 1 u. 38 Abs. 1 GG).
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) bindet die Verwaltung und die Rspr. bei der Ausführung der Gesetze, sog. Rechtsanwendungsgleichheit, aber auch den Gesetzgeber, sog. Rechtsetzungsgleichheit.
Art.3 Abs. 1 GG verlangt — entgegen dem nach dem Wortlaut vermeintlich umfassenden Auftrag— nicht die unterschiedslose Gleichbehandlung aller Menschen. Vielmehr müssen nur wesentlich gleiche Sachverhalte oder Personen(gruppen) gleich behandelt werden und wesentlich Ungleiches muss ungleich behandelt werden (BVerfGE 1, 14). Dabei liegt etwas wesentlich Gleiches vor, wenn ein gemeinsamer Bezugspunkt bzw. ein gemeinsamer Oberbegriff vorhanden ist, die Lebenssachverhalte und Personen(gruppen) also überhaupt vergleichbar sind. So kann z. B. der Person „allein erziehende Mutter” nicht der Begriff „Eltern” gegenübergestellt werden, sondern als Vergleichsgruppe nur die Alleinerziehenden (Mütter oder Väter).
Ob eine Ungleichbehandlung im Einzelfall gerechtfertigt ist, wird insb. vom BVerfG auf unterschiedliche Art überprüft.
— Nach der sog. „Willkürformel” verbietet der Gleichheitssatz (dem Gesetzgeber), wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln (BVerfGE 1, 14; 49, 148). Danach ist eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt, wenn sich irgendein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung finden lässt. Eine Verletzung des Art.3 Abs. 1 GG ist nur dann gegeben, wenn ein solcher Differenzierungsgrund völlig fehlt oder evident unter keinem Gesichtspunkt geeignet ist, eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. So hat das BVerfG z.B. den unterschiedlichen Kündigungsschutz von Angestellten und Arbeitern nach § 622 BGB a. E als willkürlich angesehen, da ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung nicht ersichtlich war (BVerfGE 82, 126).
— Gerade in neueren Entscheidungen hat das BVerfG die „Willkürformel” eingeengt und eine Verletzung des Art.3 Abs. 1 GG bereits dann angenommen, wenn zwischen den vergleichbaren Sachverhalten oder Personen(gruppen) „keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten” (sog. „neue Formel”, BVerfGE 55, 72; 85, 238; 88, 87). Ob eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist, bestimmt sich im Rahmen des -9 Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit danach, ob der Zweck der ungleichen Behandlung höher wiegt als das Interesse der ungleich behandelten Personen an einer Gleichbehandlung.
Nach BVerfG, Beschl. v. 17.4.2008 — 2 BvL 4/05 werden beide Formeln nicht (abstrakt) scharf getrennt, sondern es ist eine Bandbreite verschiedener Prüfungsintensitäten vorhanden, die in jedem Einzelfall zu einer unterschiedlichen Prüfung führen können. D.h., dass sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den
Gesetzgeber ergeben, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.
Ein Verstoß gegen die Rechtsetzungsgleichheit liegt nicht vor, wenn unterschiedliche Gesetzgeber, z. B. zwei Bundesländer, wesentlich gleiche Sachverhalte oder Personen ungleich regeln (BVerfGE 21, 54; 52, 42). Dies gilt aber nur, solange nicht länderübergreifende Sachverhalte geregelt werden, z. B. bei der Zulassung zum Hochschulstudium (BVerfGE 33, 303).
Ein Verstoß gegen die Rechtsanwendungsgleichheit kommt in der gebundenen Verwaltung nur in Betracht, wenn das Recht (die Rechtsnorm) nicht richtig angewendet wird. Soweit dem Rechtsanwender ein Entscheidungsspielraum zusteht (Ermessen, Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe), gewinnt Art. 3 Abs. 1 GG eine größere Bedeutung. So ist insb. der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung zu beachten.
Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist in Art. 3 Abs. 2 S.1 GG geregelt. Im Gegensatz zu dem allgemeinen Gleichheitssatz begründet Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG ein absolutes Differenzierungsverbot. Damit darf eine Ungleichbehandlung (grundsätzlich) nicht daran anknüpfen, dass jemand Mann oder Frau ist. Eine Ungleichbehandlung ist ausnahmsweise zulässig, wenn der sich aus dem Geschlecht ergebende biologische Unterschied den Lebenssachverhalt so entscheidend prägt, dass gemeinsame Elemente vollkommen zurücktreten, z. B. beim Mutterschutz (vgl. auch BVerfGE 74, 163).
Daneben wird eine Ungleichbehandlung aus Gründen sozialstaatlich motivierter Kompensation zugelassen, um auf biologischen Unterschieden beruhende Nachteile auszugleichen, z.B. durch Frauenquoten (Quotenregelung).
Das Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S.1 GG verbietet es, eine Ungleichbehandlung aufgrund
— des Geschlechts, wobei das Merkmal inhaltsgleich zur Gleichberechtigung gern. Art.3 Abs. 2 S.1 GG ist,
— der Abstammung, also der biologischen Beziehungen zu den Vorfahren (Verbot der Sippenhaftung),
— der Rasse, also einer Gruppe mit bestimmten vererblichen Eigenschaften,
— der Sprache,
— der Heimat, also der örtlichen Beziehung zur Umwelt,
— der Herkunft, dem sozialen schichtenspezifischen Aspekt der Abstammung oder
— des Glaubens oder der religiösen oder politischen Anschauungen
vorzunehmen. Diese Aufzählung wird in Art.3 Abs. 3 S.2 GG erweitert um die Ungleichbehandlung wegen einer Behinderung, also einer nicht nur vorübergehenden, erheblichen Beeinträchtigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands, der die Lebensführung des Betroffenen im Verhältnis zu Nichtbehinderten schwieriger macht. Ein Verstoß gegen
Art. 3 Abs. 3 GG liegt nur vor, wenn die Benachteiligung oder Bevorzugung gerade wegen oder nur wegen der dort genannten Kriterien erfolgt.
Nach Art. 33 Abs. 1 GG hat jeder Deutsche in jedem Land die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten (z. B. Wahlrechte; keine Benachteiligung bestimmter Landeskinder bei der Wahl der Ausbildungsstätte). Dadurch sollen Nachteile durch den föderalistischen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland vermieden werden. Daher gewährleistet Art.33 Abs. 1 GG lediglich die Gleichbehandlung aller Deutschen in einem Bundesland, nicht hingegen, dass in jedem Bundesland identische Regelungen bestehen.
Art. 33 Abs. 2 GG schützt vor Benachteiligungen beim Zugang zu öffentlichen Ämtern. Entscheidend darf nur die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Bewerben sein (-) Beamtenrecht).
Als spezielle Ausformung des Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, Art. 4 u. 33 Abs. 2 GG bestimmt Art.33 Abs. 3 GG, dass der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienst erworbenen Rechte unabhängig sind vom religiösen Bekenntnis.
Weitere spezielle Ausformungen des Gleichheitsrechts sind die Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl gem. Art. 38 Abs. 1 GG ( Wahlrechtsgrundsätze).




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