Rückwirkung

das Zurückbeziehen der Wirkung eines Ereignisses auf einen davorliegenden Zeitpunkt. Die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts hat rückwirkende Kraft, da das angefochtene Rechtsgeschäft als von Anfang an (ex tunc) nichtig anzusehen ist. Bei der - rechtsstaatlich problematischen - R. von Gesetzen unterscheidet man zwischen echter und unechter R. Echte R. ist die Änderung der rechtlichen Beurteilung von abgewickelten, der Vergangenheit angehörenden Tatbeständen (z.B. wird nachträglich bestimmt, daß ein bestimmtes Verhalten strafbar ist oder zum Schadenersatz verpflichtet); zum Nachteil des Betroffenen ist sie grds. unwirksam (z.B. nullum crimen sine lege). Unechte R. ist nur die Änderung künftiger Rechtsfolgen von in der Vergangenheit liegenden Tatbeständen (z.B. Rentenänderung für die Zukunft); sie ist zwar grds. zulässig, jedoch ergeben sich aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes für den Gesetzgeber Grenzen. Durfte der Bürger auf eine bestimmte Rechtslage vertrauen und brauchte er nicht mit bestimmten entwertenden Eingriffen des Gesetzgebers zu rechnen und liegen auch keine sonstigen zwingenden Gründe des Gemeinwohls vor, so ist auch diese R. unwirksam.

. Aus dem Rechtsstaatsgebot u. den darin wurzelnden Grundsätzen der Rechtssicherheit u. des Vertrauensschutzes folgt das Prinzip, dass staatliches Handeln vorhersehbar u. berechenbar sein muss. Deshalb dürfen belastende Gesetze - und darauf beruhende Verwaltungsakte - i.d.R. nicht auf einen vor Gesetzesverkündung liegenden Zeitpunkt zurückwirken. Dabei ist zu unterscheiden zwischen echter R., die nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (z.B. Erhöhung des Steuertarifs für einen zurückliegenden Veranlagungszeitraum), u. unechter R., die auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte u. Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt (z. B. Beseitigung des Rechts auf Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung). Gesetze mit echter R. sind grundsätzlich nichtig. Demgegenüber kommt es in Fällen unechter R. auf eine Abwägung zwischen dem Wohl der Allgemeinheit u. dem Vertrauen des einzelnen auf den Fortbestand der Rechtslage an; nur wenn die Abwägung ergibt, dass der Vertrauensschutz Vorrang verdient, ist die R. unzulässig. Für Strafgesetze besteht dagegen nach Art. 103
II GG ein absolutes Rückwirkungsverbot (nulla poena sine lege). - Zur Zulässigkeit der R. bei Rücknahme u. Widerruf von begünstigenden Verwaltungsakten Verwaltungsakt. - Im Privatrecht bedeutet R., dass eine Willenserklärung die Wirksamkeit oder Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nachträglich zum Zeitpunkt seines Abschlusses eintreten lässt (z.B. Genehmigung schwebend unwirksamer Verträge [Unwirksamkeit] oder Anfechtung einer Willenserklärung).

ist die Zurückwirkung eines Ereignisses auf die vor dem Zeitpunkt seines Geschehens liegende Zeit. Nach § 142 BGB hat die Anfechtung R., weil das angefochtene anfechtbare Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Problematisch ist aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit die (nicht vorhersehbare) R. von Gesetzen. Dabei ist zwischen echter und unechter R. zu unterscheiden. Unechte R. ist die Änderung künftiger Rechtsfolgen von Tatbeständen, die selbst in der Vergangenheit liegen (z.B. Auswirkung eines 2002 für die Besteuerung von Zinseinkünften erlassenen Gesetzes auch auf vor diesem Zeitpunkt verzinslich angelegte Gelder ab Inkrafttreten des Gesetzes), echte R. die Änderung der rechtlichen Beurteilung von abgewickelten, der Vergangenheit angehörigen Tatbeständen. Die echte R. zum Nachteil des Betroffenen ist grundsätzlich unwirksam (vgl. für das materielle Strafrecht ausdrücklich Art. 103 II GG). Bei der unechten R. schränkt der Vertrauensschutz die Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers ein. Durfte der Einzelne auf eine bestimmte Rechtslage vertrauen und brauchte er mit bestimmten entwertenden Eingriffen des Gesetzgebers nicht zu rechnen, so sind diese auf Grund des Gedankens des Vertrauensschutzes rechtswidrig. Lit.: Wernsmann, R., Grundfälle zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit rückwirkender Gesetze, JuS 1999, 1177; Fischer, K., Die Verfassungsmäßigkeit rückwirkender Normen, JuS 2001, 861; Meilinghoff, R., Rückwirkung von Steuergesetzen, 2003




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